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WalterStucki

Walter Stucki (links) im Gespräch mit William Emmanuel Rappard am 12. Februar 1945 in Bern. Fotografie von Siegbert Maurer (Ringier Bildarchiv, RBA1-10-437, Nr. 2) © Staatsarchiv Aargau / Ringier Bildarchiv.
Walter Stucki (links) im Gespräch mit William Emmanuel Rappard am 12. Februar 1945 in Bern. Fotografie von Siegbert Maurer (Ringier Bildarchiv, RBA1-10-437, Nr. 2) © Staatsarchiv Aargau / Ringier Bildarchiv. […]

9.8.1888 Bern, 8.10.1963 Bern, reformiert, von Konolfingen, 1944 Ehrenbürger von Vichy. Sohn des Gottlieb Stucki und der Marie Luise geborene Rothacher. Bruder der Helene Stucki. Gertrud Sahli, Tochter des Hermann Sahli und der Olga Wilhelmine geborene Leibundgut. Realgymnasium, Studium der Rechte in Bern, 1912 bernisches Staatsexamen. Fürsprecher im Advokaturbüro Leo Merz, später Hugo Mosimann (Rechtsanwälte). Weiterbildung in Völkerrecht sowie internationalem Vertrags- und Handelsrecht in München, Paris und London. 1917 wurde Walter Stucki von Bundesrat Edmund Schulthess zum Generalsekretär des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) ernannt (Wirtschaftspolitik). Doch bereits Ende 1919 kehrte er mit zahlreichen Mandaten des Bundes in die Anwaltskanzlei Mosimann zurück. 1925 holte ihn Schulthess als Direktor der Handelsabteilung erneut ins EVD. Als Unterhändler schloss Stucki für die Schweiz 48 Handelsverträge ab und vertrat das Land an internationalen Konferenzen, unter anderem im Völkerbund. 1933 erhielt er den Ministertitel. Aufgrund seiner grossen Popularität sollte Stucki 1934 und 1935 für die Nachfolge Heinrich Häberlins und Schulthess' im Bundesrat kandidieren; er lehnte die Kandidatur jedoch zweimal ab. Als Schulthess zurücktrat, demissionierte er als Beamter. 1935 wurde Stucki mit dem besten Resultat auf der Liste der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) des Kantons Bern in den Nationalrat gewählt (Bundesversammlung); zugleich ernannte ihn der Bundesrat zum Delegierten für Handelsverträge (Aussenwirtschaft). Innenpolitisch wollte Stucki die Schweiz auf vorauszusehende Bedrohungen vorbereiten, die Erstarrung von Bürgerblock und Arbeiterschaft überwinden und durch die Konzentration der politischen Kräfte in der Mitte unter Einschluss der gemässigten Linken, vor allem der Sozialdemokratischen Partei nach der Programmrevision 1935, eine starke regierungsfähige Mehrheit bilden (Konkordanzdemokratie). Die bürgerlichen Parteien verdächtigten ihn, eine Volksfront nach französischem Muster anzustreben, und liessen ihn fallen. Darauf demissionierte er 1937 als Nationalrat. Ab 1938 Gesandter in Paris, begleitete Stucki nach dem Fall von Paris die französische Regierung nach Vichy, wo er das Vertrauen des Präsidenten, Marschall Henri Philippe Pétain, gewann. Stucki vermittelte zwischen den Vertretern der Vichy-Regierung, den abziehenden Deutschen sowie den französischen Widerstandskämpfern und rettete Vichy vor der Zerstörung (Zweiter Weltkrieg, Gute Dienste). Wieder in Bern, leitete er 1945-1946 die Abteilung für Auswärtiges im Eidgenössischen Politischen Departement (EPD, Aussenpolitik). In Verhandlungen mit den Alliierten schloss er das Currie-Abkommen (Mission Currie-Foot), das der Schweiz die Lebensmitteleinfuhr sicherte. Der neue EPD-Vorsteher Max Petitpierre machte ihn zum Delegierten des Bundesrats für Spezialmissionen. Stucki erlangte 1946 im Washingtoner Abkommen über die von den Alliierten beanspruchten deutschen Vermögenswerte in der Schweiz einen erträglichen Kompromiss. 1953 schloss er mit dem Londoner Abkommen über die deutschen Auslandschulden seinen letzten internationalen Vertrag für die Schweiz ab. Nach dem Rücktritt als Delegierter reformierte er die Ausbildung des diplomatischen Nachwuchses (Diplomatie). 1933 Ehrendoktor der Universität Basel; in Vichy wurde 1957 eine Strasse nach ihm benannt, in Konolfingen (2013) und Vichy (2023) erinnern zudem Gedenktafeln an sein Wirken.

Quellen und Literatur

  • Bonjour, Edgar: Die Schweiz und Europa. Ausgewählte Reden und Aufsätze, Bd. 5, 1977, S. 289-299.
  • Perrenoud, Marc: Banquiers et diplomates suisses (1938-1946), 2011, v.a. S. 44-53.
  • Stamm, Konrad: Der «grosse Stucki». Eine schweizerische Karriere von weltmännischem Format. Minister Walter Stucki (1888-1963), 2013.
Weblinks
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GND
VIAF

Zitiervorschlag

Edgar Bonjour; Konrad Stamm: "Stucki, Walter", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006700/2014-01-21/, konsultiert am 13.05.2025.