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Israel

Das 1516 vom Osmanischen Reich eroberte Palästina blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eine arabische Provinz. 1920 wurde das Gebiet unter britisches Mandat gestellt. Die Mandatsmacht sah sich sowohl mit dem arabischen Nationalismus als auch mit dem Zionismus konfrontiert. Im November 1947 entschied die Generalversammlung der Vereinten Nationen, das Land in einen arabischen und einen jüdischen Staat aufzuteilen. Am 14. Mai 1948 riefen die Mitglieder des Nationalrats der Juden in Palästina unter dem Vorsitz von David Ben Gurion den unabhängigen Staat Israel aus.

Situationskarte Israel © 2004 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Israel © 2004 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

16 der 22 Zionistenkongresse fanden in der Schweiz statt (so auch der erste 1897 in Basel), aber vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterstützten weder die Mehrheit der Schweizer Juden noch die Bundesbehörden die zionistische Bewegung. Chaim Weizmann, der erste Präsident des zukünftigen Staates Israel, hielt sich ab 1898 mehrmals in der Schweiz auf und knüpfte dabei viele Kontakte. Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fassten international tätige jüdische Organisationen in der Schweiz Fuss. Die unterschiedlichen Erinnerungen an die Jahre 1933-1945 prägten die bilateralen Beziehungen: Einerseits wurde die Schweiz als Asylland gelobt, andererseits für die sehr restriktive Politik der Bundesbehörden gegenüber den Juden kritisiert. Im Bestreben, die guten Beziehungen mit den arabischen Ländern des Nahen Ostens zu erhalten, wartete der Bundesrat den Entscheid anderer Staaten ab, bevor er Israel am 28. Januar 1949 de facto und am 18. März auch de jure anerkannte. In der Folge wurden mehrere bilaterale Abkommen geschlossen, insbesondere über die Luftverkehrslinien (1951 und 1952), den Handelsverkehr (1956), die Aufhebung der Visumspflicht (1967), die soziale Sicherheit (1984) und die Doppelbesteuerung (2002).

Die Kibbuz-Erfahrung stiess in sozialistischen und genossenschaftlichen Kreisen auf grosse Sympathie, und Hunderte von jungen Menschen aus der Schweiz verbrachten ab den 1960er Jahren eine gewisse Zeit in einem Kibbuz. Die Rolle der Juden in der Kulturgeschichte begünstigte den künstlerischen, wissenschaftlichen und intellektuellen Austausch zwischen den beiden Ländern, welcher sich in Ausstellungen, Konzerten oder Publikationen von Schriftstellern wie Friedrich Dürrenmatt manifestierte. Das 1951 gegründete Schweizer Kinderdorf Kiriath Yearim ist ein Symbol für die interreligiöse Zusammenarbeit. Der Sechstagekrieg von 1967 löste unter den Schweizern eine breite Sympathiewelle für Israel aus; ihre eigenen historischen Erfahrungen bewogen sie dazu, sich mit dem Kampf des kleinen, von Feinden umzingelten Staates zu identifizieren. Dieselbe Haltung kam auch 1969-1971 während einer militärischen Spionageaffäre zu Gunsten Israels (Alfred Frauenknecht) und während des Jom-Kippur-Kriegs 1973 zum Ausdruck. Die 1957 gegründete Gesellschaft Schweiz-Israel besass im Parlament ein solches Gewicht, dass ihr Präsident Pierre Aubert 1975 aus Protest gegen die von der Unesco geäusserte Kritik an Israel eine Kürzung der vom Bundesrat für diese UNO-Organisation vorgesehenen Subventionen erreichen konnte.

Die Sympathie schwächte sich aber 1982 infolge der Invasion in den Libanon, der ersten Intifada 1987 und noch mehr nach der zweiten Intifada von 2000 ab. Die diplomatischen Beziehungen trübten sich durch die Erklärung Jerusalems zur Hauptstadt Israels 1950 sowie durch die Unterredungen von Vertretern des EDA mit Palästinensern besonders ab 1975. Auch eine 1998 aufgedeckte Spionageaffäre (Mossad-Agenten wurden beim Installieren von Abhörmaterial in einem Wohngebäude überrascht) bewirkte eine gewisse Spannung. Mehrmals betonte der Bundesrat das Recht Israels auf die Wahrung seiner Existenz und seiner Sicherheit in den international anerkannten Grenzen, aber auch das Recht des palästinensischen Volkes, seine Zukunft selbst zu bestimmen. Zudem bestand er auf der Einhaltung der Genfer Konventionen, da er namentlich die vierte Konvention (Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten) durch die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten für verletzt erachtete. Er unterstützte den 1991 in Madrid eingeleiteten Friedensprozess und trug in verschiedenen multilateralen Bereichen (z.B. internationale Beobachtungsmission in Hebron ab 1997) aktiv dazu bei. Zwischen 2002 und 2005 wurde die militärische Zusammenarbeit mit Israel, die in den 1970er und 1980er Jahren recht eng gewesen war, eingeschränkt. Auf private Initiative hin verabschiedeten am 12. Oktober 2003 israelische und palästinensische Persönlichkeiten einen unter Schweizer Vermittlung erarbeiteten Text, der unter der Bezeichnung Genfer Initiative bekannt wurde und eine detaillierte Lösung für Fragen im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern vorschlug. Das EDA unterstützte dieses Projekt im Rahmen seiner Programme zur zivilen Friedensförderung. Trotz der Vorbehalte der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörden organisierte es am 1. Dezember 2003 die öffentliche Unterzeichnung dieses Dokuments in Genf. Ebenfalls in Genf wurde 2005 unter der Ägide der Schweiz zwischen dem Roten Davidstern und dem palästinensischen Roten Halbmond ein Abkommen unterschrieben, das die Anerkennung eines zusätzlichen Emblems für die Rotkreuzbewegung regelte.

Die Handels- und Finanzbeziehungen entwickelten sich ab den 1930er Jahren so positiv, dass Israel zu einem der bedeutendsten Wirtschaftspartner der Schweiz wurde. In den 1980er Jahren stellten die Exporte nach Israel (Maschinen, Uhren, chemische Erzeugnisse, elektronische Geräte) zwischen 1,2 und 1,8% des Gesamtexports der Schweiz dar. Ab 1993 wickelten sich die Handelsbeziehungen im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen Israel und der Efta ab. 2003 gingen 1,6% der israelischen Exporte (Edelmetalle, Schmuck, pharmazeutische Produkte) in die Schweiz, die ihrerseits 6,2% der israelischen Importe stellte. Damit war die Schweiz der drittgrösste Handelspartner Israels nach der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. 1991 wiesen die Bilanzen der in der Schweiz niedergelassenen Banken Guthaben und Verpflichtungen von 744 Mio. und 1884 Mio. Franken in Israel aus, während sich ihre auf Treuhandbasis verwalteten Guthaben und Verpflichtungen auf 13 Mio. bzw. 2256 Mio. Franken beliefen. Im Jahr 2000 erreichten die entsprechenden Beträge 1405 und 5715 Mio. sowie 587 und 5208 Mio. Franken.

1927 wurde in Jaffa ein Konsulat eröffnet, das 1942 nach Jerusalem verlegt und 1952 wieder geschlossen wurde. Das 1949 eröffnete Konsulat in Tel Aviv wurde 1951 in eine Gesandtschaft und 1958 in eine Botschaft umgewandelt. Die Zahl der in Israel niedergelassenen Schweizer stieg von 70 im Jahr 1930 auf über 240 1939, 470 1953, mehr als 2000 1975, nahezu 4000 1986 und 11'570 (davon 9151 Doppelbürger) 2005, womit Israel das Land mit der höchsten Anzahl Schweizer in Asien ist. 2005 lebten 1121 Israelis in der Schweiz.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
  • W.E. Rappard, A la mémoire de Chaim Weizmann, 1953
  • M. Roy, La reconnaissance d'Israël par la Suisse (1948-1949), Liz. Genf, 1992
  • U. Pfenninger, B. Schuler, «Die Schweiz – ein früher Freund Israels?», in Aufstieg und Niedergang des Bilateralismus, hg. von P. Hug, M. Kloter, 1999, 487-512
  • Politorbis 35, 2004
  • C. Späti, Die schweiz. Linke und Israel, 2006
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Marc Perrenoud: "Israel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.05.2008, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003411/2008-05-13/, konsultiert am 23.01.2025.