
Das Val d'Ossola, deutsch Eschental, zwischen der Wasserscheide des Alpenkamms und dem Langensee im Einzugsgebiet des Flusses Toce gelegen, besteht aus einem breiten Talgrund und sieben Nebentälern (Anzasca, Antrona, Bognanco, Divedro, Antigorio, Formazza und Vigezzo). Im Süden von der Lombardei und dem Piemont, im Norden vom Wallis und dem Tessin begrenzt, ist es eines der Täler, die am tiefsten ins Alpenmassiv eindringen. Die ersten nachgewiesenen Bewohner waren die Lepontier, die sich auch im Gebiet des heutigen Tessins und jenseits des Gotthards niederliessen. In der augusteischen Zeit führte durch das damals schon ganz im Machtbereich Roms liegende Val d'Ossola ein bedeutender Verkehrsweg; eine Inschrift am Felsen von Vogogna von 196 n.Chr. zeugt von der militärischen und strassenbauerischen Tätigkeit Roms. Im Frühmittelalter besassen die Benediktinerklöster San Pietro in Ciel d'Oro in Pavia, Arona und St. Gallen dort zahlreiche Güter. Auf eine Schenkung von Kaiser Heinrich II. von 1014 geht das Herrschaftsgebiet des Bischofs von Novara zurück; die Grafschaft umfasste das obere Val d'Ossola und bestand bis ins 14. Jahrhundert. Das milde Klima im 12. und 13. Jahrhundert begünstigte die Urbarmachung auch in höheren Regionen: In den grossen Alpgebieten der oberen Talstufen errichteten die Walser, Kolonisten alemannischer Herkunft, die von den Klöstern und dem einheimischen Adel aus dem Oberwallis geholt worden waren, ganzjährige Siedlungen. Im 13. und 14. Jahrhundert förderten die Walser die Nutzung der Alpenübergänge (neben dem Simplonpass auch die Übergänge im Monte-Rosa-Massiv und diejenigen aus dem Pomat, den Albrun-, Gries- und San-Giacomo-Pass), was ihnen neben den kärglichen Einkommen aus der Landwirtschaft zusätzliche Einkünfte verschaffte.
Das Streben nach Kontrolle der Passübergänge beherrschte das politische Geschehen im 13. und 14. Jahrhundert. Der Friede von Latinasca von 1267 war der erste einer langen Reihe von Verträgen zwischen den Bischöfen und den Herrschern im Wallis und im Val d'Ossola; die getroffenen Vereinbarungen wurden immer wieder durch Überfälle und Scharmützel gebrochen. Nachdem das Tal 1381 an die Visconti, die Herrscher von Mailand übergegangen war, wurden vermutlich die komplexen dynastischen Verbindungen der ins Wallis übersiedelten lombardischen Adligen zum Auslöser für die Einfälle der Walliser und Eidgenossen im 15. Jahrhundert. Nach den Invasionen von 1410-1411 und 1425 ins Val d'Ossola warfen 1487 Milizen Sforzas bei Crevola die Söldnertruppen des Bischofs von Sitten, Jost von Silenen, zurück und machten dessen Gebietsansprüche zunichte (Ennetbirgische Feldzüge). 1512-1515 scheiterte ein weiterer Annexionsversuch der Eidgenossen, die ihre Pläne nach der Niederlage von Marignano endgültig begraben mussten. Die spanische Herrschaft von 1535 bis 1706 war für das Tal eine schwierige Zeit: Neben der Verschlechterung der klimatischen Bedingungen litt das Val d'Ossola unter Hungersnöten, der Pest, dem Durchmarsch unzähliger Heere und bürgerkriegsähnlichen Wirren. Der Dreissigjährige Krieg führte zu einem Wiederaufschwung des Handels über den Simplon. Auf dem bis Beura schiffbaren Toce und den Saumpfaden der Alpenpässe wurde zunehmend Wein und Getreide Richtung Wallis, Bern und Obwalden ausgeführt sowie Käse und Vieh eingeführt. Mit dem Vertrag von Worms 1743 ging das Val d'Ossola von der Lombardei an Piemont über, bei dem es, mit Ausnahme der Zeit unter napoleonischer Herrschaft (1799-1814), bis zur Einigung Italiens 1861 verblieb.
Napoleon förderte den Bau einer Fahrstrasse über den Simplon, und später waren es wiederum die Franzosen, die den Bau des 1906 eröffneten Tunnels und die internationale Eisenbahnlinie Mailand-Genf unterstützten. Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg bestand im Val d'Ossola vom September bis Oktober 1944 eine unabhängige Partisanenrepublik, ein letzter Ausdruck jahrhundertealter Vorrechte, die auf die Zeit der Visconti zurückgingen. 1943-1945 war das Val d'Ossola auf die humanitäre Hilfe der Schweiz angewiesen. Nach dem Krieg wanderten viele arbeitssuchende Talbewohner in die Schweiz, vor allem ins Tessin und ins Wallis aus, wohin dank der Simplonlinie und der 1923 eröffneten Verbindung Locarno-Domodossola täglich viele Grenzgänger pendeln. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfuhr das Tal rasche wirtschaftliche und demografische Veränderungen; die Entvölkerung der Berggebiete und die Zuwanderung aus Süditalien führten zum Wachstum der städtischen Zentren im Talgrund. Zur herkömmlichen Landwirtschaft und zur Metall- und Chemieindustrie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts dank der leichten Verfügbarkeit von elektrischer Energie entstanden war, gesellten sich Handel und Tourismus, die sich schon aufgrund der natürlichen Gegebenheiten der Region aufdrängen.