Ortschaft in der norditalienischen Provinz Sondrio, mit Weilern und ausgedehnten Alpgebieten (deutsch früher Worms, romanisch Buorm). Verkehrsdrehscheibe mit dem Gaviapass nach der Provinz Brescia, dem Umbrailpass ins bündnerische Münstertal, dem Stilfserjoch ins Südtirol und dem Foscagnopass nach Livigno. 2000 4139 Einwohner.
Die heute selbstständigen Gemeinden Valfurva, Valdidentro und Livigno waren im Mittelalter Teile von Bormio. Die Bäder von Bormio (aquae Burmiae) waren schon in römischer (Plinius der Ältere) und ostgotischer Zeit (Cassiodor, 535) bekannt. Im 10.-13. Jahrhundert kämpfte Bormio um die Eigenständigkeit als Kommune in Fehdekriegen und gegen feudale Ansprüche der Bischöfe von Como und Chur, Letztere durch die mächtigen Vögte von Matsch vertreten. In Comos Herrschaft eingegliedert, errang Bormio 1377 in der magna charta della libertà bormiensi wichtige Privilegien, die von den Sforza 1450 weitgehend bestätigt wurden. Das 14.-15. Jahrhundert war wegen der strategisch wichtigen Position und Exklusivität der Vorrechte eine Blütezeit des Gemeinwesens. Um 1400 zählte Bormio 32 Türme und 5000 Einwohner; es war Stapelplatz an der Handelsstrasse von Venedig nach Deutschland.
Beim Einfall der Bündner 1487 wurde Bormio dank einer Brandschatzungsleistung verschont, verlor aber das Monopol auf den Transitverkehr. Mailand gewährte den Drei Bünden die gleichen Zollprivilegien wie Bormio. Pest und Kriegszüge verschlechterten zudem die wirtschaftliche Lage. 1512 wurde Bormio in bevorzugter Stellung (Protektorat) in die Herrschaft der Drei Bünde eingegliedert. Der Bündner Podestat in Bormio hatte ausser der Waffenlizenz und den Regalien keine administrativen, sondern nur richterliche Kompetenzen; er war Präsident zweier Grafschaftsgerichte und richtete nach den sogenannten Wormser Statuten. Die Casa Pedranzini in Bormio bewahrt noch Wappenmalereien der Drei Bünde. Die öffentlichen Gerichtssitzungen fanden auf dem Kuèrc statt, einem aus dem 12. Jahrhundert stammenden, überdachten Platz. Im 16. Jahrhundert erlebte Bormio nochmals einen wirtschaftlichen Aufschwung. Reger Verkehr floss über die hier durchziehende Via Imperiale d'Alemagna. Bergwerke, Tuchproduktion, Handel mit Veltliner Wein und Salz aus Tirol sowie fruchtbare Alpweiden machten die Landschaft Bormio zu einer der wohlhabendsten des alpinen Raums. Das Valle di Fraéle, in welchem ab dem 12. Jahrhundert Bergbau betrieben wurde, war im 16. Jahrhundert ein dicht bevölkertes Hochtal mit Schmelzöfen, Giessereien, einer Herberge, der heute in einem Stausee verschwundenen Kirche San Giacomo, einem ausgebauten Saumweg (Torre di Fraéle, Passo delle Scale) und einer Zollstätte. Reger Besuch aus Graubünden und den Nachbarstaaten galt den warmen Bädern von Bormio. 1558 entstand eine kleine reformierte Kirchgemeinde, gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine evangelische Kirche. Die meisten Reformierten konnten dem Veltlinermord 1620 entkommen; verschiedene Familien zogen ins bündnerische Münstertal. Schwerwiegende Beeinträchtigungen und Leiden erfuhr Bormio während des Dreissigjährigen Krieges: 1620 und 1621 die Fremdbesetzung durch spanische und kaiserliche Heere sowie Züge von Bündnern, 1635 den Gebirgskrieg des Herzogs von Rohan. In der Folge verlor Bormio an wirtschaftlicher Bedeutung. 1797 wünschte die Stadt, bei Graubünden zu verbleiben; die unschlüssige Haltung des Bündner Souveräns führte jedoch zum Abfall und Anschluss an die Cisalpinische Republik.
1859 erwarb Nationalrat Andreas Rudolf von Planta die 1834-1835 erbauten Bagni nuovi (Bäder) von Bormio, erweiterte und verschönerte sie, förderte den Ausbau der Umbrailstrasse 1867, richtete eine private Post über das Stilfserjoch und von Bormio nach Tirano ein und erreichte 1869 die Einrichtung eidgenössischer Postkurse von Lecco über Còlico nach Bormio (1873 bzw. 1876 wegen defizitären Betriebs eingestellt). Die Bäder gingen später an eine italienische Aktiengesellschaft über.