Hauptort des französischen Departements Bas-Rhin und der Region Elsass, Sitz des europäischen Parlaments. Bischofsstadt, ab 1262 de facto freie Reichsstadt, 1681 von Ludwig XIV. erobert und Frankreich angegliedert, 1871-1918 und 1940-1944 zu Deutschland gehörig. Strassburg entstand aus dem Legionärslager Argentoratum und war bis ins 12. Jahrhundert die einzige elsässische Stadt. Seit dem 13. Jahrhundert ist Strassburg noch vor Basel die wichtigste Metropole am Oberrhein. 1681 22'000 Einwohner; 1793 42'254; 1871 85'000; 2007 272'123.
Mittelalter und frühe Neuzeit
Beziehungen zwischen Strassburg und der Schweiz bestanden seit dem Frühmittelalter. Von der Schaffung des Herzogtums Elsass um 640 bis um 740 war die Diözese Basel in die Diözese Strassburg eingegliedert. In diesem Jahrhundert kam die Strassburger Kirche in den Besitz von Gütern in Spiez, Schönenwerd, Muttenz und Embrach. Im Mittelalter entstammten einige Strassburger Domherren schweizerischen Adelsgeschlechtern. 1329-1353 war Berthold von Buchegg Bischof von Strassburg. Die in Strassburg niedergelassenen Bettelorden knüpften ebenfalls Verbindungen zur Schweiz, so kamen die ersten Dominikaner in Zürich aus Strassburg, darunter der Theologe Hugo Ripelin, der ab 1232 Prior des 1230 gegründeten Zürcher Konvents war. Zwischen 1530 und 1540 spielte Strassburg eine grosse Rolle bei der Durchsetzung der Reformation. Martin Bucer und Wolfgang Capito traten für die Gründung reformierter Kirchen in der Schweiz ein. 1538 liess sich der aus Genf verbannte Johannes Calvin in Strassburg nieder, wo er die erste reformierte Kirche für französischsprachige Refugianten aufbaute. Nach seiner Rückkehr nach Genf 1541 schuf er die Genfer Kirche nach dem Strassburger Vorbild.
Ab dem 13. Jahrhundert ging Strassburg regelmässig Bündnisse mit Schweizer Städten ein, wobei die Partner wechselten. Die Niedere Vereinigung von 1474, in der sich neben Basel drei weitere oberrheinische Städte, deren Bischöfe, die Eidgenossenschaft und Herzog Sigismund von Habsburg-Österreich verbündeten, schlug 1477 Karl den Kühnen, fiel aber kurz danach auseinander. Im Schwabenkrieg 1499 kämpfte Strassburg auf der Seite von Maximilian I. gegen die Eidgenossen. Von der Reformation bis 1681 kühlten sich die Beziehungen zu den katholischen Orten ab; Strassburg war ein Verbündeter der reformierten Orte, die ihre Söldner in den Dienst der Stadt stellten, sei es während des Bischofskriegs 1592 oder für deren Garnison.
Die Handelsbeziehungen zwischen Strassburg und den Schweizer Städten waren immer eng. Strassburger Händler deckten sich auf den Genfer Messen mit Waren aus dem Mittelmeerraum wie Trauben, Feigen und Mandeln ein. In Freiburg kauften sie Häute und Tücher ein und hielten vor allem Wolle, aber auch Heringe und Krapp feil. Strassburger besuchten auch die Zurzacher Messe. Die Schweiz lieferte Butter und Käse nach Strassburg, umgekehrt erstanden Basler und Genfer Händler in Strassburg Waffen, Blei und Schwefel. Im ausgehenden Mittelalter bestand ein reger Handel mit Büchern und Papier zwischen den beiden bedeutenden Druckereizentren Basel und Strassburg. Die Schweizer Städte wandten sich regelmässig an Strassburg, um ihren Bedarf an Getreide zu decken. Mit den reformierten Städten unterhielt Strassburg Bankbeziehungen.
19. und 20. Jahrhundert
Seit 1681 zu Frankreich gehörend, wurde Strassburg mit der Verlegung der Zollgrenze von den Vogesen an den Rhein 1790 auch in den französischen Zollraum eingebunden. Im 19. und 20. Jahrhundert wechselte Strassburg wegen der Kriege mehrmals die Staatszugehörigkeit. Im Deutsch-Französischen Krieg erlebte die Stadt 1870 eine Belagerung und ein wochenlanges Bombardement. Insgesamt zählte man in der Zivilbevölkerung über 250 Tote, ca. 1100 Verletzte sowie 10'000 Obdachlose. Im September konnte eine Schweizer Delegation ca. 2000 Personen evakuieren. Zum Dank erhielt Basel das Strassburger Denkmal von Frédéric-Auguste Bartholdi geschenkt, das gegenüber dem Bahnhof aufgestellt und 1895 eingeweiht wurde. Nach der französischen Niederlage wurde Strassburg 1871 Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen. Im Ersten Weltkrieg blieb die Stadt von Verwüstungen verschont und kam 1918 erneut zu Frankreich. 1940 wurde sie von Nazideutschland annektiert und im November 1944 durch französische Truppen befreit.
Die wechselnden Regimes schikanierten gewisse Bevölkerungsteile oder drängten sie sogar ins Exil, doch verliehen sie – mit Ausnahme der Nationalsozialisten – der Stadt auch Impulse. Nach 1871 versuchten die Deutschen und nach den beiden Weltkriegen die Franzosen, ihre kulturelle Stellung mittels Finanzierung entsprechender Institutionen zu festigen, etwa durch den Ausbau von Bibliothek und Universität. Letztere bildete 1989 mit weiteren oberrheinischen Hochschulen wie Basel den Verbund Eucor (Europäische Konföderation der Oberrheinischen Universitäten). Auf sozialpolitischer Ebene strahlte vor allem das Strassburger System der kommunalen Armenfürsorge aus, das unter anderem von Basel übernommen wurde (1911).
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Strassburg mit der Einweihung des Rhein-Rhone-Kanals 1834 und des Rhein-Marne-Kanals 1853 zu einer Verkehrsdrehscheibe. Ersterer erlaubte in Verbindung mit dem Canal de Huningue die Bergfahrt von Lastkähnen unter Umfahrung des wilden Oberrheins bis nach Basel. Der Rheinhafen von Strassburg blieb bis in die Zwischenkriegszeit der für die Schweiz wichtigste. 1839-1841 wurde die Eisenbahnstrecke Strassburg-Saint-Louis gebaut und 1844 bis nach Basel verlängert. Ab 1852 verkehrten Züge zwischen Strassburg und Paris. 1920 eröffnete die Schweiz ein erstes Konsulat in Strassburg. Nach dem Ersten Weltkrieg begannen sich europäische Institutionen anzusiedeln. So kam 1918 die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, der die Schweiz 1921 als ordentliches Mitglied beitrat, nach Strassburg. Endgültig zum Symbol für die europäische Integration wurde Strassburg ab 1949 mit dem Einzug der zentralen Institutionen des Europarats – Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung –, die 1959 durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergänzt wurden. Die Schweiz trat dem Europarat 1963 bei. 1992 zog das Europaparlament definitiv nach Strassburg. 1996 wurde das französisch-deutsch-schweizerische Netzwerk Biovalley für die Zusammenarbeit von Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Einzelpersonen in der Biomedizin und Biotechnologie im Dreiländereck gegründet, zu dem unter anderem das Spital Strassburg und die Universität Basel gehören.
Quellen und Literatur
- H. Ammann, «Von der Wirtschaftsgeltung des Elsass im MA», in Alemann. Jb., 1955, 95-202
- H. Lüthy, La banque protestante en France, 2 Bde., 1959-61 (Neudr. 2005)
- P. Dollinger, «Commerce et marchands strasbourgeois à Fribourg en Suisse au Moyen Age», in Beitr. zur Wirtschafts- und Stadtgesch., hg. von H. Aubin et al., 1965, 124-143
- R.P. Levresse, «Prosopographie du chapitre cathédral de Strasbourg (1092-1593)», in Archives de l'Eglise d'Alsace 34, 1970
- M. Körner, Solidarités financières suisses au XVIe siècle, 1980
- Histoire de Strasbourg des origines à nos jours, hg. von G. Livet, F. Rapp, Bd. 2, 1981
- Histoire de Strasbourg, hg. von G. Livet, F. Rapp, 1987
- 1870, Strasbourg, brûle-t-il?, Ausstellungskat. Strassburg, 2010