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HeidelbergD

Das erstmals auf einer Urkunde des Klosters Schönau 1196 erwähnte Heidelberg war Sitz der pfälzischen Kurfürsten. Schon unmittelbar nach der 1386 durch Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz erfolgten Gründung sowie im ganzen 15. Jahrhundert besuchten Studenten vor allem aus der heutigen Deutschschweiz die für sie günstig gelegene Universität Heidelberg. Bei ihnen handelte es sich vornehmlich um Kleriker, insbesondere Dominikaner und Chorherren aus Basel und den umliegenden Gebieten (u.a. Johannes Ner von Delsberg, später Propst von St. Peter, und Werner von Selden, Dominikanerprior), aber auch um Laien, von denen einige später hohe politische Ämter bekleideten (so Thüring Fricker und Thomas von Speichingen in Bern). Mit der Gründung der Universität Basel 1460 nahm der Zustrom von Schweizer Studenten nach Heidelberg ab und erreichte während der Reformation einen ersten Tiefstand, obwohl unter humanistischen Vorzeichen die Beziehungen zwischen den beiden Ausbildungsstätten erhalten blieben (u.a. durch Johannes Oekolampad, Sebastian Münster, Simon Grynaeus).

Nach dem Übertritt von Kurfürst Friedrich III. zum Calvinismus 1560 verstärkten sich die konfessionellen Kontakte zur reformierten Schweiz (Heidelberger Katechismus von 1563, Zweites Helvetisches Bekenntnis von 1566). Vorerst stand die Konfessionalisierung in der Pfalz unter dem Einfluss des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger und seines engen Vertrauten, des aus Baden gebürtigen und in Heidelberg wirkenden Mediziners Thomas Erastus. Nach 1566 bekam die von Genf (Johannes Calvin, Theodor Beza) her bestimmte disziplinaristische Richtung (Kaspar Olevianus) mehr Gewicht, bis unter dem Nachfolger Friedrichs III., dem Kurfürsten Ludwig VI., das Luthertum 1576-1583 das Terrain zurückgewann. Auch in der zweiten calvinistischen Phase 1583-1622 nahm die Frequenz von Schweizer Besuchern der Universität Heidelberg zu.

Während des Dreissigjährigen Kriegs wichen die Pfälzer auf andere Universitäten, vor allem nach Basel, seltener nach Genf, aus. Nach der Wiedereröffnung der reformierten Universität Heidelberg 1652 wurde der Zürcher Theologe Johann Heinrich Hottinger mit dem Aufbau der theologischen Fakultät Heidelberg betraut und in universitäre und kirchliche Ämter berufen (1655-1661). In seinem Rektoratsjahr (1655-1656) stammten zwei Drittel der Studenten aus der Schweiz. Ausserdem wurden Schweizer als Erzieher am pfälzischen Hof beschäftigt (Heinrich Zeller), versahen ihren Dienst als kurfürstliche Leibärzte (Johann Conrad Brunner) oder als Leibgardisten und beteiligten sich als Handwerker (Bauwesen, Kleidergewerbe) am Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Pfalz. Heidelberg wurde von reformierten Schweizer Städten, allen voran Bern, mehrmals finanziell unterstützt.

Im 18. Jahrhundert erlahmten infolge kriegerischer Ereignisse sowie konfessioneller und politischer Veränderungen die Beziehungen der Schweiz zu Heidelberg. Erst nach ihrer Erneuerung durch Grossherzog Karl-Friedrich von Baden 1803 zog die Universität Heidelberg wieder zahlreiche Schweizer, vor allem Jurastudenten, an, von denen später manche in kantonalen und eidgenössischen Behörden (Jonas Furrer) gewählt wurden. Der Aargauer Karl Rudolf Tanner gründete 1814 die Burschenschaft Helvetia. Gottfried Keller, der 1848-1850 in Heidelberg studierte, wurde dort vom Religionskritiker Ludwig Feuerbach stark beeinflusst. Im Gedicht «Schöne Brücke» (1849) verarbeitete er Heidelberger Erfahrungen und bezog zur Romantik kritisch Stellung. Auch den Basler Historiker Jacob Burckhardt regte ein Aufenthalt in Heidelberg zu poetischen Versuchen an. Unter den Schweizern, die im 19. Jahrhundert in Heidelberg lehrten, ragt der liberalkonservative Staatswissenschaftler Johann Caspar Bluntschli heraus, der auch in der badischen Politik Karriere machte. Die Berufungen von Schweizern nach Heidelberg und von Heidelberger Dozenten an Schweizer Universitäten setzten sich im 20. Jahrhundert fort (v.a. Theologen; unter den Angehörigen anderer Fakultäten Edgar Salin, Karl Jaspers und Kurt Baldinger). Die Zahl der in Heidelberg studierenden Schweizer war, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Teil grossen Schwankungen unterworfen (1961 16, 1984-1985 53, 2003-2004 40). In den letzten Jahrzehnten büsste die Universität Heidelberg die Bedeutung weitgehend ein, die sie früher als Ausbildungsort für Schweizer Studenten zeitweise besessen hatte.

Quellen und Literatur

  • W. Ganz, «Beziehungen der ref. Orte, insbesondere Zürichs, zur Pfalz», in ZTb 1934, 1933, 7-31
  • R. Wesel-Roth, Thomas Erastus, 1954
  • F. Büsser, «Johann Heinrich Hottinger und der "Thesaurus Hottingerianus"», in Zwingliana 22, 1995, 85-108
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Hanspeter Marti: "Heidelberg (D)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.12.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006590/2007-12-04/, konsultiert am 11.04.2024.