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Schwaben

Herzogtum Schwaben im Hochmittelalter
Herzogtum Schwaben im Hochmittelalter […]

Zu Beginn des 10. Jahrhunderts formierte sich auf karolingischen Grundlagen das Herzogtum Schwaben, das bis zum Ende der Stauferzeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts als regnum bzw. ducatus Sueviae einen der wichtigsten politischen Räume des Reichs nördlich der Alpen bildete. Schwaben erstreckte sich in West-Ost-Richtung vom Oberrhein und von der Aare bis zum Lech, im Norden grenzte es etwa auf der Höhe von Stuttgart an Franken, im Süden reichte es unter Einschluss von Churrätien in die Alpen hinein. Zeitweise war auch das Elsass eng mit Schwaben verbunden. Zu den Vororten der Herzöge von Schwaben zählten im 10. Jahrhundert Zürich, der Hohentwiel, Breisach und Esslingen, ab dem 11. Jahrhundert Ulm und Rottweil. Zentraler Bischofssitz in Schwaben war Konstanz, daneben kam auch Augsburg, Chur und Strassburg Bedeutung zu.

Nachdem in den 910er Jahren mehrere einheimische Adlige in Auseinandersetzung mit König Konrad I. um die Vorherrschaft in Schwaben gerungen hatten, wurde 917 der aus der Familie der rätischen Hunfride stammende Burchard II. Herzog von Schwaben. Burchard, der seine Herrschaft mit seinem Sieg über König Rudolf II. von Hochburgund bei Winterthur 919 konsolidierte und damit der burgundischen Expansion gegen Osten einen Riegel vorschob, wurde um 920 auch von König Heinrich I. als Herzog und damit als ranghöchster regionaler Amtsträger anerkannt. In der Folge wurde zunächst Zürich neben dem Hohentwiel zum wichtigsten Herzogsvorort, von dem aus der Herzog als Stellvertreter des Königs seinen ducatus verwaltete und in dem er seine Hoftage hielt. Der Herzog verfügte über das Reichsgut (u.a. die Pfalz im Lindenhof in Zürich), über Reichskirchen, d.h. die Bischofskirchen, die Reichsklöster (Zürich, Zurzach, Reichenau, St. Gallen) und deren Kirchengut, über die Einkünfte aus Zoll, Markt und der herzoglichen Münzstätte in Zürich sowie über die Grafschaften. Rätien, das unter Burchard eine Grafschaft gebildet hatte und in einer Art Personalunion mit der Herzogsgewalt verbunden gewesen war, wurde unter dem Nachfolger Burchards, Hermann I., in die drei Grafschaften Oberrätien, Vinschgau und Unterrätien aufgeteilt; Letztere lag bis 982 in der Hand der schwäbischen Herzöge. Hermann I. förderte sein Eigenkloster Einsiedeln entscheidend, und auf sein Ersuchen verlieh König Otto I. dem Kloster auch 947 die Reichsunmittelbarkeit.

Diese Verleihung verweist bereits auf die erhöhte Bedeutung als Durchgangsland, die Schwaben für die ottonische Dynastie (Ottonen) nach der Angliederung Italiens an das Reich ab der Mitte des 10. Jahrhunderts zukam. 973-994 gab es in Schwaben zwei herzogliche Gewalten nebeneinander, einerseits die auf dem Hohentwiel residierende und über die Klöster Reichenau und St. Gallen verfügende Hadwig, Witwe von Burchard III., andererseits die von Kaiser Otto II. eingesetzten Herzöge Otto und Konrad. Letzterer verlegte, wie auch sein im Amt nachfolgender Sohn Hermann II., den Schwerpunkt seiner Herrschaft in das Elsass und speziell nach Strassburg, weshalb beide mit dem Titel Herzog von Schwaben und Elsass erscheinen. Kaiser Otto III. gelang es um 1000, die Macht und Präsenz der Herrscher in Schwaben zu verstärken, und diese Tendenz setzte sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts unter Kaiser Heinrich II. und den frühen Saliern fort. 1038-1045 stand Schwaben sogar unter direkter Verwaltung König Heinrichs III.; damals wurde Zürich, in dem sich Heinrich III. wenigstens sechsmal aufhielt, zum Vorort des Reichs. Zuvor war Schwaben 1025-1030 durch die Rebellion von Herzog Ernst II. gegen Kaiser Konrad II. schwer erschüttert worden.

Während vom späten 10. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts auswärtige Adlige an der Spitze des Herzogtums standen, gelangte 1057 die Herzogswürde wieder an einen einheimischen Grossen, nämlich an Rudolf von Rheinfelden, der deshalb auch Rudolf von Schwaben genannt wird und aufgrund seiner Herkunft auch im angrenzenden, ab 1033 dem Reich angegliederten Königreich Burgund die Verwaltung ausübte. In der Zeit des Investiturstreits bildeten sich wie andernorts im Reich die gegensätzlichen Fronten der päpstlichen Reformpartei um Gregor VII. und der Anhängerschaft des Saliers Heinrichs IV. heraus. 1079-1098 standen zwei Herzöge einander gegenüber, auf Seiten Heinrichs IV. der Staufer Friedrich I., auf der Gegenseite zunächst Berchtold von Rheinfelden, Sohn des 1077 zum Gegenkönig erhobenen Rudolf, dann ab 1092 Berchtold II. von Zähringen (Staufer, von Zähringen). Erst der staufisch-zähringische Ausgleich von 1098 führte zu einer Neuordnung im oberdeutschen und schweizerischen Raum, die für das nächste Jahrhundert Bestand haben sollte. Er hatte zur Folge, dass sich der Kompetenzbereich des Herzogs von Schwaben um die westlichen Gebiete Breisgau, Ortenau und Baar verkleinerte, die fortan unter der Hoheit der Herzöge von Zähringen standen, und auch der traditionsreiche Vorort Zürich gelangte an dieses Geschlecht. Das Einflussgebiet der Zähringer, die 1127 unter anderem das Rektorat Burgund erhalten hatten, erstreckte sich im schweizerischen Raum ab ca. 1130 von Zürich bis in die Waadt. Das neue Herzogtum von Zähringen stand in keiner lehnsrechtlichen Beziehung mehr zum Herzog von Schwaben; charakteristisch dafür war die Herrschaft über den edelfreien Adel, im Raum Zürich etwa über die Herren von Regensberg, von Wart, von Rapperswil und von Tegerfelden. Das Herzogtum Schwaben dagegen blieb von 1098 an, abgesehen von einer kurzzeitigen Unterbrechung, in der Hand des staufischen Hauses. Zu seinen Vasallen zählten im später schweizerischen Gebiet die Grafen von Kyburg, von Baden, von Lenzburg, von Habsburg und von Nellenburg.

Die Staufer hatten gleichzeitig sowohl im Elsass als auch in dem an Schwaben angrenzenden Franken ihre herzogliche Macht ausgebaut, womit sie den Verlust des Zähringerlands kompensierten, ohne den Anspruch auf dieses je ganz aufzugeben; daher blieben die Beziehungen zwischen Staufern und Zähringern das ganze 12. Jahrhundert hindurch gespannt, was sich in zahlreichen Konflikten und kriegerischen Unternehmungen niederschlug: Im Februar 1120 überfiel Konrad von Zähringen zum Beispiel das Kloster Allerheiligen und die Stadt Schaffhausen, räumte diese dann aber auf Druck Heinrichs V. und des Papstes. Friedrich Barbarossa, Sohn von Hzg. Friedrich II. von Schwaben und selbst ab 1147 Herzog, eroberte umgekehrt 1146 Zürich und zähringische Besitzungen im Breisgau, musste diese aber nach Interventionen seines Vaters und seines Onkels Konrad III. wieder aufgeben. 1152 zum König erhoben, trat Friedrich Barbarossa Schwaben an seinen unmündigen Vetter Friedrich IV., den Sohn König Konrads III., ab, blieb jedoch zunächst für Schwaben zuständig. Nach dem Tod Herzog Friedrichs IV. 1167 gelangte Schwaben wieder an Kaiser Friedrich Barbarossa und sein Haus und wurde zum Kronland der staufischen Dynastie; mehrere seiner Söhne erhielten die Herzogswürde in Schwaben. Von dieser Position aus gelangte Philipp 1198 zum Königtum, musste sich allerdings mit dem Gegenkönig Otto IV. auseinandersetzen. Dieser übernahm nach Philipps Ermordung 1208 nicht nur die Alleinherrschaft im Reich, sondern auch Schwaben in direkter Verwaltung.

Für den schweizerischen Raum erwies es sich vor allem als bedeutend, dass ab ca. der Mitte des 12. Jahrhunderts die Kyburger und später dann die Habsburger in Gefolgschaft der Staufer ihre Herrschafts- und Güterkomplexe erheblich vergrösserten. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vermischten sich in Churrätien infolge des Aufstiegs der staufischen Dynastie Reichs- und Passpolitik bzw. Hausmachtinteressen. Unter Konrad III. wurden um 1150 die Lenzburger im Bleniotal am Südausgang der Lukmanierstrasse mit den Reichsrechten betraut; nach deren Aussterben 1173 rückten die Herren da Torre (Bleniotal) als staufische Amtsträger an ihre Stelle. In den ersten Regierungsjahren Friedrich Barbarossas als König formierte sich der gräfliche Adel gegen ihn und forderte 1157 im Streit um die Zugehörigkeit der Grafschaft Chiavenna zu Schwaben oder zum Bistum Como die Wahrung der Ehre des Herzogtums. Friedrich Barbarossa stärkte zur Sicherung der Route über den Lukmanier das Kloster Disentis. Der Hochvogt des Churer Bistums, Graf Rudolf von Pfullendorf, war ein treuer Anhänger der Staufer; nach dem Tod seines Erben übertrug er 1170 die Hochvogtei auf den Sohn Barbarossas, Herzog Friedrich V. von Schwaben, von dem sie auf dessen Nachfolger, die Herzöge Konrad und dann Philipp von Schwaben, überging. Die Hochvogtei ermöglichte den staufischen Herzögen, noch einmal eine Verwaltung in Churrätien einzurichten; Ende des 12. Jahrhunderts sind officiales, herzogliche Amtsleute, urkundlich bezeugt.

Kaiser Friedrich II. griff nach seiner Wahl 1212 in die Geschicke des Reichs nördlich der Alpen ein und setzte seinen Sohn Heinrich (VII.) als Herzog von Schwaben ein, der diese Funktion auch als König bis zu seiner Entmachtung 1235 innehatte. Nach einer kurzen Phase der Verwaltung durch Reichsministerialen gelangte Schwaben 1237 in die Hände König Konrads IV. Während dessen Konflikt mit dem von der päpstlichen Partei zum Gegenkönig erhobenen Heinrich Raspe spielte Schwaben eine massgebliche Rolle, da Papst Innozenz IV. Graf Ulrich von Württemberg und seinem Vetter Graf Hartmann von Grüningen neben einer hohen Geldzahlung jeweils die Hälfte der Einkünfte des Herzogtums Schwaben für den Fall ihres Seitenwechsels zu König Heinrich Raspe in Aussicht stellte. Die schlachtentscheidende Fahnenflucht fand 1246 zwar statt, aber die Verfügung über Schwaben blieb weiterhin an das Königtum gebunden, wie in der Folgezeit bei Wilhelm von Holland, Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall zu beobachten war, obgleich auch Konrads IV. Sohn Konradin neben dem Titel König von Jerusalem den ihm 1254 von Innozenz IV. zugestandenen Titel dux Sueviae führte (Interregnum).

Im schweizerischen Raum behielt während der Regierungszeit Friedrichs II. die staufische Partei, zu der neben der älteren Linie der Habsburger die Städte Zürich, Bern, Schaffhausen und Konstanz sowie die Fürstabtei St. Gallen zählten, die Oberhand. Langfristige Nachwirkungen sollte zeitigen, dass Friedrich II. – damals waren Königswürde und schwäbisches Herzogtum bereits untrennbar miteinander verflochten und Reichs-, Herzogs- und Hausgut im Kronland aufgegangen – zahlreiche beim Aussterben der Zähringer 1218 an das Reich zurückfallende Reichslehen nicht an die mächtigen Kyburger vergab, sondern an damals noch weniger bedeutende Geschlechter (z.B. Reichsvogtei Uri an Habsburg) verlieh und vor allem mehrere Städte und Talschaften beim Reich beliess. Durch diese Politik, die er mit Privilegien für Uri 1231 (durch Sohn König Heinrich) und Schwyz 1240 fortführte, verhinderte Friedrich II. die Ausbildung einer grossen Machtkonzentration in der Ost- und der Zentralschweiz. Erst sein Tod 1250 eröffnete lokalen dynastischen und genossenschaftlichen Herrschaftsgebilden neue Möglichkeiten.

Wenn König Richard 1262 anlässlich der Zurückweisung des Achturteils Konradins gegen die Bürger von Zürich Schwaben als längst dem Reich inkorporiert erklärte, so war damit bereits die weitere Geschichte von Schwaben vorgezeichnet, das in nachstaufischer Zeit nicht mehr als Herzogtum vergeben wurde. Vielmehr wurden seit Rudolf von Habsburg die ehemals staufischen Reichsrechte und Reichsgüter in Reichsvogteien organisiert; daneben spielten die Reichsstädte in Schwaben eine wichtige Rolle. Verschiedene Versuche, das Herzogtum Schwaben wieder herzustellen, blieben erfolglos, nicht zuletzt wegen der immer mächtiger werdenden Grafen von Württemberg, die 1495 in den Herzogsrang aufstiegen, allerdings von Württemberg, nicht von Schwaben. Als Ausdruck habsburgischer Präsenz in den Vorderen Landen führte Maximilian I. seit 1500 den Titel Fürst in Schwaben.

Quellen und Literatur

  • H. Büttner, Schwaben und Schweiz im frühen und hohen MA, 1972
  • H. Maurer, Der Hzg. von Schwaben, 1978
  • GKZ 1
  • LexMA 7, 1598-1602
  • Hb. der baden-württemberg. Gesch., hg. von M. Schaab et al., Bd. 1, Tl. 1, 2000, 381-619
  • HbGR 1
  • T. Zotz, «Friedrich Barbarossa und Hzg. Friedrich (IV.) von Schwaben», in Mediaevalia Augiensia, hg. von J. Petersohn, 2001, 285-306
  • A. Zettler, Gesch. des Herzogtums Schwaben, 2003
  • H. Krieg, «Adel in Schwaben: Die Staufer und die Zähringer», in Grafen, Herzöge, Könige, hg. von H. Seibert et al., 2005, 65-97
  • T. Zotz, «Konrad I. und die Genese des Herzogtums Schwaben», in Konrad I. - auf dem Weg zum "Dt. Reich"?, hg. von H.-W. Goetz, 2006, 185-198
  • D. Mertens, «Zur Spätphase des Herzogtums Schwaben», in Adel und Königtum im ma. Schwaben, hg. von A. Bihrer et al., 2009, 321-338
Von der Redaktion ergänzt
  • Wagner, Rafael: Schwertträger und Gotteskrieger. Untersuchungen zur frühmittelalterlichen Kriegergeselleschaft Alemanniens, 2019.
Weblinks
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GND

Zitiervorschlag

Thomas Zotz: "Schwaben", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006642/2015-02-24/, konsultiert am 28.03.2024.