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Münchenstein

Sicht aus der Vogelperspektive auf Schloss und Flecken Münchenstein. Aquarell von Albrecht Kauw nach einer Vorlage des Basler Kartografen Georg Friedrich Meyer, 1670 (Bernisches Historisches Museum).
Sicht aus der Vogelperspektive auf Schloss und Flecken Münchenstein. Aquarell von Albrecht Kauw nach einer Vorlage des Basler Kartografen Georg Friedrich Meyer, 1670 (Bernisches Historisches Museum). […]

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Arlesheim. Ehemaliges Basler Amt. Wohn- und Industriegemeinde der Agglomeration Basel im unteren Birstal. 1196 Kekingen, 1270 Geckingen, 1279 Munchenstein. 1497 100 Einwohner; 1699 276; 1774 298; 1815 408; 1850 955; 1900 1988; 1950 6033; 2000 11'702.

Ur- und frühgeschichtliche Bodenfunde weisen auf eine frühe Besiedlung der Anhöhen auf beiden Seiten der Birs hin. Im Grenzgebiet von Münchenstein und Reinach wird ein römischer Gutshof vermutet, im Ruchfeld wurden frühmittelalterliche Gräber mit Beigaben entdeckt. Das Rittergeschlecht der Münch von Basel besass wahrscheinlich bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über das Dorf, das vorerst ihr Eigengut war. Vermutlich war es Ritter Hugo III., der den Familienzweig der Münch von Münchenstein begründete und zwischen 1260 und 1275 auf dem Felsen oberhalb der Siedlung die Burg Münchenstein baute, die der Herrschaft den Namen gab. Später wurde das Dorf mit einer Ringmauer befestigt. Bis ins 17. Jahrhundert wuchs Münchenstein nicht über die Mauer hinaus. Um 1270 kam die Burg an die Grafen von Pfirt, die sie den Münch von Münchenstein als Lehen ausgaben. Nach dem Aussterben der Pfirt 1324 fiel die Lehenshoheit erbweise an Habsburg-Österreich, von dem sich die Münch von Münchenstein bis um 1500 das Lehen erneuern liessen. Sie verpfändeten (1470) bzw. verkauften (1515) die Herrschaft an die Stadt Basel, die die Herrschaft in ein Amt umwandelte; die Burg war bis 1798 Sitz des Landvogts. Danach wurde sie stufenweise abgebrochen. Das Amt umfasste ausser Münchenstein die Dörfer Benken, Biel, Binningen, Bottmingen, Muttenz und Pratteln.

Die Pfarrkirche St. Bartholomäus wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts oder Anfang des 15. Jahrhunderts an Stelle eines Vorgängerbaus aus dem 11. oder 12. Jahrhundert erstellt. 1612-1613 wurde der Turm errichtet und 1857 das Kirchenschiff verlängert. Das Patronatsrecht der zu den sogenannten Sieben freien Dörfern (Vagantes extra civitatem Basiliensem) gehörenden Pfarrkirche besass ab 1196 das Domkapitel Basel und nach 1334 die Familie Münch, die 1402 darauf verzichtete. 1455-1491 hielt Konrad Münch die Pfarrkirche als Lehen inne, anschliessend kam sie wieder ans Domkapitel und 1529 an die Stadt Basel. Münchenstein wurde 1529 reformiert. Die im Banne Basels liegende Häusergruppe St. Jakob mit der gleichnamigen Kapelle gehörte zeitweise zur Pfarrei Münchenstein (1529-1542, 1559-1582, 1601-1833). 1907 wurde die katholische Pfarrei gegründet und 1932 die katholische Kirche St. Franz Xaver gebaut. 2003 erfolgte die Weihe der griechisch-orthodoxen Kirche.

Von der wirtschaftlichen Bedeutung des Rebbaus zeugt die 1470 als Neubau erwähnte und 1560 umgebaute Zehntentrotte (heute Bürgerratssaal und Museum). Fischerei, Korbflechterei und Wannenmacherei waren verbreitet, ausserdem wurde eine Gipsgrube ausgebeutet. Der im Hochmittelalter von der Birs abgeleitete Gewerbekanal St.-Alban-Teich diente vorerst den Betrieben des Basler St.-Alban-Quartiers, er begünstigte indes auch auf Münchensteiner Boden die Ansiedlung von Gewerbe (1660 Hammerschmiede mit Drahtzug und Kupferhammer). Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich die kleine Industriesiedlung Neuewelt (1822 Baumwollspinnerei F. Sarasin & Heusler, 1904 Zuckerwarenfabrik André Klein) am Kanal.

In der Helvetik gehörte das Amt Münchenstein zum Distrikt Basel, 1803-1832 zählte Münchenstein zum Unteren Bezirk und 1832 kam es zum Bezirk Arlesheim im neuen Kanton Basel-Landschaft. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke Basel-Delsberg 1875 entstanden im Umkreis der Bahnstation Münchenstein zahlreiche Fabriken (1870 Portlandcementfabrik Brentano und Co., 1897 von der Portlandcementfabrik Laufen übernommen, 1938 abgebrochen; 1894 Fabrik R. Alioth & Cie. von Basel nach Münchenstein verlegt, 1895 Elektrizitätsgesellschaft Alioth AG, 1911 Fusion mit der BBC, 1990 Stilllegung; 1897 Elektra Birseck, die den Strom zuerst von Alioth AG bezog; 1899 Seifen und chemisch-technische Produkte der Gebrüder van Baerle) sowie um das Schlösschen Gstad (1541 erstmals erwähnt, 1663 zum Landgut ausgebaut) die erste grössere Überbauung. 1902 wurde die Trambahn Basel-Arlesheim (Birseckbahn) durch das neue, südlich des Bahnhofs, zwischen Bahnlinie und Birs gelegene Industriequartier gebaut. Dieses Gebiet konnte erst nach der 1875 abgeschlossenen Birskorrektion gefahrlos besiedelt werden. Entlang der Birseckbahn und der 1907 aufgenommenen Linie Basel-Aesch dehnte sich Münchenstein weiter in Richtung Basel aus (z.B. Quartier Ruchfeld). Der Schwerpunkt des Dorfs verschob sich vom alten Kern bei der Burg in die Birsebene hinunter ans linke Flussufer (1879 Schulhaus Neuewelt, Überbauung Auf der Loog). Im Ortsteil Neu-Münchenstein entstanden die Wohnsiedlungen Gartenstadt (1913) und Wasserhaus (1922). Überschattet wurde die günstige Entwicklung Münchensteins durch das schwere Eisenbahnunglück vom 14. Juni 1891, als die von Gustave Eiffel erbaute Birsbrücke barst und 73 Menschen in den Tod riss. Die Basler Familie Zaeslin, die beim Unglück zwei Söhne verloren hatte, stellte 1892 das Landgut Hofmatt zur Errichtung einer Erholungsstation für Männer zur Verfügung (heute Alters- und Pflegeheim).

Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die industrielle Entwicklung Münchensteins durch die Ansiedlung weiterer Unternehmen (1918 Aluminium Press- und Walzwerke, 2006 eingestellt; 1922 Blechwarenfabrik Ernst Müller AG; 1922 Zollfreilager der Stadt Basel) neue Impulse. 1921 verlegte die bis ins späte 16. Jahrhundert zurückverfolgbare Haas'sche Schriftgiesserei ihren Betrieb nach Münchenstein (1989 Walter Fruttiger AG). 1958 schlossen sich Vertreter lokaler Firmen zur Industrie-Vereinigung Münchenstein zusammen. 1972 liess sich die Zentrale des Modehauses Spengler in Münchenstein nieder, 1977 die Verteilzentrale der Migros Basel und 1983 die Beiersdorf AG. Seit 1990 ist die Pendlerbilanz leicht positiv (2000 4059 Wegpendler, 4876 Zupendler). Zwischen 1950 und 1960 erlebte Münchenstein einen rasanten Bevölkerungsanstieg, was die Überbauung der Rebhänge und ein weitere Ausdehnung des Dorfs gegen Basel hin zur Folge hatte. 1964 wurde in Münchenstein das zweite kantonale Gymnasium von Baselland eröffnet. Die 1968 gegründete gemeinnützige Botanische Garten AG Basel realisierte 1980 auf dem Areal der Christoph-Merian-Stiftung einen botanischen Garten. Christoph Merian hatte in der Brüglinger Ebene ausgedehnte Ländereien besessen und auf dem teilweise arg verwilderten Gebiet eine Melioration durchgeführt. Ebenfalls in der Brüglinger Ebene entstanden 1932-1937 Sportplätze und ein Leichtathletikstadion für den Kanton Basel-Landschaft, 1955 ein Gartenbad und 1975 die Sporthalle St. Jakob. Auf dem Gelände der 1980 durchgeführten 2. Schweizerischen Ausstellung für Garten- und Landschaftsbau, der Grün 80, wurde ein Natur- und Kulturpark eingerichtet. In Münchenstein befinden sich ein Elektrizitätsmuseum, das 2001-2003 von Jacques Herzog und Pierre de Meuron erbaute Schaulager, in dem die nicht ausgestellten Werke der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung aufbewahrt werden, ein Mühlenmuseum, ein Froschmuseum und eine Kutschen- und Schlittensammlung. Die 1918 gebildete Bürgergemeinde ist grösste Grundbesitzerin in Münchenstein (v.a. Wald). Sie unterhält einen aus der Umwandlung des Bürgernutzens entstandenen Bildungs- und Kulturfonds und bewirtschaftet seit 2002 einen neu angelegten Rebberg.

Quellen und Literatur

  • Kdm BL 1, 1969, 276-320
  • E. Murbach, Münchenstein, 1975
  • Münchensteiner Mosaik, hg. von B. Huggel et al. [1982-83]
  • Münchenstein Heimatkunde, 2 Bde., 1995
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Brigitta Strub: "Münchenstein", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.01.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007558/2009-01-22/, konsultiert am 18.03.2024.