Region Italiens, die im Norden an die Kantone Graubünden und Tessin grenzt und bis 1743 durch das Eschental (Val d'Ossola) auch mit dem Wallis eine gemeinsame Grenze hatte. Der Name leitet sich vom Volk der Langobarden ab. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde die Lombardei ins Lombardo-Venezianische Königreich und 1861 ins Königreich Italien eingegliedert. Seit 1946 ist sie Teil der Italienischen Republik. Sie unterhielt stets enge Beziehungen zur Eidgenossenschaft, insbesondere zur italienischen Schweiz.
Wirtschaftsbeziehungen
Schon um das Jahr 1000 war Mailand, die Hauptstadt der Lombardei, eine der bevölkerungsreichsten Städte Europas, und auch in der Folgezeit blieb sie ein ziemlich dynamisches Handels- und Produktionszentrum mit einer starken Ausstrahlung auf die umliegenden Regionen. Die Eröffnung des Gotthardwegs im 13. Jahrhundert erleichterte die Verbindung der Innerschweiz zu den lombardischen Märkten; um 1300 pflegten mindestens 21 Luzerner Handelsgesellschaften Geschäftsbeziehungen zu Comasker und Mailänder Unternehmen. Während des Mittelalters und der frühen Neuzeit spielte der Gotthardpass jedoch nur eine zweitrangige Rolle im Fernhandel zwischen der Lombardei und Nordeuropa. Westlich davon kam es im 13. und 14. Jahrhundert wiederholt zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Bischöfen von Sitten und Novara – einer ab dem 14. Jahrhundert von Mailand dominierten Stadt – um die Kontrolle der Übergänge zwischen dem Wallis und dem Eschental. Trotz des Friedens von Latinasca 1267 und weiterer Abkommen konnten diese Konflikte nicht beendet werden.
Der Warenverkehr zwischen der Lombardei und den Gebieten nördlich der Alpen über die Pässe Brenner, Gotthard und Simplon, aber auch über den Splügen, den Lukmanier und andere weniger frequentierte Übergänge stellte eine bedeutende Einnahmequelle für die Transitregionen dar und hatte auch günstige Auswirkungen auf die Schweizer Städte. Während und nach dem Dreissigjährigen Krieg förderte Kaspar Stockalper vom Thurm von Brig, ein Verbündeter der Lombardei, die Verbreiterung der Simplonstrasse und reorganisierte den Handelsverkehr entlang des Passes; so gelang es ihm, in wenigen Jahren eines der grössten Handelsimperien des Alpenraums zu schaffen.
Während Jahrhunderten belieferte die Lombardei das Gebiet der heutigen Schweiz, besonders das Tessin, Graubünden und das Wallis, mit wichtigen Nahrungsmitteln wie Getreide, Wein und Salz. Auf der anderen Seite nahmen die lombardischen Städte und das Land einen grossen Teil der Ausfuhr der eidgenössischen Orte auf: Vieh und Käse aus der Innerschweiz und Graubünden, Holz aus den Tälern der italienischen Schweiz. Mit anderen Gebieten der italienischen Halbinsel war die Lombardei zudem bis weit ins 19. Jahrhundert Ziel einer meist saisonalen Auswanderung von Cafetiers, Trägern, Hafnern, Kaminfegern, Maurern, Kunsthandwerkern und Baumeistern aus dem schweizerischen Alpenraum.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Lombardei und der Schweiz verfestigten sich im 19. Jahrhundert, zunächst mit dem Bau der neuen Fahrstrassen über den Simplon (1805), den San Bernardino (1823), den Splügen (1823) und den Gotthard (1830), im Folgenden dank der Eisenbahntunnel durch den Gotthard (1882) und den Simplon (1906). Der Eisenbahnbau trug auch zur zunehmenden Einwanderung von Arbeitskräften aus der Lombardei und anderen Regionen Norditaliens in die Schweiz bei. Die rasche Industrialisierung der Lombardei und der Aufstieg Mailands zur Industriemetropole ab den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begünstigte gleichzeitig die Niederlassung von zahlreichen schweizerischen Unternehmern in der Region, darunter mehrere Textilindustrielle und der Verleger Ulrico Hoepli, denen später Filialen bedeutender schweizerischer Gesellschaften (u.a. Brown Boveri, Sandoz, Nestlé, Geigy) folgten.
In der Nachkriegszeit haben vor allem die Fertigstellung einer direkten Autobahnverbindung und die Eröffnung des Strassentunnels durch den Gotthard (1980) die Bindungen nicht nur im Wirtschafts-, sondern auch im Touristiksektor gestärkt. Hauptsächlich für das Tessin hat die Nachbarschaft der Lombardei, eines dynamischen Wirtschaftsraums, den Aufschwung des Finanzplatzes gefördert. Die Tessiner Industrie konnte von Grenzgängern aus der Lombardei und dem Piemont profitieren, die als günstige Arbeitskräfte in den Kanton kamen. Nach einem Rückgang in den 1990er Jahren (1990 mehr als 40'000 Grenzgänger, 2001 32'700) hat mit dem Inkrafttreten der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU (2002), die den freien Personenverkehr ermöglichen, der Zustrom von Arbeitskräften aus den angrenzenden lombardischen Provinzen erneut zugenommen.
Politische und kulturelle Beziehungen
Während des Mittelalters gehörte das heutige Tessin in jeder Hinsicht zum lombardischen Raum und war eng mit Mailand und Como verbunden. Ab 948 unterstanden die drei Ambrosianischen Täler Blenio, Riviera und Leventina der weltlichen und geistlichen Herrschaft der Mailänder Kirche. Die Südexpansion der Eidgenossen im 15. Jahrhundert (Ennetbirgische Feldzüge) war begleitet von wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Herzogtum Mailand, das 1395 unter der Führung der Visconti entstanden war und dessen Herrschaft sich über die gesamte Lombardei erstreckte. Die entscheidende Wende fiel in die Zeit um 1500, als die Eroberungspolitik der eidgenössischen Orte ihren Höhepunkt erreichte. Die militärischen Feldzüge jener Zeit (Mailänderkriege) brachten die vollständige Annexion des heutigen Tessins und die lange Herrschaft der Drei Bünde über das Veltlin (von 1512 bis 1797). Erfolglos blieben hingegen die Anstrengungen der Eidgenossen und besonders der Walliser zur Eroberung des Eschentals. 1487 wurden die Truppen des Jost von Silenen, Bischof von Sitten, von den Milizen der Sforza geschlagen; nach der Niederlage von Marignano 1515 wurden die territorialen Ansprüche aufgegeben.
Noch früher kam es zu einer engeren Bindung der Täler Italienischbündens mit politischen und kirchlichen Institutionen nördlich der Alpen. 960 schenkte Otto I. das Bergell dem Bischof von Chur und trennte es von der Grafschaft Chiavenna. 1367 schloss es sich dem Gotteshausbund an; 1524 befreite es sich endgültig von den Feudalrechten des Bischofs von Como. Das Puschlav stand bis 1350 unter dem Einfluss sowohl des Bischofs von Chur wie der Stadt Como, als es unter die Herrschaft Mailands kam. Nach einer Rebellion der Puschlaver trat es 1408 dem Gotteshausbund bei; von da an teilte es das Schicksal der Drei Bünde. Das Misox war vom 12. Jahrhundert bis 1480 der Herrschaft der Freiherren von Sax-Misox unterworfen, einer rätischen Adelsfamilie, die auch Verwandtschaftsbeziehungen zum lombardischen Adel hatte, als es unter die Herrschaft des Mailänder Condottiere Gian Giacomo Trivulzio kam. 1496 schloss sich das ganze Tal dem Grauen Bund an; 1549 kauften die Talbewohner von Gian Francesco Trivulzio, dem Nachfolger von Gian Giacomo, ihre Rechte los und erlangten die Freiheit.
Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Herrschaftsräumen lockerte aber keineswegs die kulturellen, künstlerischen und sprachlichen Bande zwischen der italienischen Schweiz und der Lombardei, von denen etwa die Tätigkeit der Kunsthandwerker (Maestranze) beredtes Zeugnis ablegt. Diese Bande gründen auf der jahrhundertelangen religiösen Beziehung zur Lombardei. Das Tessiner Gebiet und das Puschlav blieben die ganze frühe Neuzeit hindurch unter der Jurisdiktion der Diözese Como und der Erzdiözese Mailand. Letztere übte besonders in der Zeit der katholischen Reform mit Karl Borromäus einen starken Einfluss aus. Zur Verteidigung des Katholizismus wurde 1579 in Mailand das Collegium Helveticum gegründet, das Studenten aus den eidgenössischen Territorien über 50 Freiplätze anbot. Als die Lombardei 1535 unter spanische Herrschaft kam, wuchsen die politisch-religiösen Spannungen. Dies verschärfte den konfessionellen Gegensatz vor allem in den Drei Bünden, wovon etwa die Ermordung der Reformierten im Veltlin (Veltliner Mord) 1620 zeugt.
Die Lage entspannte sich, als die Lombardei 1714 österreichisch wurde. Eine neue Zäsur von grosser Bedeutung ergab sich aus dem Italienfeldzug Napoleons (1796-1797), der zur Eroberung und anschliessenden Eingliederung der Lombardei in die Cisalpinische Republik führte. Von diesem Zeitpunkt an wuchs die strategische Bedeutung der Alpenpässe auf eidgenössischem Gebiet als Verbindungswege zwischen Frankreich und Norditalien. 1797 beendete Napoleon die Herrschaft der Drei Bünde über das Veltlin und verleibte das Tal der Cisalpinischen Republik ein; die Bündner Güter in der Region wurden beschlagnahmt (Confisca).
1798 versuchten Anhänger der Cisalpinischen Partei im Tessin den Anschluss des Kantonsgebiets an die nahe Republik zu befördern. Die Absicht schlug jedoch wegen der Opposition der einheimischen Bevölkerung und der französischen Behörden fehl. Daher blieb die alte Grenze zwischen der Lombardei und dem in der Zwischenzeit in die Helvetische Republik (1798-1803) eingegliederten Tessin bestehen. 1810 wurden das Tessin und das Misox von lombardischen Truppen besetzt, um den Schmuggel, der gegen die Kontinentalsperre verstiess, und die Flucht von Deserteuren über die Grenze zu unterbinden. 1811 erklärte sich der Grosse Rat des Kantons Tessin gegen territoriale Kompensationen und andere Zugeständnisse bereit, das Mendrisiotto an das Königreich Italien abzutreten. Die Besetzung wurde 1813 infolge der napoleonischen Niederlagen aufgehoben.
Um die Truppenverschiebungen zwischen Frankreich und der Cisalpinischen Republik zu beschleunigen, förderte Napoleon den Bau einer breiten Fahrstrasse über den Simplonpass (1801-1805). Die strategische Bedeutung dieses Gebiets beeinflusste das politische Schicksal des Wallis, das nach dem Willen Napoleons zuerst eine unabhängige Republik (1802-1810) und dann ein französisches Departement (Departement Simplon, 1810-1813) wurde.
Der Wiener Kongress bestätigte endgültig die Loslösung der ehemaligen Untertanenlande der Drei Bünde von der Schweiz. In der Restaurationszeit wurde das kulturelle Leben der italienischen Schweiz stark von der lombardischen Aufklärung beeinflusst. Die Universität Pavia entwickelte sich zu einem bevorzugten Studienort der Tessiner Studenten, wie es die Akademie von Brera für die Künstler war. Die Fünf Tage von Mailand (18.-22. März 1848) eröffneten einen neuen Abschnitt in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Lombardei. Freiwillige aus dem Tessin und der übrigen Schweiz unterstützten den lombardo-venezianischen Aufstand gegen die Österreicher. Nach der österreichischen Rückeroberung von Mailand (August 1848) nahm das Tessin über 20'000 lombardische Flüchtlinge auf. Als Vergeltungsmassnahme für den gescheiterten Aufstandsversuch Mazzinis im Februar 1853 ordnete der österreichische Feldmarschall Joseph Wenzel Radetzky die Ausweisung der Tessiner aus dem Lombardo-Venezianischen Königreich an. 1859 bestätigten die eidgenössischen Behörden die Loslösung des Tessiner Gebiets von der Diözese Como und der Erzdiözese Mailand, das im Folgenden die apostolische Administration des Kantons Tessin (1884/1888-1971) und dann die Diözese Lugano (seit 1971) bildete. Ab dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und besonders nach der Machtergreifung der Faschisten traten im Tessin ausgeprägt italienfreundliche Anschauungen auf (Irredentismus), die aber nur von einer verschwindenden Minderheit getragen wurden. Bis heute jedoch ist das Gefühl der Zugehörigkeit zum lombardischen Kulturraum ein wichtiger Bezugspunkt für viele Intellektuelle der Svizzera italiana geblieben.
Seit den 1970er Jahren haben sich die Bemühungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den benachbarten lombardischen Gebieten intensiviert. 1972 wurde die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (Arge Alp) gegründet, der unter anderem die Lombardei sowie die Kantone Tessin, Graubünden und St. Gallen angehören. Der Kanton Tessin seinerseits trat 1989 der Arbeitsgemeinschaft der Ostalpen-Regionen (Arge Alpen-Adria) bei, nachdem ein Jahr zuvor die Lombardei Mitglied geworden war. Verstärkt hat sich diese Tendenz im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit den Projekten Interreg (seit 1990) und mit der Bildung der Insubrischen Region (1995), einer Arbeitsgemeinschaft, der unter anderem der Kanton Tessin und die italienischen Provinzen Como und Varese angehören. Deren Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu fördern und das Bewusstsein einer gemeinsamen soziokulturellen Identität zu unterstützen.
Quellen und Literatur
- P.L. Zaeslin, Die Schweiz und der lombard. Staat im Revolutionszeitalter 1796-1814, 1960
- Lombardia elvetica, 1987
- C. Capra, La Lombardia austriaca nell'età delle riforme, 1987
- M. Meriggi, Il Regno Lombardo-Veneto, 1987
- La Lombardia spagnola, hg. von E. Brambilla et al., 1997
- Ceschi, Ticino
- G. Andenna, Storia della Lombardia medioevale, 1999
- C. di Filippo Bareggi, Le frontiere religiose della Lombardia, 1999
- Grigioni
- P. Curdy et al., Histoire du Valais, 4 Bde., 2002