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Tirano

Die Stadt Tirano (romanisch Tiraun) liegt in der italienischen Provinz Sondrio und hatte 2010 9238 Einwohner.

Im 12. Jahrhundert war sie eine freie Gemeinde, die später den Capitanei von Stazzona, welche die Burg Piattamala am Eingang zum Puschlav errichten liessen, dann Como unterstand. Mit dem Übergang an Mailand unter der Herrschaft der Visconti wurde Tirano 1335 Gerichtsort des oberen Terziers. 1487 erfolgte die Erstürmung Tiranos durch die Bündner, die vermutlich die alte Burg Dosso zerstörten. Ludovico Sforza liess den Ort mit einer Ringmauer (nach Plänen Giovanni Francesco Sanseverinos) und der neuen Burg St. Maria befestigen, die 1512 mit der Besetzung durch die Bündner im Zug der Einsitznahme im Veltlin zu grossen Teilen zerstört wurden. Reste der Stadttore Porta Poschiavina, Bormina und Milanese sind noch vorhanden. Die Bündner setzten in Tirano einen Podestaten ein. Auf einer Anhöhe am Ausgang des Puschlavs liegt die romanische Kirche Santa Perpetua am alten Fuss- und Saumweg nach Brusio und weiter zum Berninapass (im Mittelalter war eine Herberge, ein Xenodochium, angegliedert). Die Kirche war ein Wallfahrtsort und eine Zwillingsstiftung zu San Remigio oberhalb von Brusio. Östlich davon wurde nach Wundererscheinungen der Jungfrau Maria zwischen 1505 und 1528 die Wallfahrtskirche Madonna di Tirano erbaut. In deren Nähe richteten die Drei Bünde 1514 den Vieh- und Warenmarkt von Tirano ein (jeweils am 29. September, an San Michele, während 14 Tagen). Im 16. Jahrhundert entwickelte sich Tirano zu einem Zentrum des Warenumschlags und Austauschs von Ideen und bildete einen Knotenpunkt im Handelsverkehr zwischen Bünden und Venedig sowie Bormio und Mailand. Mit ca. 5000 Einwohnern um 1589 wies es im Veltlin die höchste Bevölkerungszahl aus. Im 16. Jahrhundert entstand auch die reformierte Kirchgemeinde, zum Teil unter dem Einfluss italienischer Glaubensflüchtlinge (Giulio di Milano), die ihren Kult mit eigenem Pfarrer in der inzwischen abgegangenen Kirche Santa Maria feierte. 1597 fand eine öffentliche theologische Disputation zwischen Vertretern beider Konfessionen statt. Im Zug des Veltliner Mords wurden 60 Protestanten in Tirano ermordet und die Stadt besetzt. 1635-1636 machte der Herzog von Rohan sie bei seinem berühmten Alpenfeldzug zum Hauptquartier. Die zweite Phase der Bündner Herrschaft dauerte 1639-1797. Tirano blieb ein bedeutender Ort an der Bündner Handelsroute Bernina-Tirano-Aprica-Brescia-Venedig. 1797 schloss es sich mit dem Veltlin der Cisalpinischen Republik an. Im 19. Jahrhundert erwarben Bündner Weinhandelsfirmen Rebgrundbesitz in der Umgebung von Tirano 1910 erhielt die Berninalinie der Rhätischen Bahn Anschluss ans italienische Eisenbahnnetz.

Quellen und Literatur

  • E. Pedrotti, Gli xenodochi di San Remigio e di Santa Perpetua, 1957
  • M. Gianasso, Guida turistica della provincia di Sondrio, 1979
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Tirano", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.10.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007127/2012-10-17/, konsultiert am 08.12.2024.