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Wiedikon

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Zürich, 1893 in die Stadt Zürich eingemeindet, seitdem städtisches Quartier. Grosses Gemeindegebiet von der Sihl bis zum Kamm des Uetlibergs, das sich morphologisch in drei Zonen gliedert, nämlich die Schwemmebene des Sihlfelds, der Moränenzug Rebhügel sowie die Schuttfächer des Uetlibergs und die bewaldeten Steilhänge. 1787 Trennung der Gemeinde Aussersihl von Wiedikon. 889 Wiedinchova. 1467 23 Haushalte; 1637 435; 1799 559; 1850 1409 Einwohner; 1880 3886; 1888 4681; 1900 18'355; 1920 31'040; 1950 54'357; 1990 45'391; 2010 46'699.

Latènezeitliche Gräberfunde, frühmittelalterliches Gräberfeld am Rebhügel, Burg Friesenberg auf einem Geländesporn am Uetliberghang. Das Haufendorf Wiedikon, das um 1930 abgetragen wurde, erstreckte sich über das heutige Strassendreieck Zweierstrasse, Schlossgasse und Birmensdorferstrasse. Weiter umfasste Wiedikon den Weiler Wyl sowie Einzelhöfe mit zum Teil eigenen Zelgensystemen, unter anderem Friesenberg mit Bausubstanz aus dem 14. und 15. Jahrhundert sowie den Kolben- (1424 erwähnt) und den Döltschihof. Die Gerichtsbarkeit über Wiedikon war ein Reichslehen, das sich 1259 in den Händen der Herren von Eschenbach-Schnabelburg befand und von diesen weiter an die Zürcher Ritterfamilie Mülner verliehen wurde. 1362 belehnte Kaiser Karl IV. Ritter Götz Mülner unmittelbar mit dem Meieramt Wiedikon. Die Stadt Zürich eignete sich die hohe Gerichtsbarkeit über Wiedikon wahrscheinlich 1389 an und teilte sie 1415 der Reichsvogtei Zürich zu, welche sie bereits 1400 erworben hatte. Die niederen Gerichte, im 15. Jahrhundert in den Händen der einflussreichen Zürcher Familien Glenter und Schwend, erwarb die Stadt Zürich 1491. Sie trennte 1496 die Blutgerichtsbarkeit von der Reichsvogtei Zürich ab und vereinigte alle niederen und hohen Gerichte in der Obervogtei Wiedikon, zu der 1526 auch Albisrieden kam. Die Offnung datiert vom Anfang des 15. Jahrhunderts, eine Erneuerung der Einzugsbriefe erfolgte 1517. Ein Gemeinde- und Gesellenhaus ist 1598 bezeugt. 1798-1803 zählte Wiedikon zum Distrikt Zürich, 1803-1831 zum Bezirk bzw. Oberamt Horgen und ab 1831 zum Bezirk Zürich.

Kirchlich gehörte Wiedikon zur Pfarrei bzw. Kirchgemeinde St. Peter. 1791 erhielt die Gemeinde ein neues Bethaus, einen Friedhof und ein neues Schulhaus. Die reformierte Kirchgemeinde wurde 1883 gegründet, die reformierte Kirche auf dem Bühl 1896 erstellt. Die Errichtung der katholischen Herz-Jesu-Pfarrei und der Bau der Pfarrkirche erfolgten 1921, diejenige der Tochterpfarrei auf dem Friesenberg mit der St.-Theresia-Kirche 1933.

Vom Spätmittelalter an sind in Wiedikon neben der Landwirtschaft auch Gewerbe wie Ziegelhütten und Seidenweberei nachgewiesen. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert wuchs die Fabrikarbeiterschaft stetig an. 1836 siedelte sich die Papierfabrik an der Sihl an. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Ziegel- und Tonwarenproduktion mechanisiert, um 1900 nützten sechs Fabriken die Lehmvorkommen. Wiedikon zählte zwar zu den ärmeren Aussengemeinden von Zürich, verfügte aber 1885 immerhin über einen doppelt so hohen Steuerertrag pro Kopf wie Aussersihl. 1848 wurde die Birmensdorferstrasse ausgebaut. 1875 nahmen die linksufrige Seebahn (Bahnstation Wiedikon seit 1891) sowie die Uetlibergbahn, 1891 die Sihltalbahn und 1898 die städtische Strassenbahn Hauptbahnhof-Heuried den Betrieb auf. Die flachen, tieferen Lagen von Wiedikon wurden in der ersten Zürcher Bauperiode nach der Eingemeindung mit Mietskasernen überbaut. Am Rebhügel entstand ein kleines Villenviertel. Nach dem Paradigmawechsel in den 1920er Jahren, der sich vor allem in der Diskreditierung der Blockrandbauweise äusserte, folgten in den Hanglagen Reihenhäuser mit Grünflächen und Pflanzgärten zwischen den Zeilen. Der kommunale und der subventionierte genossenschaftliche Wohnungsbau waren mit insgesamt 55 Siedlungen 1918-1994 vorherrschend. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war Wiedikon ein Wohn- und Arbeitsquartier, in dem sich Weg- und Zupendler in etwa die Waage hielten.

Quellen und Literatur

  • P. Etter, Gesch. von Alt-Wiedikon von den Anfängen bis zum Umsturz 1798, 1987
  • P. Etter, Wiedikon selbständig!: 1798-1892, 1992
  • Hundert Jahre Gross-Zürich, Ausstellungskat. Zürich, 1993, 140-155
  • Baukultur in Zürich 4, 2009, 11-83
  • Kdm ZH NF 5, 2012, 408-417

Zitiervorschlag

Martin Illi: "Wiedikon", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003132/2015-01-11/, konsultiert am 15.10.2024.