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Werdenberg

Ansicht von Städtchen und Schloss Werdenberg von Osten. Öl auf Leinwand von Carl Friedrich Seiffert, um 1850 (Privatsammlung).
Ansicht von Städtchen und Schloss Werdenberg von Osten. Öl auf Leinwand von Carl Friedrich Seiffert, um 1850 (Privatsammlung). […]

Städtchen in der politischen Gemeinde Grabs SG, ehemaliger Bezirk seit 2002 Region im Kanton St. Gallen, an der Grenze zum Fürstentum Liechtenstein. Die Region erstreckt sich von der Rheinebene über das Hügelland bis zur Alp- und Felsregion entlang der Linie vom Gonzen bis zum Hohen Kasten. Zwei Drittel der Fläche sind Berggebiet. 1289 wird Werdenberg erstmals als Stadt bezeichnet. Das in seiner mittelalterlichen Bauweise weitgehend erhaltene Städtchen war zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit seinen rund 90 Einwohnern die kleinste Stadt der Schweiz. 1259 Werdenberch. Bezirk: 1831 12'505 Einwohner; 1850 13'629; 1900 18'204; 1950 20'280; 2000 33'004.

Unter den prähistorischen Siedlungsspuren ist die gut erforschte Fundstätte auf dem Ochsenberg bei Wartau mit Zeugnissen vom Neolithikum bis ins Frühmittelalter hervorzuheben. Die ursprünglich romanische Bevölkerung wurde durch die alemannische Einwanderung im Frühmittelalter allmählich zurückgedrängt. Im frühen 14. Jahrhundert siedelten sich Walser auf der Alp Palfries (Wartau) an. Die 1289 erwähnte Burg Werdenberg auf einem Geländevorsprung über dem gleichnamigen Städtchen wurde unter den Grafen von Montfort ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts etappenweise zu einem Herrschaftszentrum auf- und ausgebaut. Deren Nachkommen, die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg, waren im Spätmittelalter die Landesherren. Die Grafschaft Werdenberg umfasste neben dem Städtchen Werdenberg die Dörfer Grabs, Buchs und Sevelen. 1402 verpfändete Rudolf II. von Werdenberg-Heiligenberg die Herrschaft an die Grafen von Montfort-Tettnang, die sie 1482 an die Grafen von Sax-Misox verkauften. 1485 kam sie an Luzern, 1493 an die Freiherren von Castelwart und 1498 an die Herren von Hewen. 1517 erwarb Glarus die stark verschuldete Grafschaft für 21'500 rheinische Gulden und verwaltete sie bis 1798 als Landvogtei. Die Landvögte mit dreijähriger Amtszeit residierten auf Schloss Werdenberg. Das Amt war käuflich, bis die Glarner Landsgemeinde 1638 die Loswahl unter acht Bewerbern einführte. Von da an waren sämtliche Landvögte reformiert. Der Wahlsieger hatte die sogenannte Auflage zu entrichten, d.h. er musste Zahlungen an alle Landsgemeindeteilnehmer leisten und einen silbernen Amtsbecher für den Staatsschatz stiften. Dafür standen dem Landvogt, kontrolliert vom Glarner Rat, die Einkünfte aus der Vogtei zu. Die Kontinuität sicherten die Landschreiber, Landweibel und Läufer, deren Ämter Glarner innehatten. Die Herrschaft stützte sich auch auf die dörfliche Oberschicht. Die Werdenberger hatten im Ammann einen eigenen Vertreter. In der Reformation 1525 und im Werdenberger Landhandel 1719-1722 schlug Glarus die Unruhen im Land mit Gewalt nieder.

Kirchlich gehörte das Städtchen zu Grabs, wo im Frühmittelalter eine christliche Gemeinde aus der Römerzeit überlebt hatte. 1526 führte Landvogt Jost Tschudi die Reformation ein. Die Pfarrer waren meist Glarner. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand auch in Werdenberg eine Freiheitsbewegung, deren Haupt der Arzt Marx Vetsch war. Im Frühjahr 1798 wurde die Landvogtei von den eidgenössischen Ständen in die Freiheit entlassen. In jener Kriegszeit litt Werdenberg grosse Not. Nur drei Monate lang bestand die Republik Neu-Werdenberg. In der von den Werdenbergern akzeptierten Helvetischen Republik wurde Werdenberg zum Leidwesen seiner Bevölkerung, die gerne einem neu zu schaffenden Kanton Sargans angehört hätte, dem Kanton Linth zugeteilt, dessen Hauptort ausgerechnet Glarus war. 1803 erfolgte die Eingliederung in den neuen Kanton St. Gallen und in dessen Bezirk Sargans, das Städtchen wurde der Gemeinde Grabs zugeteilt. Ab 1831 bildete Werdenberg, erweitert um die ehemalige Landvogtei Sax-Forstegg sowie das katholische Gams und Wartau, einen eigenen Bezirk. Dieser umfasste die Gemeinden Buchs, Gams, Grabs, Sennwald, Sevelen sowie Wartau und bildet seit 2002 die Region Werdenberg. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lebte mehr als die Hälfte der Einwohner in den Gemeinden Buchs und Grabs. Buchs ist ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt und Standort von grossen Transportunternehmen und regionalen Bildungsanstalten.

Der Haupterwerbszweig der Region vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert waren Viehzucht und Alpwirtschaft. An Märkten wurde Vieh in andere Kantone und nach Italien verkauft. Die Viehhändler waren nicht Werdenberger, sondern meist Glarner oder Italiener. Zur Viehzucht kam in der frühen Neuzeit die Stickerei und ab dem 18. Jahrhundert die Baumwollspinnerei. Zahlreiche Werdenberger standen im ausländischen Solddienst, wobei die Glarner die Werbung kontrollierten. Im 19. Jahrhundert wanderten viele Bewohner vor allem in die USA aus. Der durch das Tobel der Simmi führende alte Weg ins oberste Toggenburg wurde 1829-1833 zur Fahrstrasse ausgebaut. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielt die Industrie Einzug. 1858 wurde die Eisenbahnlinie Rorschach-Chur eröffnet, 1872 die grenzüberschreitende Strecke von Buchs über Schaan nach Feldkirch. Verheerende Rheinüberschwemmungen, zum Beispiel 1788-1789 und 1868, führten im 19. Jahrhundert zum grossen Meliorationswerk, dessen Kernelement der 1882-1886 angelegte Werdenberger Binnenkanal war. Im 20. Jahrhundert suchten die Werdenberger Gemeinden die regionale Zusammenarbeit. So wurde 1907 das regionale Krankenhaus Grabs eingerichtet (ab 1911 kantonal) und ab 1960 in Buchs die regionale Kehrichtverbrennungsanlage aufgebaut (Fürstentum Liechtenstein, Werdenberg, Rheintal, Sargans, Obertoggenburg). Verschiedene Hightech-Unternehmen, zum Beispiel der Maschinenindustrie, Hersteller von Präzisionsinstrumenten und Zulieferer für die Autoindustrie waren zu Beginn des 21. Jahrhunderts wichtige Arbeitgeber. Das 1835 von der Familie Hilty erworbene Schloss Werdenberg schenkte Frieda Hilty 1956 dem Kanton St. Gallen, der darin 1981-1982 ein Rheinmuseum und eine kantonale Waffensammlung einrichtete. Seit 2007 wird das Schloss als Kulturzentrum genutzt, in dem unter anderem die Schlossfestspiele stattfinden. Das Städtchen Werdenberg beherbergt seit 1998 das Regionalmuseum Schlangenhaus.

Quellen und Literatur

  • B. Anderes, Werdenberg: Schloss und Städtchen, 1983
  • H. Schneider, W. Meyer, Burgen der Schweiz 6, 1983, 57-59
  • D. Schindler, «Werdenberg als Glarner Landvogtei», in St. Galler Kultur und Gesch. 15, 1986, 139-342
  • Werdenberger Jb., 1988-
  • W. Hagmann, Krisen- und Kriegsjahre im Werdenberg, 2001
  • SGGesch. 2, 126; 3, 71 f., 86 f.
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Lorenz Hollenstein: "Werdenberg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007646/2013-10-03/, konsultiert am 19.03.2024.