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BurgundZweites Königreich

Das Königreich Burgund (888-1032) ging aus der Auflösung des lotharingischen Mittelreichs hervor: In den Machtkämpfen nach der Absetzung Kaiser Karls III. des Dicken (887) begründete sein kognatischer Verwandter, der Welfe Rudolf, nach dem Scheitern weitergehender Pläne das hochburgundische Königreich. Seine Legitimation als König, d.h. als Haupt eines grösseren adligen Personenverbands, erhielt Rudolf I. (888-912) durch Wahl (spätestens Januar 888 in Saint-Maurice) und kirchliche Weihe (schon in Saint-Maurice oder erst im Frühjahr 888 in Toul). Widerwillig, formell wohl als lehnsabhängigen Unterkönig, anerkannte ihn der ostfränkische König Arnulf. Rudolfs Herrschaft umfasste Grafschaften mit verstreutem Königsgut (Pfalzen, u.a. wohl Payerne, Orbe und Vevey), räumlich etwa die Westschweiz einschliesslich Basels, Solothurns, Berns und des Wallis, weiter die Franche-Comté und Savoyen mit dem Aostatal und wichtigen Alpenpässen (Grosser St. Bernhard, Mont Cenis, Mont Genèvre), nicht jedoch das westfränkische Herzogtum Burgund um Dijon. Wenig erschlossen und dünn besiedelt (im Ostteil vorwiegend Alemannen und Burgunder, sonst mehr romanisierte Kelten), hatte sein Königreich teil an drei Erzdiözesen: Besançon (mit den Bistümern Basel und Lausanne), Tarentaise (mit den Bistümern Sitten, Saint-Jean-de-Maurienne und Aosta) sowie Vienne (mit dem Bistum Genf). Wichtigstes Kloster war Saint-Maurice, Ruhestätte des späteren Reichspatrons Mauritius. Ausdehnungsbestrebungen von Rudolf I. und Rudolf II. (912-937) in Richtung Italien brachten nur vorübergehend Erfolg. Konrad (937-993) gelang der Ausbau zum Rhone-Staat durch den Erwerb von Nieder-Burgund um Lyon, Vienne und Arles. Dieser Herrschaftsteil wies eine sehr andersartige Struktur auf: Seine romanische Bevölkerung war wenig germanisch, mehr griechisch und auch syrisch beeinflusst; spätantike Traditionen und starke Judengemeinden prägten das reiche Städtewesen. Die Machterweiterung war möglich dank der schon unter Rudolf II. gefestigten Anlehnung an die Ottonen, deren Italienpolitik eine wenigstens indirekte Kontrolle über Burgunds Pässe verlangte; die Ehe von Konrads einflussreicher Schwester Adelheid mit dem nachmaligen Kaiser Otto I. stärkte die Verbindung. Der aussenpolitische Spielraum der burgundischen Könige blieb indes eingeschränkt.

Die innere Entwicklung Burgunds ist wenig bekannt: Ein ernstes Problem war bis 972 die Abwehr der sarazenischen Dauerbedrohung vom Mittelmeer her. Die Strukturverschiedenheiten wirkten fort; vier Grossgrafschaften, aus denen später die Provence, die Dauphiné, Savoyen und die Freigrafschaft Burgund hervorgingen, gewannen wachsende Selbstständigkeit. Rudolf III. (993-1032) suchte nach ottonischem Vorbild durch Übertragung von Grafschaften an kirchliche Instanzen (Tarentaise 996, Sitten 999, Lausanne 1011, Vienne 1023) ein Gegengewicht zu schaffen, konnte jedoch den Rückgang der Königsmacht nicht aufhalten. Als Letzter im Mannesstamm der Rudolfinger bereitete er mit Kaiser Heinrich II. die unmittelbare Angliederung Burgunds ans Reich vor, zielstrebig durchgesetzt 1032-1038 durch Kaiser Konrad II., Gemahl einer Nichte Rudolfs. Beider Sohn Heinrich (III.), 1038 förmlich als König in Burgund eingesetzt, wurde als Rudolfingerenkel und legitimer Erbfolger empfunden.

Quellen und Literatur

  • T. Schieffer, Die Urk. der burgund. Rudolfinger, 1977 (21983)
  • LexMA 2, 1087-1090, (Lit. bis 1980)
  • G. Sergi, «Genesi di un regno effimero: la Borgogna di Rodolfo I», in Bollettino storico-bibliografico subalpino 87, 1989, 5-44
  • C. Brühl, Deutschland – Frankreich: Die Geburt zweier Völker, 1990 (22001)

Zitiervorschlag

Hans-Dietrich Kahl: "Burgund (Zweites Königreich)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.04.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006620/2005-04-20/, konsultiert am 19.03.2024.