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Saint-Léonard

Politische Gemeinde des Kantons Wallis, Bezirk Siders. Ursprünglich Haufendorf links der Lienne am Fuss des rechten Rhonetalhangs, das sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts weit in den Talgrund hinein ausbreitete. 1218 apud Sanctum Leonardum, deutsch früher St. Leonhard. 1802 140 Einwohner; 1850 366; 1900 678; 1950 1070; 2000 1872.

Ur- und Frühgeschichte

Saint-Léonard weist mehrere archäologische Fundorte auf. Die Siedlung bei Sur-le-Grand-Pré liegt auf einem Felskamm (498 m) über der Rhoneebene und wurde 1956 von Marc-Rodolphe Sauter entdeckt und bis 1962 ausgegraben. Der Hauptbereich liegt in einer langen, mit postglazialem Löss gefüllten Senke von 4-6 m Breite. Der bedeutendste Teil der Siedlung geht auf das mittlere Neolithikum (3700-3350 v.Chr.) zurück, dem zahlreiche Gruben im sterilen Löss zuzuordnen sind. Dank des Materials konnte ein Saint-Léonard-Fazies definiert werden, eine späte Mischung aus Elementen der Chassey-, Cortaillod- und Lagozzakultur mit zahlreichen südländischen Bezügen. Ein Grossteil der Steinwerkzeuge besteht aus Bergkristall und das Spalten von Grüngestein durch Ansägen war gängig. Die Keramik ist mit Kannelüren verziert. Möglicherweise gehört ein Teil des Materials einer älteren, dem Chasséen (um 4000-3700 v.Chr.) ähnlichen Kultur an. Die neolithische Schicht ist von mehr als 1 m Erde bedeckt, die frühgeschichtliche und römische Spuren enthält, aber für den Rebbau umgegraben wurde. Weiter unterhalb befinden sich die Felszeichnungen von Crête des Barmes, die 1912 von Burkhard Reber entdeckt und 1974 von Pierre Corboud untersucht wurden. Der Fels weist vier Gravierungsphasen vom Neolithikum bis zur Bronzezeit auf, sowie zwei Flächen, auf die Schälchen eingepickt sind. Auf dem Schwemmkegel der Lienne im heutigen Dorf Saint-Léonard scheint es eine relativ weit ausgedehnte Siedlung aus dem mittleren Neolithikum gegeben zu haben, die Sauter 1961 entdeckte. In dieser kamen bei Les Bâtiments 1975-1977 drei Steinkistengräber des Chamblandes-Typs (Bestattung in Hockerstellung) zum Vorschein, die vier, drei bzw. eine Person zusammen mit kremierten menschlichen Gebeinen enthielten. Die grosse Zahl der Bestatteten erlaubte die Zuordnung dieser Gräber zu einer späten Phase der Cortaillodkultur, aus der auch die Siedlung von Sur-le-Grand-Pré stammt.

Gemeinde

Im Hochmittelalter war Saint-Léonard Teil der Kastlanei Granges. Durch eine Schenkung des Sittener Bischofs Boson de Granges kam Saint-Léonard um 1240 an die bischöfliche Mensa. In der Folge verwalteten die Vasallenfamilien de Saint-Léonard, de Saillon und de Chevron-Villette die bischöfliche Herrschaft bis 1556. Dann gab sie der Bischof der Gemeinde zu Lehen. Diese ernannte einen Kastlan, der dem Bischof bis 1798 den Lehenseid leistete und Abgaben entrichtete. Der heilige Leonhard, Patron der im 11. Jahrhundert erwähnten Kapelle, die zum Benediktinerpriorat Ayent gehörte, gab dem Dorf den Namen. Seit etwa 1200 ist Saint-Léonard eine selbstständige Pfarrei. Die neugotische Pfarrkirche datiert von 1894. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Talgrund von Saint-Léonard dank der Rhonekorrektion zu einem fruchtbaren Obst-, Gemüse- und Weinbaugebiet (2008 sechs Weinkellereien). Saint-Léonard ist wirtschaftlich auf Sitten und die Aluminiumfabrik in Chippis ausgerichtet. Auf dem Gemeindegebiet liegt der durch Erosion einer Gipsbank entstandene grösste unterirdische See Europas (300 m lang, 20 m breit, 10 m tief), der jährlich über 100'000 Besucher anlockt.

Quellen und Literatur

Ur- und Frühgeschichte
  • A. Winiger, J. Affolter, Le mobilier du Néolithique moyen de Saint-Léonard Sur-le-Grand-Pré (Valais, Suisse), 2009
Gemeinde
  • Regards: St.-Léonard et Uvrier, 2002
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Alain Gallay; Bernard Truffer: "Saint-Léonard", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.06.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002792/2012-06-26/, konsultiert am 21.03.2023.