Ab 1445 appenzellische Vogtei, 1490-1798 gemeine Herrschaft der Eidgenossenschaft, 1803-1831 Bezirk im Kanton St. Gallen, ab 2003 Region im Nordosten des Kantons. Die Region Rheintal erstreckt sich zwischen der Gemeinde Rorschacherberg, den beiden Appenzell, der Region Werdenberg und dem Rhein, der es vom österreichischen Vorarlberg trennt, wobei die Grenze zwischen Kriessern (Gemeinde Oberriet) und Heerbrugg (Gemeinde Au) sowie unterhalb von St. Margrethen dem Alten Rhein folgt. Mit Ausnahme von Thal, das zur Region Rorschach kam, wurden mit der kantonalen Verwaltungsreform 2003 alle 13 Gemeinden der aufgehobenen Bezirke Unterrheintal (Rheineck, St. Margrethen, Berneck, Au, Balgach, Widnau, Diepoldsau) bzw. Oberrheintal (Rebstein, Marbach, Altstätten, Eichberg, Oberriet, Rüthi) der Region Rheintal zugeordnet. Geografisch umfasst das Rheintal zusätzlich zur historisch-politischen Gebietskörperschaft den übrigen Raum rechts und links des Alpenrheins. 891 in pago Ringouve, 1291 in Rintal. 1796 22'006 Einwohner; 1837 27'046; 1850 27'412; 1900 34'907; 1910 41'857; 1950 44'553; 2000 67'640.
Durch seine geografische Ausrichtung auf die Bündner Pässe ist das Rheintal seit jeher ein Durchgangsland zwischen Nord und Süd. Im Hirschensprung (Gemeinde Rüthi SG) ist eine neolithische Grabstätte nachgewiesen, auf dem Montlingerberg befindet sich eine reiche vorrömische Fundstätte. Römische Münzschätze kamen in Balgach und Oberriet zu Tage. Ganz im Norden durchquerte die Römerstrasse Arbon-Bregenz das Rheintal. Während die römische Hauptstrasse nach Süden rechtsrheinisch durch Vorarlberg führte, ist anzunehmen, dass linksrheinisch eine Nebenstrasse verlief. Das Gebiet gehörte zur römischen Provinz Rätien bzw. zur spätantiken Raetia prima. Im 7. und 8. Jahrhundert erfolgte die Landnahme durch die Alemannen.
Urkunden aus der Karolingerzeit enthalten die ältesten Ortsnennungen und dokumentieren die frühesten Besitzungen des Klosters St. Gallen im nördlichen Rheintal rechts und links des Flusses. Bis zu ihrem Untergang 1805 war die Abtei bedeutendste, wenn auch nicht alleinige Grundherrin zu beiden Seiten des Rheins, der lange auch kirchlich keine Grenze bildete. Im Mittelalter gehörte die Region zu verschiedenen Rechtseinheiten, so zum Hof Höchst, zur Vogtei Rheineck, zu den Reichshöfen Lustenau und Kriessern, zum Hof Rüthi sowie zur Vogtei Rheintal, die ungefähr das Gebiet der späteren Gemeinden Berneck, Balgach, Rebstein, Marbach und Altstätten umfasste. Im 14. Jahrhundert erlangten die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg die Landesherrschaft über den Grossteil des Rheintals, um 1400 wurden sie durch die Grafen von Habsburg-Österreich abgelöst, gefolgt vom kurzlebigen Bund ob dem See und 1417-1436 von Graf Friedrich VII. von Toggenburg. 1445-1460 nahmen die Appenzeller das Rheintal in Besitz und liessen es bis 1489 durch den sogenannten Vogt zu Rheineck und im Rheintal verwalten.
Nach dem Rorschacher Klosterbruch 1489 mussten die Appenzeller das Rheintal 1490 an die eidgenössischen Schirmorte (Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus) der Fürstabtei St. Gallen abtreten. Diese verwalteten es bis 1798 als gemeine Herrschaft mit Hauptort Rheineck, an der ab 1491 Uri, Unterwalden und Zug, ab 1500 Appenzell und ab 1712 auch Bern beteiligt waren. Die Bestellung des Landvogts, der die hohe Gerichtsbarkeit ausübte und das Militärwesen unter sich hatte, erfolgte im Zweijahresturnus. Ihm zur Seite standen der Landschreiber und in den Gemeinden ein Landvogtsammann. Als grösster Grundherr und wichtigster Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit hatte auch der Fürstabt von St. Gallen im Rheintal seine Oberbeamten, so den Obervogt zu Rosenberg in Berneck – in Gemeindeangelegenheiten unterstützt durch den Hofammann –, den Obervogt zu Blatten in Oberriet und den Gerichtsammann zu Altstätten. Trotz der Konkurrenz zur Fürstabtei gelang den Eidgenossen die territoriale Konsolidierung, und der Rhein wurde allmählich Landesgrenze zu habsburgisch Österreich.
Während der Helvetischen Revolution 1798 bildete sich mit der sogenannten Freien Landschaft Rheintal ein kurzlebiges unabhängiges Staatswesen. 1798-1803 gehörte das Rheintal zum Kanton Säntis, unterteilt in die Distrikte Unterrheinthal mit dem Hauptort Rheineck und Oberrheintal mit dem Hauptort Altstätten. Rüthi und die heutige Altstätter Exklave Lienz ganz im Süden wurden dem Kanton Linth zugeteilt. Im neu gegründeten Kanton St. Gallen bildete das gesamte Rheintal 1803-1831 einen Distrikt mit dem Hauptort Altstätten. 1831-2002 galt wieder die ältere Zweiteilung.
Die Anfänge der Christianisierung reichen in die Römerzeit zurück. Erste Kirchenbauten in Marbach, Montlingen und Thal verweisen ins Frühmittelalter. Der Monstein bei Au markierte die Bistumsgrenze zwischen Konstanz und Chur. Ausser in Montlingen und Oberriet setzte sich 1529 die Reformation durch, 1531 erfolgte eine begrenzte Rekatholisierung. Fortan gab es ein Nebeneinander von paritätischen und, vor allem im Oberrheintal, katholischen Gemeinden. Die Koexistenz beider Konfessionen war bis ins 20. Jahrhundert Grund für zahlreiche Konflikte.
In der Frühneuzeit wurde in den Dörfern der Rheinebene vor allem Ackerbau und Viehwirtschaft betrieben, am Bergfuss auch Handwerk, Gewerbe und Rebbau. Rechtliche Grundlage für den im Rheintal – in geringerem Ausmass bis ins 21. Jahrhundert – wichtigen Weinbau war während Jahrhunderten der Rebbrief von 1471. Der grösste Teil der Rebflächen gehörte der Fürstabtei St. Gallen, dem St. Galler Heiliggeistspital sowie Bürgern der Stadt. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts erlebte die Leinwandproduktion auf Kosten der Stadt St. Gallen einen Aufschwung. Mit dem Leinwandhandel erwarben die Rheintaler Familien Heer und Custer grosse Vermögen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam die Baumwollspinnerei und Baumwollweberei auf. 1750-1960 spielte der Torfabbau eine Rolle. Ab 1860 verbreitete sich die Handmaschinenstickerei in Heimarbeit. Mit dem Aufkommen der Schifflistickmaschinen ab 1890 in Fabriken und bei Stickerfamilien erlebte die Stickereiindustrie einen Boom, von dem vor allem die am Rhein liegenden Gemeinden profitierten. Ihr Niedergang nach 1920 traf das Rheintal empfindlich.
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts führten in der ganzen Region neun Fähren über den Rhein. Ab 1867 entstanden zwischen Monstein (Gemeinde Au) und Lustenau zehn Holzbrücken, die später durch moderne Brücken für Strasse und Schiene ersetzt wurden. 1858 wurde die Bahnlinie Rorschach-Chur eröffnet, die 1872 in St. Margrethen Anschluss an das internationale Bahnnetz erhielt. 1896 bzw. 1911 folgten die Bahnstrecken Rheineck-Walzenhausen und Altstätten-Gais. Mit der Erhöhung der Alpenrheinsohle durch Geschiebeablagerungen hatten vor allem im 19. Jahrhundert die Zahl der Überschwemmungen und – mit zunehmender Bevölkerungsdichte – auch die Anzahl Bewohner, die in flutgefährdeten Gebieten lebten, zugenommen und die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt. Dagegen vermochten der Eisenbahnbau und die Gewinnung von Kulturland dank der 1892, 1924 und 1954 mit Österreich vertraglich vereinbarten internationalen Rheinregulierung sowie die Melioration der Rheinebene 1942-1960 das Wirtschaftspotenzial des Rheintals allmählich zu stärken.
Die Ansiedlung neuer Industrien in den 1920er Jahren (1921 Optik-Firma Wild AG in Heerbrugg, 1923 Jansen AG in Oberriet, 1924 Viscose in Widnau, 1926-1927 Bau des Flugplatzes und Betriebsaufnahme der 1924 gegründeten Dornier-Werke Altenrhein) brachte erst nach dem Zweiten Weltkrieg einen nachhaltigen Aufschwung, vor allem des Maschinen-, Metall-, und Apparatebaus, aber auch der Intensivproduktion von Gemüse. 2000 bot der exportorientierte 2. Sektor mit 49% rund doppelt so viele Arbeitsplätze wie im schweizerischen Durchschnitt. 2003 betrug der Zupendleranteil 24%, davon waren mehr als zwei Drittel Grenzgänger aus dem Vorarlberg. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war das Rheintal Sitz oder wichtiger Standort international tätiger Grossunternehmen.