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GiuseppeLepori

2.6.1902 Massagno, 6.9.1968 Seravezza, katholisch, von Lopagno. Journalist und Rechtsanwalt, Tessiner Staatsrat, konservativer Bundesrat.

Bundesrat Giuseppe Lepori. Fotografie von Walter Studer, 1955 (Fotoarchiv Studer, Bern).
Bundesrat Giuseppe Lepori. Fotografie von Walter Studer, 1955 (Fotoarchiv Studer, Bern).

Giuseppe Lepori war das zweitjüngste von acht Kindern des Giovanni Antonio Lepori und der Chiara geborene Fumasoli. Von Oggio, einer Fraktion der Gemeinde Lopagno, aus der die Lepori stammten, zog der Vater als Dreizehnjähriger nach Héricourt, wo er eine Anstellung in einem Malereigeschäft fand, das er später übernahm. Vier seiner Kinder wurden dort geboren, vier in Massagno. Dort hatte sich die Familie 1898 niedergelassen und der Vater eine Kaffeerösterei mit einem angeschlossenen Kolonialwarengeschäft eröffnet. Später amtierte Giovanni Antonio Lepori auch als Friedensrichter des Kreises Vezia und als konservativer Gemeinderat von Massagno. Nach der Volksschule in Massagno besuchte Giuseppe Lepori das Gymnasium und das Lyzeum in Lugano, mit dessen damaligem Direktor Francesco Chiesa er fortan eine enge Beziehung pflegen sollte. Lepori absolvierte dann ein Rechtsstudium an der Universität Freiburg, das er 1925 mit dem Lizenziat abschloss. In diesem Jahr wurde er auch zum Vizepräsidenten des Schweizerischen Studentenvereins (StV) gewählt, weil er in der Verbindung Lepontia eine aktive Rolle gespielt hatte. Im Anschluss an die Rekrutenschule machte er einen Sprachaufenthalt in München, wo er seine zukünftige Frau Regina Strotmann, deutsche Staatsbürgerin, Tochter des Filippo Strotmann und der Anna Maria geborene Lauterbach, kennenlernte. Das Paar heiratete 1928 in Massagno. Es hatte vier Söhne, von denen Giovan Maria und Claudio Lepori als Staatsanwälte des Sopraceneri amtierten; Letzterer war ausserdem Richter am Appellationsgericht. Alessandro Lepori war Gründungspräsident der Alleanza Liberi e Svizzeri. Giuseppes Bruder Pierre Lepori wirkte als Friedensrichter des Kreises Vezia sowie als Gemeinderat und Gemeindepräsident von Massagno.

Schon während seiner Zeit an der Universität zeigte Giuseppe Lepori lebhaftes Interesse für die Literatur, was sich in der Mitarbeit an einigen Zeitschriften sowie in der Publikation einer Sammlung von Gedichten und Prosatexten niederschlug (Le canzoni del Fauno, 1928). Nach der Gründung der katholischen Tageszeitung Giornale del Popolo im Jahr 1926 war er als deren Redaktor tätig. Er leitete von 1928-1935 auch die täglich erscheinende Zeitung Popolo e Libertà, das Parteiblatt der Konservativen Volkspartei. Getreu seinen eigenen Überzeugungen und denjenigen von Giuseppe Cattori und Francesco Alberti, mit denen er eng zusammenarbeitete, verpflichtete er die Zeitung auf eine antifaschistische herausgeberische Linie (Antifaschismus). Als Mitglied (ab 1928) und Kommandant (1936-1937) der Guardia Luigi Rossi, der Jugendorganisation der Konservativen Partei, zählte er zu den aktivsten Beitragsverfassern in deren Organ Il Guardista, wobei er sich auch in dieser Zeit durch sein Festhalten an der antifaschistischen Überzeugung von anderen Gruppierungen der Jungpartei abhob, die sich eher an korporatistischem oder faschistischem Gedankengut orientierten. Die journalistische Tätigkeit Leporis, die er 1935 aufgab, um als Anwalt und Notar in Bellinzona zu arbeiten, kam seiner späteren politischen Karriere zweifellos zugute.

Giuseppe Lepori in seinem dritten Gymnasialjahr neben Mitschülern aus dem Technikkurs. Fotografie von 1922 mit Stempel des Fotoateliers Rüedi & Albeck, Lugano (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona, Fototeca/8.23).
Giuseppe Lepori in seinem dritten Gymnasialjahr neben Mitschülern aus dem Technikkurs. Fotografie von 1922 mit Stempel des Fotoateliers Rüedi & Albeck, Lugano (Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona, Fototeca/8.23). […]

Nachdem er schon als Tessiner Grossrat (1927-1940), Gemeinderat von Massagno (1928-1929) und Vizegemeindepräsident von Bellinzona (1936-1940) amtiert hatte, rückte Lepori im Februar 1940 für Enrico Celio, der nach dem Tod von Giuseppe Motta in den Bundesrat gewählt worden war, in den Staatsrat (Präsident 1941, 1946 und 1951) nach und übernahm dort die Erziehungs- und Polizeidirektion. Als Erziehungsdirektor zeichnete er für eine Reihe – zum Teil weitergeführter, zum Teil neu initiierter – kulturpolitischer Massnahmen verantwortlich, die auf den Schutz des künstlerischen Erbes sowie vor allem der italienischen Sprache und der Italianità abzielten (Svizzera italiana); das Engagement für diese Ziele stellte einen herausragendenen Aspekt seines gesamten politischen Handelns dar. Lepori gelang es, die Sekundarschule teilweise neu zu organisieren; er scheiterte aber mit einem ambitionierteren Projekt, mit dem die gesamte Tessiner Schulgesetzgebung in einer Art «Schulkodex» vereinheitlicht und zusammengefasst werden sollte (Schulwesen). Als Polizeidirektor sah er sich mit den Problemen, die nacheinander der Kriegseintritt Italiens, der Zusammenbruch des faschistischen Staats (Faschismus) sowie die Gründung der Republik von Salò verursachten, sowie mit dem ständigen Zustrom von zivilen und militärischen Flüchtlingen konfrontiert. Lepori rief den eidgenössischen Behörden in Zusammenhang mit der Aufnahme von jüdischen und politischen Flüchtlingen die Grosszügigkeit in Erinnerung, welche die Südschweiz früher beim Empfang der exilierten Vorkämpfer des Risorgimento bewiesen hatte. Nach Kriegsende prägten öffentliche Kundgebungen gegen den Faschismus und seine Anhänger das politische Klima im Tessin und es stellte sich die heikle Frage, welche Personen als Vertreter des faschistischen Regimes bzw. der faschistischen Ideologie kompromittiert und aus dem Kanton auszuweisen seien. Lepori war aber durchaus in der Lage, unbefangen an diese Probleme heranzugehen, auch wenn die Verärgerung der einen oder anderen Bevölkerungsgruppe sich in diesem Zusammenhang als unvermeidbar herausstellte.

1945 nahm Lepori die ihm angetragene Präsidentschaft der Konservativen Volkspartei an, auch wenn er zuvor Bedenken über die Vereinbarkeit dieses Amts mit seinem Staatsratsmandat geäussert hatte. Auf Kantonsebene hatte er schwierige Momente im Februar 1947 zu überstehen, als ihm die sogenannte Intesa di sinistra, eine Allianz aus Freisinnigen und Sozialdemokraten im Staatsrat, die Bildungsdirektion entriss, der in ihren Augen aus politischen wie ideologischen Gründen fundamentale Bedeutung zukam. Lepori wurde aber als Polizeidirektor bestätigt und erhielt ausserdem das Justiz- sowie das Innendepartement, die er bis zu seiner Wahl in den Bundesrat im Dezember 1954 innehatte.

Zwischen September und Dezember 1954 ergaben sich wegen der Rücktritte der Freisinnigen Karl Kobelt und Rodolphe Rubattel sowie des Todes des Konservativen Josef Escher drei gleichzeitige Vakanzen in der Landesregierung. Während der Anspruch der Konservativen Volkspartei auf den Sitz des Letzteren nicht bestritten wurde, forderten die Sozialdemokraten, die seit dem Rücktritt Max Webers 1953 nicht mehr im Bundesrat vertreten waren, zwei Sitze in diesem Gremium. Die Freisinnigen zeigten sich geneigt, einen Sitz abzugeben, keinesfalls aber zwei. In dieser Situation schlossen die Sozialdemokraten und die Konservativen eine Allianz: Erstere verzichteten vorderhand auf eine eigene Kandidatur und unterstützten Letztere beim Gewinn eines dritten Sitzes auf Kosten des Freisinns, um dann zu einem späteren Zeitpunkt zwei Kandidaten für die Landesregierung nominieren zu können. So portierten die Freisinnigen den Waadtländer National- und Staatsrat Paul Chaudet und den Basler Nationalrat Alfred Schaller – nicht als Kandidat aufgestellt wurde der Tessiner Nationalrat Aleardo Pini –, und die konservative Fraktion schlug Lepori für den dritten vakanten Sitz vor. Am 16. Dezember 1954 setzte sich dieser nach den Wahlen des konservativen Nationalrats Thomas Holenstein und von Chaudet im zweiten Wahlgang mit 128 von 235 Stimmen gegen Schaller und Pini durch, die 70 bzw. 14 Voten auf sich vereinten.

Lepori wurde das Post- und Eisenbahndepartement anvertraut, als dessen Leiter er sich mit der Reglementierung des aufkommenden Mediums Fernsehen befasste. Der weitverbreiteten Skepsis und der Furcht vor möglichen negativen Auswirkungen stellte er sich erfolgreich entgegen und es gelang ihm, seine Auffassung, dass die Schweiz einen eigenen Fernsehsender brauche, durchzusetzen und die nötigen Mittel für die Versuchsphase zu sichern. Der Verfassungsartikel für Rundspruch und Fernsehen, den er dem Volk unterbreitete, wurde zwar in der Volksabstimmung 1957 abgelehnt, aber Lepori erreichte, dass die Bundesversammlung eine Übergangsfinanzierung von 8,4 Mio. Franken für die Jahre 1958-1963  guthiess. Ein weiteres wichtiges Thema in Leporis Amtszeit war das neue, 1957 vom Parlament verabschiedete Eisenbahngesetz, welches das Prinzip der Abgeltung von Sonderleistungen und gemeinwirtschaftlichen Leistungen verankerte (Eisenbahnen).

Bundesrat Giuseppe Lepori im Beitrag zur feierlichen Einweihung des Sendeturms San Salvatore in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 1. Dezember 1958, Tonspur nur teilweise erhalten (Radiotelevisione svizzera, Lugano, Play RSI).
Bundesrat Giuseppe Lepori im Beitrag zur feierlichen Einweihung des Sendeturms San Salvatore in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 1. Dezember 1958, Tonspur nur teilweise erhalten (Radiotelevisione svizzera, Lugano, Play RSI). […]

Im Sommer 1959 – in diesem Jahr war er Vizepräsident des Bundesrats – erlitt Lepori einen Schlaganfall, der ihn im folgenden November zu einem Verzicht auf eine Wiederwahl zwang. Nach seiner fast vollständigen Genesung nahm er 1960 einen Lehrauftrag für Verwaltungsrecht und für öffentliches Recht des Kantons Tessin an der Universität Freiburg an, den er bis 1966 innehatte. Daneben beriet er die Tessiner Regierung bei der geplanten Totalrevision der Kantonsverfassung und bei der Erneuerung der Bundesverfassung. Ausserdem entsandte ihn der Kanton als Delegierten zu den Verhandlungen zwischen dem Bundesrat und dem Heiligen Stuhl für den Vertrag vom 24. Juli 1968, mit dem die Diözese Lugano formell eingerichtet wurde. Am 6. September 1968 starb Giuseppe Lepori in Seravezza in der Nähe von Lucca, wo er sich ferienhalber aufhielt.

Auf kantonaler Ebene verunmöglichte der Verlust des Erziehungsdepartements Lepori, die von ihm initiierten Reformprojekte im schulischen und kulturellen Bereich zum Abschluss zu bringen. Auf Bundesebene hinderte ihn seine Krankheit und die dadurch bedingte reduzierte Präsenz im Bundesrat – in dem er überdies ein vorwiegend technisches Departement führte – an der vollen Entfaltung seiner Fähigkeiten als Staatsmann und Gelehrter, auch wenn er diese hier und da aufblitzen liess.

Quellen und Literatur

  • Lepori, Beppo: Le canzoni del Fauno. Trenta e una poesie e dieci prose, 1928.
  • Lepori, Giuseppe: La compagine etnica del Ticino è minacciata?, 1948.
  • Lepori, Giuseppe: Nulla accade. Novelle, 1963.
  • Lepori, Giuseppe: Questo Ticino. Esplorazioni nel tempo e nello spazio, 1963.
  • Lepori, Giuseppe: «Lingua italiana e italianità nella Confederazione», in: Le relazioni tra l’Italia e la Svizzera, 1967 (Auszug aus: Il Veltro 1967/4-5,  S. 439-446).
  • Lepori, Giuseppe: Diritto costituzionale ticinese, 1988.
  • Lepori, Giuseppe: Scritti di Giuseppe Lepori, hg. von Alberto Lepori, 1978.
  • Giuseppe Lepori (1902-1968). Scritti e discorsi raccolti da Alberto Lepori con un profilo biografico, 1988.
  • Popolo e Libertà, 17.1.1955.
  • Doninelli, Francesco: Giuseppe Lepori. Tra antifascismo e difesa dell’italianità, 2018.
  • Lepori, Alberto: «Giuseppe Lepori», in: Altermatt, Urs (Hg.): Das Bundesratslexikon, 2019, S. 440-444.
Weblinks
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Zitiervorschlag

Fabrizio Panzera: "Lepori, Giuseppe", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.10.2022, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004716/2022-10-24/, konsultiert am 17.04.2024.