1776 erklärten die 13 englischen Kolonien an der Ostküste Nordamerikas ihre Unabhängigkeit, die 1783 im Vertrag von Versailles anerkannt wurde. Dies war der Anfang der Vereinigten Staaten von Amerika (United States of America, USA), deren Territorium zu jener Zeit weniger als zehn Prozent des heutigen Staatsgebiets umfasste und 1790 rund 3 Mio. Einwohner zählte. In Etappen gelangten die Amerikaner "from Ocean to Ocean", wie es in den Verfassungen hiess. 1783 expandierten sie über die Appalachen nach Westen, 1803 kauften sie Französisch-Louisiana und 1819 Spanisch-Florida, 1845 eroberten sie Texas und 1848 gewannen sie den Krieg gegen Mexiko, das ihnen im gleichen Jahr Kalifornien abtreten musste, und schliesslich unterzeichneten sie 1846 den Oregon-Vertrag mit Grossbritannien. Vor der Unabhängigkeit konzentrierten sich die amerikanisch-schweizerischen Beziehungen weitgehend auf die englischen Kolonien, obschon auch in den französisch und spanisch dominierten Gebieten einige Schweizer lebten, etwa in New Orleans.
Kolonialzeit und Unabhängigkeit
Erste Kontakte
Der Berner Diebold von Erlach bzw. Théobald d'Erlach (1541-1565) war vermutlich der erste Schweizer, der seinen Fuss auf die Erde der zukünftigen USA setzte. Er verschwand in Florida während einer von René de Laudonnière im Kontext der Kämpfe gegen Spanien angeführten französischen Expedition, welche die Errichtung einer protestantischen Kolonie vorbereiten sollte. Handwerker aus der Schweiz, deren genaue Herkunft nicht bekannt ist, beteiligten sich 1608 am Bau von Jamestown in Virginia. Hauptsächlich aus den Kantonen Zürich und Bern emigrierten im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert Mitglieder religiöser Glaubensgemeinschaften aus der Schweiz in die USA. Täufer, Pietisten und Mennoniten liessen sich in Pennsylvania, Carolina und Georgia nieder. Diese im 17. Jahrhundert noch vereinzelten Kontakte vervielfachten sich im 18. Jahrhundert.
Weil Schweizer (insbesondere Deutschschweizer) in den britischen Kolonien häufig für Deutsche gehalten wurden, wurde ihre Zahl oft unterschätzt. Die Zahl von 25'000 Emigranten aus der Schweiz für das Jahr 1790, als die erste amerikanische Volkszählung durchgeführt wurde, liegt deutlich zu tief. Die meisten Schweizer liessen sich in Städten nieder, etwa in Philadelphia, Germantown, Charleston und Savannah, oder in bereits bestehenden Dörfern. Einige Einwanderer gründeten Kolonien: Die ersten Schweizer Kolonien waren New Bern in North Carolina (1710), Pequea in Pennsylvania (1710) und Purrysburg in South Carolina (1732).
In den USA standen zahlreiche Schweizer in französischen, britischen und dann auch in amerikanischen Diensten. 1708 hob der Neuenburger Hauptmann Charles-Frédéric de Merveilleux Söldner aus dem Berner Seeland und den angrenzenden Gebieten der Westschweiz aus. Gegen den Willen der Tagsatzung wurde unter der Leitung des Solothurner Obersten Franz Adam Karrer 1734-1739 in Louisiana ein in französischen Diensten stehendes Schweizer Regiment eingesetzt. 1752 wurde Franz Josef von Hallwyl Oberst des fortan nach ihm benannten Regiments, das im French and Indian War 1754-1763 wiederholt gegen die Engländer kämpfte. Auf britischer Seite eroberte Henri Louis Bouquet als Oberbefehlshaber der südlichen Streitkräfte das Ohiotal und sicherte es dauerhaft gegen französische Angriffe (1763 Schlacht bei Bushy Run). Frédéric Haldimand von Yverdon, Oberkommandierender in Ohio, zeichnete sich 1758-1760 bei den Schlachten um Montréal und Québec aus. 1777 verhinderte er als britischer Generalgouverneur und Oberbefehlshaber die Angliederung Kanadas an das Gebiet der späteren USA. Am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776-1783 nahmen die Genfer Brüder Augustin und Marc Prévost in britischen Diensten teil und verteidigten Savannah erfolgreich gegen die Aufständischen. Auf Seiten der aufständischen Kolonien dürften bis zu 10'000 Schweizer gekämpft haben. Die amerikanischen Milizen wurden mit Waffen und Kriegsmaterial aus der Schweiz beliefert. In den ersten Kriegsjahren organisierte der Basler Johann (Jean-Daniel) Schweighauser, amerikanischer Konsul in Nantes, den Nachschub für die auf US-Seite kämpfenden französischen Truppen. Der nach New Jersey ausgewanderte Basler Johann Jakob Faesch produzierte Waffen für die amerikanische Artillerie.
Vor der amerikanischen Unabhängigkeit wurde der angloamerikanisch-schweizerische Handel grossmehrheitlich von Europa aus organisiert und von den Häfen am französischen Atlantik aus betrieben. Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts überquerten Schweizer Händler wie Hans Konrad Hottinger den Atlantik. Diese häufig aus der Geldaristokratie oder aus Grosshandelskreisen stammenden Emigranten (z.B. Jacques Biedermann, Albert de Gallatin) integrierten sich in den USA rasch. In dieser Zeit entwickelte sich New York zum Geschäftszentrum des Landes.
Die Sister Republics
Die kulturellen Beziehungen und der Ideentransfer zwischen den oftmals Schwesterrepubliken (Sister Republics) genannten Ländern USA und Schweiz (auch die USA und Frankreich werden so genannt) gehen weit zurück. Speziell Genf brachte eine Reihe von Glaubenslehrern, politischen Denkern und Staatsmännern hervor, die diesen kulturellen Austausch vom 16. Jahrundert an pflegten. Zuerst von Genf, dann von England bzw. Schottland aus beeinflussten John Knox, Andrew Melville und Thomas Cartwright den Kongregationalisten Robert Browne. Dessen Ideen gelangten 1620 über die sogenannten Pilgerväter (Pilgrim Fathers), in deren Gepäck sich auch ein Exemplar der Genfer Bibel von 1560 befand, nach Amerika. Roger Williams, der 1636 die puritanischen Kolonien in Connecticut und Rhode Island gründete, liess sich von Ideen über das Selbstbestimmungs- und Widerstandsrecht von Calvins Nachfolger Theodor Beza und von François Hotman inspirieren. Die Westschweizer Naturrechtsschule um den Genfer Jean-Jacques Burlamaqui und den Neuenburger Emer de Vattel lieferte den Kolonisten in der Frühphase der Amerikanischen Revolution von den 1760er Jahren an rechtliche Argumente zur Legitimation des Widerstands gegen England und beeinflusste unter anderen auch Thomas Jefferson bei der Abfassung der Unabhängigkeitserklärung von 1776 (Formulierung "pursuit of happiness"). Dagegen ist die Wirkung des direktdemokratischen Ideenguts von Jean-Jacques Rousseau in den Kolonien als gering einzustufen, weil die Siedler bereits einen hohen Grad an politischer Partizipation kannten. Der geistige Einfluss Genfs zeigt sich auch daran, dass die politischen Eliten der USA – darunter Benjamin Franklin und Henry Laurens – ihre Kinder und Grosskinder in der Rhonestadt ausbilden liessen. François d'Ivernois zog 1794 gar in Erwägung, die Genfer Akademie in die Nähe der sich entwickelnden amerikanischen Hauptstadt zu verlegen. D'Ivernois' Genfer Kommilitone Albert de Gallatin wirkte unter Jefferson als Finanzminister. In Genf erschienen auch die meisten der ansonsten in der Schweiz raren amerikakundlichen Schriften. Die Tradition des genferisch-amerikanischen Austausches setzte im 19. Jahrhundert James Fazy fort, der General Marquis de La Fayette kannte. Mit Ignaz Paul Vital Troxler trug er wesentlich zur Übernahme des amerikanischen Zweikammersystems in die Bundesverfassung von 1848 bei.
In der Anfangsphase der Amerikanischen Revolution war die Schweiz eines der politischen Vorbilder der Kolonien. Die ausgewanderten Schweizer Johann Heinrich Möller und Hans Joachim Züblin propagierten die Heldenmythen der freien Eidgenossenschaft, um die deutschsprachigen Kolonisten für die Unabhängigkeit Amerikas zu gewinnen. In der frühen amerikanischen Verfassungsdebatte wurde der eidgenössische Staatenbund als Modell für die Konföderationsverfassung von 1777-1781 (Articles of Confederation) herangezogen. In den Beratungen zur Unionsverfassung von 1788-1789 distanzierten sich die Befürworter der Bundesstaatsidee (Federalists) jedoch bewusst von staatenbündischen Föderativrepubliken wie der Eidgenossenschaft oder den Niederlanden, weil sie deren Zentralgewalt als zu schwach beurteilten (Föderalismus).
In der Schweiz sollte das Modell des amerikanischen Bundesstaats erst durch die Übernahme des Zweikammersystems 1848 Wirkung zeitigen. Die staatsrechtlichen Errungenschaften Amerikas spielten in den seltenen Diskussionen über die strukturelle Reform der alten Eidgenossenschaft eine untergeordnete Rolle, obschon der amerikanische Unabhängigkeitskrieg im Kreis der Helvetischen Gesellschaft positiv aufgenommen wurde, Johannes von Müller die Ereignisse in Amerika eifrig beobachtete und Isaak Iselin ab 1776 in seinen "Ephemeriden der Menschheit" die wichtigsten politischen Dokumente der USA publizierte. In der helvetischen Verfassungsdebatte 1798-1803, in deren Verlauf Zentralisten und Föderalisten – der letztgenannte Begriff bezeichnet im Gegensatz zu seinem englischen Pendant Federalists nicht die Verfechter einer Bundesstaatslösung, sondern die Anhänger einer möglichst dezentralen Staatsstruktur – darüber diskutierten, sich vom amerikanischen Modell inspirieren zu lassen, blieb dessen Einfluss jedoch gering. Napoleon Bonaparte scheiterte, als er die Verfassung von Malmaison von 1801, die Ähnlichkeiten mit dem amerikanischen System aufwies, einführen wollte. Die verspätete Übernahme amerikanischen Staatsrechts in die Bundesverfassung von 1848 gründete letztlich auch auf einer in der Schweiz betriebenen mythenhaften Verklärung der konstruierten, politisch-ideellen Gemeinsamkeiten der beiden Sister Republics.
Auswanderung
Von 1700 bis 2000 wanderten schätzungsweise 460'000 Schweizer in die USA aus. Damit gleicht der Anteil der Auswanderer an der Bevölkerung in etwa jenem in den anderen europäischen Ländern. Dieser Bevölkerungszustrom war eine der Voraussetzungen für die zeitgleiche europäische Expansion auf amerikanischem Boden.
Im 19. Jahrhundert war Armut einer der Hauptgründe für die Emigration aus der Schweiz. Nach der Hungersnot von 1817-1818 versuchten viele Gemeinden, die militärische durch eine organisierte und subventionierte zivile Emigration zu ersetzen. Ab den 1850er Jahren nahm vor allem die Auswanderung aus den Alpentälern deutlich zu. 1851-1880 verzeichneten die amerikanischen Statistiken die Ankunft von 76'653 Schweizern in den USA. In jenen Jahren beklagten sich die amerikanischen Behörden häufig über die schweizerische Praxis der "Abschiebung" missliebiger Personen. Die Schweizer siedelten in den Staaten des Mittleren Westens, wo sie zahlreiche Kolonien und Niederlassungen wie Switzerland, Vevay, Tell City, Highland und New Glarus gründeten. Als nach 1885 immer mehr Schweizer Auswanderer einen höheren sozialen Status hatten und der Zustrom von Immigranten aus Süd- und Osteuropa anschwoll, wurde die Kritik an den eingewanderten Schweizern leiser und machte ab 1900 gar lobenden Worten Platz.
1881-1893 wanderten immer mehr Schweizer in die USA aus, nämlich fast 8000 pro Jahr, womit die Marke von 100'000 Personen überschritten wurde. Dieser massive Wegzug lässt sich vorwiegend auf den Bevölkerungsüberschuss in landwirtschaftlichen Gebieten zurückführen, der mit den sinkenden Getreidepreisen zusammenhing. In den Jahren 1894 bis 1900 führte die amerikanische Wirtschaftskrise zu einem Rückgang der Auswanderung. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts nahm der Anteil jener Auswanderer zu, die im 3. Sektor tätig waren. Abgesehen von den Kriegsjahren blieb die schweizerische Emigration bis 1923 mit über 4000 Personen jährlich auf einem hohen Stand. Danach, insbesondere während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, war sie rückläufig. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Zahl der Schweizer Auswanderer bei durchschnittlich rund 2000 pro Jahr eingependelt, wobei die Statistiken an Genauigkeit verloren haben. Die Auswanderung nahm andere Formen an; sie ist meist nicht mehr endgültig, sondern nur mehr temporär. 1958-1974 kehrten schätzungsweise 78,5% der Auswanderer zurück. 2010 lebten 75'252 Schweizer in den USA, davon zwei Drittel als Doppelbürger. Dagegen lebten deutlich weniger Amerikaner in der Schweiz, nämlich 17'109 Personen (1980 9332), die meisten in Zürich, Genf und im Kanton Waadt.
Die Auswanderung in die USA betraf alle Kantone, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass und mit zeitlichen Verschiebungen. Als Auswanderungsziel wurden die USA im Vergleich zu anderen Ländern in Übersee insbesondere zwischen 1870 und 1920 bevorzugt (83% der Ausreisenden). Eine Ausnahme bildeten damals nur die Kantone Freiburg, Wallis und Genf, aus denen weniger als 60% der Emigranten in die USA zogen. Die meisten Auswanderer mit dem Ziel USA stammten aus den Kantonen Bern, Tessin und Zürich.
Die Besiedlung des amerikanischen Raums lässt Rückschlüsse auf die Vorlieben der Auswanderer zu. Anfang des 19. Jahrhunderts liessen sich Schweizer ebenso wie Deutsche und Skandinavier mehrheitlich im mittleren Westen und in den westlich an diese Region anschliessenden Staaten nieder. 1870 lebten etwa 65% der Schweizer (allerdings nur 33,7% der amerikanischen Gesamtbevölkerung) in diesen Gebieten. Danach zogen die Schweizer vor allem in die Pazifikstaaten (1930 24,4% der Schweizer, 6,7% der amerikanischen Bevölkerung). Für die anderen Regionen waren die Unterschiede zwischen den Anteilen der schweizerischen und der amerikanischen Bevölkerung um 1930 nicht signifikant. Eine Ausnahme bildete der Süden, der die Schweizer offenbar wenig lockte und wo dementsprechend nur 5,8% von ihnen (30,9% der Amerikaner) lebten. Obwohl auch die Schweizer Siedler der generellen Stossrichtung Westen folgten, zählten sie nicht zu den eigentlichen Pionieren der Frontier. Vielmehr folgten sie meist mit einiger Verzögerung der sich allmählich westwärts schiebenden Siedlungsgrenze.
1900 waren die Schweizer in den USA ein bunt gemischtes Volk. Rund 38% von ihnen waren Bauern, was im Vergleich zu anderen Nationalitäten einer der höchsten Anteile war. 35,5% wohnten in Städten mit über 25'000 Einwohnern. Die Schweizer in den USA waren relativ mobil. Dies könnte darauf hinweisen, dass viele Schweizer doch amerikanische Werthaltungen übernahmen.
Die Schweizer entwickelten rasch ein Gesellschaftsleben, das unter anderem Wohltätigkeits-, Hilfs-, Schützen-, Turn- und Gesangsvereine umfasste. Diese dienten der Erhaltung der nationalen oder regionalen kulturellen Identität und als Sprachrohr der Schweizer Gemeinschaften. Ein typisches Beispiel war die 1832 gegründete Schweizerische Hilfsgesellschaft in New York. Sie kümmerte sich nicht nur um mittellose Immigranten bei deren Ankunft am Hafen, sondern wies die eidgenössischen Behörden auch auf die Gefahren hin, welche die Auswanderung sozial Benachteiligter für das Image der republikanischen Schweiz mit sich brachte. Ihre Mitglieder verstanden sich als Repräsentanten des amerikanischen Bürgertums, dessen Lebensstil sie zur Schau stellten. Einige schweizerische Hilfsvereine, die ein eigentliches patriotisches Netz aufbauen wollten, schlossen sich 1865 zu einer Vereinigung mit dem plakativen Namen Nord-Amerikanischer Grütlibund (1911 umbenannt in Nordamerikanischer Schweizerbund) zusammen. Dieser Bund, der sich zum wichtigsten Organ des Schweizertums in den USA entwickelte, gewann bis etwa 1925 zunehmend an Einfluss. 1928 gehörten ihm 95 Sektionen mit 8000 Mitgliedern an, d.h. 2% der Schweizer und ihrer in den USA geborenen Kinder. 1896 bestanden in den USA insgesamt 318 Schweizer Vereine, 1999 noch 151. Die Zahl der Vereine und ihrer Mitglieder lässt nicht zwingend auf das Fortbestehen eines gemeinsamen Wertekodexes schliessen. Hinter der bekundeten Geschlossenheit verbargen sich auch auseinanderklaffende kulturelle und gesellschaftliche Prägungen.
Auch in der Gründung von Zeitungen zeigt sich ein elitäres Bestreben, das schweizerische Nationalgefühl zu kultivieren und sozusagen als Träger der Integration mit bestimmten Vorstellungen des Aufnahmelands zu verbinden. So entwickelte die 1876 gegründete "Amerikanische Schweizer Zeitung" eine nationalistisch gefärbte schweizerische Ausdrucksweise, die eine Deutschschweizer Identität zum Ausdruck brachte. In der Zwischenkriegszeit hielt das "Schweizer Journal" mit einem von der Geistigen Landesverteidigung geprägten Diskurs gleichermassen den USA und der Schweiz die Treue.
In der Schweiz waren das Ausmass und das Wesen der Auswanderung auch gesellschaftlich ein Thema, das im Zentrum der politischen Debatte stand. Sollte man die Auswanderung fördern, schützen oder eindämmen? Brachte sie der Heimat Gewinn oder Schaden? Zur Lösung der während des ganzen 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesprochenen Probleme trug der Bundesstaat nichts bei. Der Schutz der Auswanderer während ihrer Reise in die USA und die Schaffung eines Kommissariats am Hafen von New York wurden ab 1850 wiederholt thematisiert, doch mehr als behelfsmässige Lösungen kamen nicht zustande. Der Aufschwung von Auswanderungsagenturen, deren aggressives Geschäftsgebaren die Emigration ab Mitte des 19. Jahrhunderts zusätzlich verstärkte, veranlasste die eidgenössischen Behörden, die Tätigkeit dieser Büros 1880 und 1888 gesetzlich zu regeln bzw. unter die Aufsicht des Bundes zu stellen. Gegen die Migrationsbewegung an sich unternahmen die Behörden jedoch nichts.
Diplomatie und Politik
Die ersten offiziellen Kontakte zwischen der Schweiz und den USA fanden dank der Vermittlung von Konsuln statt. 1822 wurden die Schweizer Konsulate in New York und Washington eröffnet. Es folgten weitere in New Orleans (1829), Philadelphia (1841), Savannah (1841, 1842 aufgehoben), Madison (1842, 1845 nach Louisville verlegt) und Galveston (1846). 1830 wurde in Basel das erste amerikanische Konsulat eröffnet. Der 1847 unterzeichnete erste Vertrag zwischen den beiden Staaten betraf das Eigentums- und Erbrecht. Der 1850 geschlossene und 1855 ratifizierte Freundschafts- und Handelsvertrag bildet noch heute die Grundlage der amerikanisch-schweizerischen Beziehungen. Die freundschaftlichen Bande zwischen den beiden Ländern gründeten auf gemeinsamen politischen Idealen. Die Schweizerische Bundesverfassung von 1848 war ein auf dem amerikanischen Vorbild fussender Kompromiss, der jedoch einen Artikel enthielt, der bei den Amerikanern auf Ablehnung stiess. Gegen die Beschränkungen der Niederlassungs- und Gewerbefreiheit insbesondere von Juden setzte sich Théodore S. Fay, der 1853-1861 in Bern als erster ständiger Gesandter wirkte, erfolgreich ein. 1866 wurde der Artikel aufgehoben. Erst 1882 eröffnete die Schweiz in Washington eine Gesandtschaft, weil die Konsulate offensichtlich unzulänglich waren. Dank seiner Beziehungen zu den USA wurde der spätere Bundesrat Emil Frey erster Gesandter der Schweiz (1882-1888). Während des Sezessionskriegs hatte er als Soldat für die Nordstaaten gekämpft und war 1863 in Gettysburg in Gefangenschaft geraten.
Im 20. Jahrhundert belasteten Spannungen aufgrund der beiden Weltkriege zeitweise die amerikanisch-schweizerischen Beziehungen. Als Präsident Woodrow Wilson im Februar 1917 den Abbruch der Beziehungen mit Deutschland verkündete, gaben die Amerikaner den neutralen Staaten zu verstehen, dass sie von diesen dasselbe erwarteten. Nach der Kriegserklärung an Deutschland im April 1917 bekräftigten die USA ihren Willen, die Neutralität der Schweiz zu respektieren, erwogen jedoch eine Intervention in der Schweiz, falls diese nicht in der Lage sei, ihr Territorium gegen die Mittelmächte zu verteidigen. Als die USA ein Embargo für Ausfuhren in neutrale Staaten verhängten, entsandte der Bundesrat eine Handelsmission nach Washington. Diese sollte die Versorgung der Schweiz mit amerikanischen Erzeugnissen, vor allem mit Getreide, sicherstellen, was ihr 1918 auch gelang. Die US-Regierung und ihre Verbündeten liessen auch eine Liste aller Schweizer Firmen erstellen, die mit den Mittelmächten zusammenarbeiteten. Ein am 22. Januar 1919 in Washington geschlossenes Abkommen zwischen den USA, Grossbritannien, Frankreich und der Schweiz regelte bis zur Unterzeichnung des Vertrags von Versailles sämtliche Fragen rund um Handel, Versorgung, Transport und Transit sowie die für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gewährten Kredite.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs galt die Hauptsorge der Schweiz nicht mehr der Versorgung, sondern der Angst vor einer Invasion und dem Verlust der Unabhängigkeit. Solange die USA sich nicht am Krieg beteiligten, war die Einfuhr amerikanischer Lebensmittel zwar gestattet, jedoch durch die britische Blockade erschwert. Die Schweizer Diplomatie versuchte, die Blockierung von Vermögenswerten der neutralen Staaten, welche die US-Regierung im Juni 1941 verfügt hatte, zu verhindern. Trotz all seiner Bemühungen konnte der Bundesrat weder deren Aufhebung erwirken, noch die aus Sicherheitsgründen in New York gelagerten Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank zurückholen. Vielmehr verstärkte sich der Druck der Alliierten nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 und hielt auch nach Beendigung der Kampfhandlungen weiter an. Die Alliierten verlangten von der Schweiz, den Handel mit Deutschland sowie den Eisenbahnverkehr zwischen Deutschland und Italien einzuschränken und sich an der "Operation Safehaven" zu beteiligen. Dabei handelte es sich um ein von der US-Regierung ausgearbeitetes Programm von Wirtschaftssanktionen, das die Alliierten im Rahmen der Abkommen von Bretton Woods im Juli 1944 genehmigten. Mit "Safehaven" sollte verhindert werden, dass deutsche Kriegsverbrecher in neutralen Ländern Zuflucht fänden und ihre geraubten Güter dorthin verfrachteten. Um sich der wirtschaftlichen und finanziellen Kooperation der Schweiz zu versichern, entsandten die Alliierten im Februar 1945 eine Delegation nach Bern (Mission Currie-Foot). Der Amerikaner Lauchlin (oder Laughlin) Currie brachte die Schweiz dazu, ihren Handels- und Finanzverkehr mit dem Dritten Reich und den Gütertransit nach Deutschland stark einzuschränken. Der Bundesrat hatte allerdings schon vor den Verhandlungen mit den Allierten beschlossen, deutsche Vermögenswerte in der Schweiz zu blockieren. Im August 1945 verlangten die Amerikaner und ihre Verbündeten die Kontrolle über sämtliche deutschen Vermögenswerte in der Schweiz. 1946 wurde mit dem Washingtoner Abkommen deren Liquidation verfügt, und die Schweizer Regierung verpflichtete sich, 250 Mio. Franken in den Reparationsfonds der Alliierten einzuzahlen. Solange die Liquidation nicht abgeschlossen war, hielten die Amerikaner die Sperre der Schweizer Guthaben in den USA aufrecht und drohten, das Schweizer Gold in New York zu beschlagnahmen und ihre Getreide- und Kohlelieferungen einzustellen.
1945 und 1946 durchliefen die diplomatischen, wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA somit eine besonders schwierige Phase. Allmählich wendete sich das Blatt zugunsten der Schweiz. Sie nahm Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf, die zu einem wichtigen Bollwerk im Kalten Krieg geworden war, und fand eine für die Alliierten annehmbare Lösung. Im August 1952 ersetzten zwei neue Verträge das Washingtoner Abkommen. Den einen schloss die Schweiz mit der BRD, den anderen mit den Alliierten ab.
Eine weitere, unmittelbar mit dem Kriegsgeschehen verbundene Streitigkeit betraf die Schäden (Tote, Verletzte und Zerstörungen), die 1944 bei den Bombardierungen von Schaffhausen, Zürich und Basel durch amerikanische Flugzeuge entstanden waren. Die US-Regierung bedauerte die Vorfälle, die sie auf menschliches Versagen zurückführten, und zahlte der Schweiz 1949 eine Entschädigung von mehr als 62 Mio. Franken. In einem ganz anderen Bereich kamen die beiden Länder ebenfalls zu einer Übereinkunft: Unter Kriegsfolgen leidenden amerikanischen Soldaten wurde ein Erholungsurlaub in der Schweiz gewährt, nachdem die amerikanischen Militärbehörden in Europa darum ersucht hatten. In der Folge besuchten über 200'000 Veteranen die Schweiz und nahmen das Bild eines vom Krieg und Nationalsozialismus verschonten europäischen Landes nach Hause.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Schweiz nicht umhin, dem von den USA vorgegebenen weltpolitischen Kurs zu folgen. 1951, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, verhängten die USA ein Embargo gegen Ausfuhren in osteuropäische Länder. Die US-Regierung drängte die Schweiz, sich daran zu beteiligen, und der Bundesrat erklärte sich angesichts der drohenden Wirtschaftssanktionen bereit, den Handel mit den kommunistischen Staaten zu drosseln. Im Juli 1951 unterzeichnete die Schweiz das Hotz-Linder-Agreement, mit dem sie sich verpflichtete, die Ausfuhr von strategischen Gütern in den Ostblock stark einzuschränken. Damit schlug sie sich auf die Seite der Westmächte, zu denen sie aufgrund ihrer geografischen Lage und ihrer politischen und wirtschaftlichen Verfasstheit gehörte.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kämpfte die Schweiz ständig für die Bewahrung ihrer Neutralität, die durch den Kalten Krieg auf eine harte Probe gestellt wurde. 1973 musste sie mit den USA auch ein Abkommen zur Bekämpfung der Geldwäscherei in Zusammenhang mit Drogenhandel und anderen Formen des organisierten Verbrechens vereinbaren, welches das Bankgeheimnis antastete. Die beiden Staaten schlossen 1951 und 1996 ein Doppelbesteuerungsabkommen, 1995 ein Abkommen über die Niederlassungsbewilligung, 1990 einen neuen Auslieferungsvertrag (anstelle des Vertrags von 1900) und 1979 sowie 1988 Abkommen über die soziale Sicherheit ab. 2009 wurde zudem ein Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit unterzeichnet.
Die Schweiz leistete den USA vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten wiederholt wertvolle Unterstützung. Dies tat sie oft im Rahmen der Guten Dienste, um die sie als neutraler Staat ersucht wurde. Indem sie die US-Interessen in Staaten vertrat, mit denen sich die USA im Krieg befanden oder zu denen sie die Beziehungen abgebrochen hatten, übernahm sie auch schwierige Aufgaben. So wurde zum Beispiel 1872 die Affäre um das Schiff Alabama, in der sich die USA und Grossbritannien gegenüberstanden, in Genf beigelegt (Alabama-Schiedsgericht). 1914-1918 vertrat die Schweiz Deutschland und (teilweise) Österreich-Ungarn in den USA sowie die USA in Russland. Im Zweiten Weltkrieg waren die Guten Dienste, der Schutz der Gefangenen in allen Lagern und die humanitären Missionen in Zusammenarbeit mit den Institutionen verschiedener Länder wichtige Aufgaben. Sie spielten eine zentrale Rolle bei der Vertretung der Interessen Albaniens, Bulgariens, Dänemarks, Deutschlands, Vichy-Frankreichs, Italiens, Japans und Thailands in den USA sowie der Interessen der USA in Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Japan, Kroatien, Rumänien, Thailand und Ungarn. Im August 1945 wurden das Kapitulationsangebot Japans an die US-Regierung und dessen Annahme durch die USA mit Hilfe der schweizerischen Diplomatie ausgehandelt. Von 1946 bis Anfang des 21. Jahrhunderts übernahm und übernimmt die Schweiz für die USA Schutzmachtmandate in Bulgarien (1950-1960), Kuba (ab 1961), Algerien (1967-1974) und im Iran (ab 1980). Seit 1991 nimmt sie zudem die Interessen Kubas in den USA wahr. Dwight D. Eisenhower besuchte anlässlich der Genfer Gipfelkonferenz der vier Siegermächte mit den Teilnehmerstaaten USA, UdSSR, Grossbritannien und Frankreich 1955 als erster Präsident der USA die Schweiz. Auch mehrere seiner Nachfolger kamen anlässlich grosser internationaler Zusammenkünfte oder wichtiger Gipfeltreffen (1985 Ronald Reagan – Michail Gorbatschow) nach Genf.
Kurz nach dem Ende des Kalten Kriegs prallten in der Affäre der nachrichtenlosen Vermögen, die 1995 durch amerikanische Presseartikel über die von jüdischen Holocaust-Opfern in der Schweiz deponierten Vermögenswerte ins Rollen gekommen war, zwei unterschiedliche Auffassungen von wirtschaftlicher Neutralität aufeinander. Die USA lehnten die klassische Definition ab und verweigerten den neutralen Staaten jede Möglichkeit, wirtschaftliche Rechte geltend zu machen. Der im Mai 1997 vom amerikanischen Aussenministerium veröffentlichte Eizenstat-Bericht hob die zahlreichen Meinungsverschiedenheiten über die wirtschaftlichen Rechte neutraler Staaten in Kriegszeiten hervor und übte harte Kritik an der Haltung der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. In der gleichen Angelegenheit, in der sich die beiden Länder bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegenübergestanden waren, eröffneten die USA fünfzig Jahre später erneut ein Streitverfahren. Damit machten sie die Schweiz zur Zielscheibe der internationalen Medien. Der Bundesrat reagierte 1996 mit der Einsetzung einer Taskforce, die alle beteiligten Stellen zusammenbringen sollte, und einer unabhängigen Expertenkommission, der sogenannten Bergier-Kommision, die den Auftrag erhielt, die Frage der nachrichtenlosen Vermögen und das Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu untersuchen (2002 Schlussbericht). Eine weitere Kommission unter der Leitung des früheren Präsidenten der US-Notenbank, Paul A. Volcker, erfasste 1996-1999 ungeachtet des Bankgeheimnisses die bei den Schweizer Banken gelagerten nachrichtenlosen Vermögenswerte. Die Interventionen jüdischer Organisationen (Jüdischer Weltkongress, Jewish Agency), deren Drohung, den Schweizer Banken den "totalen Krieg" zu erklären, und deren Unterstützung durch die Regierung Präsident Bill Clintons veranlassten die UBS und die Credit Suisse Group, 1,25 Mrd. Dollar Entschädigungszahlungen an Holocaust-Opfer zu leisten. Auf diese Übereinkunft hatte man sich in einem sogenannten globalen aussergerichtlichen Vergleich im August 1998 geeinigt. Die Affäre der nachrichtenlosen Vermögen trübte die amerikanisch-schweizerischen Beziehungen während mehrerer Jahre.
Ausserdem belastet der Streit um den Steuerbetrug reicher amerikanischer Kunden der Bank UBS seit 2008 die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. In der Folge musste die Schweiz auf starken Druck aus Washington hin das Bankgeheimnis lockern und die Namen mehrerer Tausend angeblicher Steuerbetrüger den zuständigen amerikanischen Steuerbehörden übergeben.
Wirtschaftsbeziehungen
Bis 1820 blieb der wirtschaftliche Austausch zwischen der Schweiz und den USA bescheiden. In den folgenden dreissig Jahren intensivierte er sich rasch, zumal sich die Schweiz wegen des allgemeinen Protektionismus in Europa gezwungen sah, neue Märkte zu erschliessen. Sie exportierte Uhren, Baumwolltücher und Seidenbänder nach Nordamerika. Die Einfuhrzölle auf Seidenwaren wurden in den USA 1819 auf 30% festgesetzt, 1831 auf 5% gesenkt und im Jahr darauf abgeschafft. Anfang der 1840er Jahre setzte Zürich mehr als die Hälfte seiner Produktion in den USA ab. 1845 entfielen 44-48% des Werts der von der Schweiz exportierten Waren zu fast gleichen Teilen auf Nord- und Südamerika. Mit der Wiederaufnahme des Freihandels in Europa sank der amerikanische Anteil bis 1860 auf 21%, wobei 18% nach Nordamerika gelangten. 1892 betrug der Anteil der Ausfuhren in die USA an den gesamten Exporten der Schweiz nur noch 11,6%, danach blieb er weitgehend konstant (1912 10%). Damit waren die USA gleichwohl der drittgrösste Abnehmer von Waren aus der Schweiz. Textilien, hauptsächlich Maschinenstickereien, überwogen weiterhin. Zwischen 1865 und 1910 machten sie 70-80% der US-Importe aus der Schweiz aus. Der zweite wichtige Sektor für die Schweizer Exportindustrie war die Uhrenindustrie, für deren Erzeugnisse die USA der wichtigste Absatzmarkt waren.
In den Südstaaten angebaute Baumwolle gelangte ab dem beginnenden 19. Jahrhundert in die Schweiz. 1860 erreichte die Schweizer Baumwollindustrie ihren Höhepunkt und machte sogar der britischen Industrie ernsthaft Konkurrenz. Bei Ausbruch des Sezessionskriegs 1861 unterband die Blockade der Union die Ausfuhr von Baumwolle, deren Preis sich innerhalb von vier Jahren vervierfachte, worauf die Produktion in der Schweiz einbrach. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts exportierten die USA hauptsächlich Agrarprodukte (Getreide, Speck, Trockenfleisch, Fleischkonserven, Melasse, Tabak, Baumwolle und Trockenfrüchte) und einige Manufakturwaren (Näh- und Schreibmaschinen) in die Schweiz. 1893 belegte sie unter den Lieferanten der Schweiz den siebten Rang.
Während des ganzen 19. Jahrhunderts lag die Handelsbilanz für die Schweiz im positiven Bereich. Der Handel stützte sich auf die Meistbegünstigungsklausel und blieb profitabel, bis die USA 1891 ihre Einfuhrzölle anhoben. Weil das Überleben eines der wichtigsten Schweizer Industriezweige, der St. Galler Stickerei, vom Export nach Amerika abhing, gab dies in der Schweiz Anlass zur Sorge. 1900 hoben die USA die Handelsbestimmungen des Vertrags von 1850 auf. Dies führte kurzzeitig – bis zu deren Wiedereinführung – zur Abkühlung der amerikanisch-schweizerischen Beziehungen.
Die Importe aus den USA blieben bis 1922 auf hohem Niveau, was vor allem auf die Beschaffung von Getreide und Kohle während des Ersten Weltkriegs zurückzuführen ist. Nach 1922 wurden andere Produkte eingeführt, so begann die Schweiz nun beispielsweise Autos zu importieren. Auch beim Export in die USA gab es Veränderungen. Während vor dem Ersten Weltkrieg Textilien den Hauptanteil ausgemacht hatten, waren es nun Produkte der Uhrenindustrie.
Von 1929 bis 1935 verringerte sich der Import aus den USA um 71%, der Export in die USA um 77%. Mitten in der Weltwirtschaftskrise führte der Kongress 1930 einen protektionistischen Zolltarif ein, den Hawley-Smoot-Tarif, der nicht nur Erzeugnisse der Uhrenindustrie verteuerte, sondern auch Produkte der Textil-, Nahrungsmittel- und Schuhindustrie sowie der chemischen Industrie. Die Schweiz trug zwischen 1932 und 1935 mit Quoten und Beschränkungen ihrerseits zur Stagnation des Handelsverkehrs bei. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs spielte sich der Handel zwischen den beiden Ländern unter wechselhaften Rahmenbedingungen ab, die durch den Kriegseintritt der USA, die Blockade der Alliierten, die deutsche Gegenblockade, den Wirtschaftskrieg und die Blockade der schweizerischen Vermögenswerte in den USA geprägt waren.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die USA erneut zum wichtigsten Markt für Schweizer Uhren und Uhrenbestandteile. Die Uhrenindustrie geriet in Abhängigkeit vom amerikanischen Markt. Auf Druck der amerikanischen Uhrenfabrikanten, die nach 1945 zur Sicherung ihres Überlebens von der Waffenherstellung wieder auf die Uhrenproduktion umstellen mussten, erhöhte die US-Regierung 1954 den Zolltarif auf Schweizer Uhren um 50%. Bis 1967 blieb der Tarif unverändert.
Was den Kapitalexport anbelangte, verfügte die Schweiz in den 1930er Jahren wahrscheinlich über ein Auslandvermögen von 15-17 Mrd. Franken, davon 4-5 Mrd. in den USA (fast 9 Mrd. in Europa). 2009 war sie dort mit 189 Mrd. Dollar der sechstwichtigste Investor. Mit 148 Mrd. Dollar belegte die USA in der Schweiz in der Rangliste der Investoren ebenfalls Rang sechs. Die Credit Suisse und die Schweizerische Bankgesellschaft eröffneten 1939 ihre ersten Niederlassungen in New York, doch der eigentliche Aufschwung setzte erst in den 1960er Jahren ein. 1981 waren in den USA sechs Schweizer Geldinstitute tätig, die grösste ausländische Bank in New York gehörte zur Schweizerischen Bankgesellschaft. Die drei Schweizer Grossbanken, die Schweizerische Bankgesellschaft, der Schweizerische Bankverein (1998 Fusion der beiden zur UBS) und die Schweizerische Kreditanstalt (ab 1989 Credit Suisse) verschafften sich in den USA eine starke Marktposition mit Zweigstellen in New York, Chicago, San Francisco und Los Angeles. 2011 war die UBS mit 24'414 Angestellten das drittgrösste Schweizer Unternehmen in den USA, die Credit Suisse Group das siebtgrösste mit rund 10'000 Beschäftigten. Umgekehrt liessen sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts amerikanische Banken in der Schweiz nieder; 1981 zählte man 17 Institute.
In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts manifestierte sich die Globalisierung der Wirtschaft durch riesige Unternehmenszusammenschlüsse, Firmenkonzentrationen und Fusionen im grossen Stil. 2009 beschäftigten Schweizer Unternehmen (u.a. Nestlé, Zurich Financial Services, F. Hoffmann-La Roche und Novartis) in den USA etwa 331'900 Amerikaner, während amerikanische Unternehmen in der Schweiz rund 25'671 Personen beschäftigten. Amerikanische Firmen, darunter Philip Morris, der mit rund 3000 Beschäftigten fünftgrösste amerikanische Arbeitgeber in der Schweiz, errichteten ihren europäischen Hauptsitz in der Schweiz.
Begünstigt durch die Luftfahrt – 1947 fand zwischen Genf und Washington der erste Interkontinentalflug der Swissair statt - entwickelten sich ab dem Zweiten Weltkrieg die touristischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die Zahl der amerikanischen Touristen stieg und sank je nach den Schwankungen des Schweizer Frankens und den Hochs und Tiefs der Politik. Innerhalb der letzten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts war 1979 mit 631'300 Gästen das schlechteste Jahr, 1984 mit 1'454'500 Besucherinnen und Besuchern das beste. Die Zahl der in die USA reisenden Schweizer stieg zwischen 1972 und dem Rekordjahr 1996 sprunghaft von 48'900 auf 417'100 an. 1989 wurde die Visumspflicht aufgehoben. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 knüpften die USA die Befreiung von der Visumspflicht an bestimmte Bedingungen, hauptsächlich an die Einführung des elektronischen und ab 2005 an jene des biometrischen Passes.
Die 1967 gegründete Swiss-American Chamber of Commerce mit Sitz in Zürich und Geschäftsstellen in Atlanta, Boston, Los Angeles, Miami, New York, Raleigh und San Francisco sowie in Lugano veröffentlicht seit 1972 ein Jahrbuch. Sie setzt sich unter anderem für die erleichterte Ansiedlung amerikanischer Unternehmen in der Schweiz ein.
Kulturelle Beziehungen
Schon früh entstanden wissenschaftliche Kontakte, zumal Louis Agassiz, der ab 1847 in Harvard unterrichtete, zu den Gründern der Academy of Sciences und der Universität Cornell gehörte. Knapp hundert Jahre später emigrierte Albert Einstein 1933 als Schweizer Bürger in die USA. Im 20. Jahrhundert herrschte ein reger Austausch, in beiden Ländern wurden Praktika für Gaststudenten institutionalisiert. Die US-Regierung gewährte Wissenschaftlern, die ihre Forschungen in der Schweiz fortsetzen wollten, Stipendien. Das Stanford Research Institute unterhielt spätestens ab 1959 ein Forschungszentrum in Zürich. Auch zahlreiche amerikanische Unternehmen richteten in der Schweiz Forschungszentren ein, darunter die Firma IBM in der Nähe von Zürich ein Labor. Schweizer Stipendiaten absolvierten in den USA Praktika an Universitäten, in Laboratorien, Forschungszentren und Spitälern, wo ihnen auch die Möglichkeit von höheren Weiterbildungen offenstand. Der Schweizerische Nationalfonds und die National Science Foundation führen einzelne Projekte (z.B. Klonen von Mäusen in Genf) gemeinsam durch. Mehrere Schweizer Universitätsinstitute arbeiten seit Beginn des bemannten Raumflugs mit der Nasa zusammen.
Die USA zogen während des ganzen 20. Jahrhunderts Schweizer Wissenschaftler an. Am intensivsten war diese Emigration 1955-1960, als ein eigentlicher Braindrain stattfand. Viele Ingenieure und Gelehrte begaben sich damals in die USA, die an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung standen. Das 1992 in Kraft getretene neue amerikanische Einwanderungsgesetz verstärkte diese Tendenz und erleichterte weiterhin die Einwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte (Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker). Die Globalisierung der Wirtschaft trug ebenfalls zu dieser Entwicklung bei, zumal multinationale Unternehmen konzernintern Fachleute in die USA schickten (Intra-Company-Transferees). 2000 eröffnete die Schweiz in Boston ein Fachkonsulat für Bildung und Forschung (Swiss House for Advanced Research and Education).
Das 1986 gegründete Swiss Institute in New York hat den Auftrag, mit Unterstützung der Pro Helvetia, des Bundesamts für Kultur sowie amerikanischen und schweizerischen Stiftungen und Mäzenen den künstlerischen Dialog zwischen den beiden Ländern zu fördern. Die Beziehungen in diesem Bereich sind jedoch wesentlich älter, wie schon einige wenige Beispiele zeigen: Der Bündner Porträtmaler Jeremiah Theüs war im 18. Jahrhundert in Charleston gross in Mode. Mitte des 19. Jahrhunderts machte der Maler Karl Bodmer die Europäer mit den Indianern aus Missouri bekannt. 1916 feierte Ernest Ansermet mit dem russischen Ballett einen triumphalen Erfolg, 1951 leitete er als Gastdirigent das Sinfonieorchester von Boston. Der Komponist Ernest Bloch emigrierte 1938 in die USA, und die Tänzerin Trudi Schoop liess sich in den 1950er Jahren in Kalifornien nieder. Der Filmregisseur William Wyler war gebürtiger Schweizer. In Erinnerung bleiben werden auch die Namen der Architekten William Lescaze und Bernard Tschumi sowie derjenige des Brückenbauingenieurs Othmar H. Ammann. Die Schweizer Literatur hingegen wird nur punktuell an einzelnen amerikanischen Universitäten behandelt.
Die Universität Lausanne nahm 1999 das amerikanische Recht mit all seinen Besonderheiten (z.B. Class Action) in ihr Lehrprogramm auf. Die 1927 gegründete Swiss American Historical Society widmet sich der Geschichte der schweizerisch-amerikanischen Beziehungen und jener der Amerikaner schweizerischer Herkunft. Genealogische Forschungen, die in der Schweiz ebenso beliebt sind wie in den USA, werden durch das Internet und die von den Mormonen geschaffene Datenbank vereinfacht.
Die amerikanische Kultur prägte in der Schweiz die verschiedensten Lebensbereiche. Besonders früh zeigten sich Einflüsse in der Musik. Ab den 1920er Jahren bildeten sich in der Schweiz zahlreiche Jazzensembles, später liessen sich Musiker vom Rock inspirieren. Wie andernorts auch, äussert sich die Amerikanisierung des Alltags am deutlichsten im Konsum von Coca-Cola und in der Präsenz der McDonald's-Restaurants. Ausserdem manifestiert sie sich in der Vielzahl amerikanischer Filme, die in die hiesigen Kinos gelangen, und im zunehmenden Gebrauch des Englischen. Dieser Amerikanisierung der Lebensgewohnheiten, die in traditionsbewussten Kreisen auf Ablehnung stösst, steht ein politischer Antiamerikanismus gegenüber, wie er in linken und intellektuellen Kreisen während des Vietnamkriegs (1965-1973) und in Protesten vor dem Irakkrieg (2003) zutage trat. Auf Regierungsebene erinnert die Schweiz die amerikanische Supermacht bei jeder Gelegenheit an das Primat des Völkerrechts.
Quellen und Literatur
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Variante(n) | USA
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