Hauptstadt der oberitalienischen Provinz Bergamo. Im Mittelalter wurde Bergamo nach welfisch-gibellinischen Kämpfen und vorübergehender mailändischer Herrschaft in den venezianischen Herrschaftsbereich eingegliedert (15. Jh.) und zum nordwestlichsten Stützpunkt sowie Rektorenamtssitz der Republik Venedig. Mit dem Erwerb des Veltlins durch die Bündner 1512 wurde Bergamo Grenzprovinz und Nachbarstadt der Drei Bünde. Bergamo war Transitregion für den Nord-Süd-Verkehr: Die Benützung des Passo di San Marco (1992 m) von Bergamo nach Morbegno im Veltlin ist seit Ende des 15. Jahrhunderts bezeugt, um 1528 vor allem für Truppenverschiebungen. Ein weiterer Übergang, der Passo di Dordona (2080 m) von Fòppolo durch das Val Madre nach Fusine im Veltlin, wurde 1582 reaktiviert.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts pflegte Bergamo intensive Beziehungen mit dem Dreibündestaat und der Eidgenossenschaft. Protestantisches Gedankengut drang über die Bündner Druckerei Landolfi (Poschiavo) in Bergamo ein, wo es von Geistlichen und Gelehrten aufgenommen wurde. Bekenner des evangelischen Glaubens, wie der Humanist und Kanoniker Girolamo Zanchi oder der Arzt Guglielmo Grataroli, wanderten aus: Zanchi 1551 ins Veltlin, wo er in Chiavenna und Plurs als evangelischer Pfarrer wirkte, und später nach Heidelberg, wo er eine Theologieprofessur bekleidete, Grataroli 1533 nach Graubünden (Bäderkenner) und später nach Basel. Giovanni Pietro Parisot floh aus Bergamo und wurde 1550 evangelischer Pfarrer in Samedan, zwei Brüder Bellinchetti verliessen ihre Heimat und betätigten sich als Bergwerksfachleute in Bergün. Um 1560 bildete sich eine reformierte Gemeinde in Bergamo. Mitte des 16. Jahrhunderts begannen enge Geschäftsbeziehungen zwischen den Familien Pestalozza von Chiavenna und von Cham von Zürich in Bergamo; Kaufleute aus Locarno und St. Gallen zogen nach Bergamo. 1557 verlegte die Handelsgesellschaft Orelli und Pagierano ihren Sitz von Mailand nach Bergamo. Venezianische Privilegien wurden Bündnern, ab 1564 (Schutz vor Inquisition, Zollexemption usw.) auch Zürcher Kaufleuten eingeräumt: Handelsgesellschaften der Zürcher Ronco, von Cham, Kambli, Holzhalb, Bebia, Gosswyler und Schneeberger waren in Bergamo im Tuch- und Seidenhandel tätig. Der von den Drei Bünden und Venedig 1592 beschlossene und realisierte Ausbau des Passo di San Marco zur modernen internationalen Handelsstrasse (Via Priulana) von Bergamo nach Morbegno gab dem Bündner und Zürcher Handel Auftrieb. Das Bündnis von 1603 zwischen Venedig und Graubünden sowie die Handels- und Militärallianz zwischen Zürich, Bern und Venedig 1615 bzw. 1618 werteten Bergamo weiter auf. Nach Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Aktivitäten während des Dreissigjährigen Kriegs erlebte Bergamo eine neue Blütezeit im 18. Jahrhundert. Die reichen Bündner Häuser Frizzoni und Martin Sprecher waren im Woll- und Seidenhandel aktiv. Mit der Weigerung Graubündens 1706-1764, den Passo di San Marco zur fahrbaren Handelsstrasse auszubauen, der Aufhebung der venezianischen Privilegien 1764 und dem bündnerischen Verlust des Veltlins 1797 gingen die Beziehungen zurück und brachen schliesslich ab. Im 19. Jahrhundert wurden die verpachteten Bündner Alpen durch Bergamasker Schafherden besonders intensiv genutzt; grössere Schäden an Pflanzen und Waldungen führten ab 1874 zu Einschränkungen. Eine saisonale Einwanderung von Bergamaskern als Waldarbeiter und Heuer (Mähder) ins Tessin und nach Graubünden fand noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt.