de fr it

Giovan BattistaPioda

Porträt Giovan Battista Piodas, gezeichnet von Henry Steinegger, lithografiert im Atelier Britton & Rey, um 1865 (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona).
Porträt Giovan Battista Piodas, gezeichnet von Henry Steinegger, lithografiert im Atelier Britton & Rey, um 1865 (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona).

4.10.1808 Locarno, 3.11.1882 Rom, katholisch, dann Freidenker, von Locarno. Sohn des Giovan Battista (->). Bruder des Giuseppe (->), Luigi (->) und Paolo (->). Agata Sozzi, Tochter des Filippo, von Giornico. Der erstgeborene Giovan Battista Pioda hatte elf Geschwister, war seinerseits Vater von zwölf Kindern und ist zweifellos die bedeutendste Persönlichkeit der Familie. In Mechelen (Niederlande, heute Belgien), wo er einige Jahre mit der Familie verbrachte, da der Vater dort als Offizier in fremden Diensten stationiert war, besuchte er ein Knabeninstitut, anschliessend die Benediktinerkollegien von Bellinzona und Einsiedeln, das Lyzeum Gallio in Como und die Universität von Pavia, wo er 1831 mit dem Lizenziat in Jurisprudenz abschloss. Im Büro des Liberalen Domenico Galli in Locarno absolvierte er ein Praktikum, erlangte 1833 das Anwalts- und Notariatspatent und wirkte 1834-1839 als Staatsanwalt des Kreises Locarno.

Zur Politik kam Pioda in sehr jungen Jahren und in geistiger Unabhängigkeit von seinem Vater, dem Staatsrat. Ihm widmete er 1830 das kleine Werk "Osservazioni intorno alla riforma della Costituzione nel Cantone Ticino". Darin nahm er die auch von anderen Tessiner Reformern geschätzten laizistischen Ideen auf: Rationalisierung der Verwaltung, allgemeines Wahlrecht, persönliche Freiheit und Pressefreiheit sowie Volksbildung. Die eigentliche politische Laufbahn schlug er nach der Revolution vom Dezember 1839 ein, als die Liberalen gewaltsam die Macht im Kanton Tessin übernahmen. Pioda sass 18 Jahre ununterbrochen in der Kantonsregierung und besetzte abwechselnd das Amt des Staatsschreibers (1839-1842, 1847-1855) und des Staatsrats (1842-1847, 1855-1857). In seine Amtszeit fällt die lange Periode liberaler Hegemonie. Diese für die Geschichte des Kantons entscheidende Zeit zeichnete sich im Innern durch eine heftige Opposition (1841 und 1855 mit Gewalt unterdrückt) und durch eine intensive gesetzgeberische Tätigkeit aus, die unter anderem die Beziehungen zwischen Staat und Kirche (Verstaatlichung des Unterrichtswesens, 1848 und 1852 Säkularisation der Klostergüter, 1855 "Legge civile-ecclesiastica") neu regeln wollte. Zudem musste sich der Kanton gegenüber der österreichischen Lombardei behaupten, die 1853-1855 eine drückende Wirtschaftsblockade verhängte, sowie mit den Bestrebungen für eine Stärkung des Bundes, wie sie in der Bundesverfassung von 1848 festgehalten wurde. 1847 nahm er als Brigadekommandant am Tessiner Feldzug des Sonderbundskriegs teil, der mit einer überstürzten Flucht aus Airolo endete. In der eidgenössischen Politik wirkte er als Gesandter an den Tagsatzungen von 1844 und 1848 und sass 1848-1854 sowie 1855-1857 im Nationalrat. 1850 bewährte er sich als eidgenössischer Kommissär bei der Beilegung der Zwistigkeiten im Kanton Freiburg. Nach dem unerwarteten Tod von Stefano Franscini 1857 wurde er in den Bundesrat gewählt, wo er 1857-1863 das Departement des Innern leitete. Seine Aufmerksamkeit galt unter anderem den grossen Gewässerkorrektionen und Meliorationen, der Landesstatistik und dem Polytechnikum in Zürich. Nach seinem Rücktritt wurde er als bevollmächtigter schweizerischer Minister in Turin akkreditiert und übersiedelte mit dem Wechsel der italienischen Hauptstadt zuerst nach Florenz, dann nach Rom.

Im Zentrum seines politischen Wirkens stand die Eisenbahnfrage. Sie begleitete ihn in den verschiedenen Entwicklungsstadien und den unterschiedlichen Ämtern, die ihn vom Tessin nach Bern und schliesslich nach Italien brachten. Er wurde zum Sprecher der Gotthard-Fraktion im Bundesrat, der ihn nicht zufällig zu seinem Vertreter bestellte. Seine über vierzigjährige politische Laufbahn, seine Effizienz als gewissenhafter Verwalter und hartnäckiger Unterhändler mit internationalen Kontakten sowie seine Fähigkeit, Zustimmung zu finden, machen Pioda zu einer der herausragenden Gestalten der Tessiner Geschichte des 19. Jahrhunderts. Im Tessin wurde er, besonders nach Franscinis Weggang nach Bern, zum Garanten der liberalen Politik. Sein Wegzug aus dem Kanton trug ihm auch eine grössere Unabhängigkeit im Urteil über Tessiner Angelegenheiten ein, die er stets und beharrlich im Auge behielt. Das machte ihn zum unparteiischen Vermittler in den Verfassungskämpfen von 1871. Giovan Battista Pioda starb 73-jährig an den Folgen einer schweren Blasenerkrankung, die ihn schon jahrelang geplagt hatte, und wurde zivil bestattet.

Quellen und Literatur

  • ASTI, FamA
  • F. Del Priore, Un trait d'union tra Nord e Sud: Giovan Battista Pioda, Liz. Freiburg 1989
  • Altermatt, Bundesräte, 157-161
  • C. Agliati, «Le carte dei Pioda locarnesi [Repertorio delle fonti archivistiche]», in AST, 1992, Nr. 111
  • R. Heckner, Der Schweizer Diplomat Giovanni Battista Pioda am ital. Königshof (1864-1882), 2001
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF

Zitiervorschlag

Carlo Agliati: "Pioda, Giovan Battista", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.04.2011, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003533/2011-04-04/, konsultiert am 19.03.2024.