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Afghanistan

Situationskarte Afghanistan © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Afghanistan © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Wichtige Passage (Khyberpass) für die Eroberer Indiens, war Afghanistan 1879-1919 englisches Protektorat. 1922 anerkannte der Bundesrat Afghanistans Unabhängigkeit und schloss 1928 ein Freundschafts-, Niederlassungs- und Aufenthaltsabkommen sowie 1961 ein Luftverkehrsabkommen. Der schweizerische Handel mit dem zentralasiatischen Staat beschränkte sich auf den Import von Teppichen und Opium und den Export von Maschinen und Arzneimitteln. Die Schweizer Öffentlichkeit und die Geschäftswelt interessierten sich kaum für Afghanistan, das 1954 in der Schweiz keinen Partner für die Ausbeutung seiner Erdölvorkommen fand. In den 1960er Jahren lebten rund 30 Schweizer in Kabul, die im Handel oder für internationale Organisationen, insbesondere für die Unesco, tätig waren. Nach der Neugestaltung des Nationalmuseums in Kabul 1957-1960 durch Jean Gabus blieben die kulturellen Kontakte vor allem dank Schweizer Ethnologen erhalten.

Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 rief in der Schweiz heftige Reaktionen hervor und veranlasste den Bundesrat am 9. Januar 1980, seiner Beunruhigung über diese Verletzung grundlegender Prinzipien der internationalen Ordnung Ausdruck zu verleihen: Im Bemühen um die Wahrung der Menschenrechte und des Völkerrechts äusserte die Regierung die Hoffnung, dass das afghanische Volk sein Schicksal ohne fremde Interventionen bestimmen könne. Obwohl der Bundesrat die diplomatischen Beziehungen zu der von der UdSSR eingesetzten Regierung nicht abbrach (Botschaft mit Sitz in Teheran), hatte die durch diese Militärintervention ausgelöste Stimmung Auswirkungen auf die Politik: Die antikommunistische Haltung in der Schweiz verschärfte sich und die begonnene Entwicklungszusammenarbeit wurde unterbrochen. Die Solidarität mit den Kriegsopfern wurde durch die vor 1979 geknüpften kulturellen Beziehungen (u.a. Schweizerische Gesellschaft der Freunde Afghanistans) begünstigt. Der Bundesrat wiederholte später, als Antwort auf parlamentarische Vorstösse, seine Verurteilung der sowjetischen Besetzung und bemühte sich um eine friedliche Verhandlungslösung. Seine diplomatischen Aktivitäten hielten sich jedoch in Grenzen (unbedeutende Rolle bei den Genfer Gesprächen zwischen den Kriegsparteien, Aufnahme von Verletzten in der Schweiz, vorübergehende Übernahme von elf sowjetischen Gefangenen aufgrund einer Vereinbarung zwischen der UdSSR, dem IKRK und dem afghanischen Widerstand). 1979-1990 wurden über 35 Mio. Franken für afghanische Flüchtlinge in Pakistan und im Iran bereitgestellt. Diese Hilfe wurde vom IKRK und von internationalen Organisationen wie dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), dem Internationalen Kinderhilfsfonds (Unicef) und der Weltbank verwaltet. 1979-1991 stellten 1200 Afghanen und Afghaninnen in der Schweiz Asylgesuche. Die Behörden bewilligten einen Teil davon. 1990 lebten rund 540, Ende 1997 1174 afghanische Staatsangehörige (inkl. 265 Asylsuchende) in der Schweiz. 2000 beschloss der Bundesrat, die UNO-Sanktionen gegen die Taliban (3. afghanische, islamistische Republik, seit 1992 an der Macht) anzuwenden. Eine ausführliche Dokumentation zu Afghanistan beherbergt die Stiftung Bibliotheca Afghanica (Schweizerisches Afghanistan-Archiv) in Liestal.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Marc Perrenoud: "Afghanistan", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.06.2002, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003402/2002-06-12/, konsultiert am 19.03.2024.