
Im allgemeinen Verständnis sind Vorstädte Siedlungen mit meist ländlicher Bebauungsstruktur in Randlage zur Kernstadt (Stadt). Die mittelalterlichen Vorstädte entwickelten sich ausserhalb der Stadtbefestigung. Sie entstanden an Ausfallstrassen, vor allem an Fernhandelswegen oder als Brückenkopfsiedlungen an Flussübergängen (z.B. in Basel, Genf, Luzern, Solothurn, Stein am Rhein). Ab einer gewissen Grösse wurden die zum Teil selbst befestigten Vorstädte durch Erweiterung der Stadtmauer als neue Quartiere in das Stadtgebiet einbezogen. Stadtausbau durch Vorstädte erfolgte mit dem Bevölkerungsanstieg ab dem 12. Jahrhundert in einzelnen individuell begründeten Wachstumsschüben. Die grösste Stadt der alten Eidgenossenschaft, Basel, fasste in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts fünf ältere Vorstädte (St. Alban, St. Johann, Steinen, Spalen, Aeschen) und eine eben entstandene Vorstadt (Neue Vorstadt) in einen neuen Befestigungsring ein. Für das 14. und 15. Jahrhundert lässt sich auch in Kleinstädten (etwa Bischofszell, Frauenfeld, Neuenburg) die Bildung von Vorstädten nachweisen.
Die Entwicklung der Vorstädte vollzog sich in Relation zur Verkehrslage und zum Wachstum der Stadt. Die Vorstädte waren vielfach gekennzeichnet durch landwirtschaftliche Nutzflächen und Bauten (Baum- und Rebgärten, Weiden, Scheunen, Ställe, Lager- und Speicherräume). In den Vorstädten wurden aber auch emmissionsreiche und feuergefährliche Gewerbe wie Gerbereien, Bleichen und Färbereien angesiedelt. Geprägt waren die Vorstädte ferner durch dem Verkehr dienende Handwerksbetriebe wie Schmieden und Wagnereien sowie durch Mühlen, für deren Wasserversorgung zum Teil eigens Gewerbekanäle angelegt wurden (Frauenfeld). Zur typischen Vorstadtbebauung gehörten auch Klöster, Stifte, Kirchen, Spitäler und Siechenhäuser mit kirchlicher oder städtischer Trägerschaft sowie Herbergen. Die Bewohner der Vorstädte besassen einen geringeren Rechtsstatus als die Bürger der Kernstadt. Besondere Privilegien konnten ihre rechtliche Stellung aufwerten. Erst mit der Einbeziehung in das Stadtgebiet durch die Erweiterung der Stadtbefestigung erfolgte in der Regel eine rechtliche Gleichstellung der Bewohner der Vorstädte mit den Bürgern der Stadt.
Die Quellen geben meist wenig Aufschluss über die Sozialstruktur der Vorstädte. Es wird davon ausgegangen, dass diese vor allem Zuzüger aus der ländlichen Umgebung aufnahmen. Über Besitz in den Vorstädten verfügten auch die Stadtbürger. In grösseren Vorstädten bildeten sich im Spätmittelalter eigenständige Verwaltungsorgane aus. Vorstadtgesellschaften nahmen militärische und polizeiliche Funktionen wahr, etwa Wachdienste sowie die Brunnen-, Strassen- und Feuerschau. Zuweilen besassen sie auch niedergerichtliche Kompetenzen.
Mit der Gleichstellung von Stadt und Land und dem Abriss der Stadtbefestigungen ab Ende des 18. Jahrhunderts wie auch mit dem raschen Flächenwachstum der grösseren Städte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat der Begriff Vorstädte seine ursprüngliche Bedeutung verloren. Er wird dennoch für peripher zum Stadtzentrum gelegene Siedlungen und Stadtteile verwendet, die durch besondere, halbstädtische Bebauungsstruktur, Lebensformen und Mentalität gekennzeichnet sind (Agglomeration). In einigen städtebaulichen Konzeptionen ist die Lebenswelt der Vorstädte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Ausgangspunkt für Lösungsvorschläge zur Bewältigung aktueller Grossstadtprobleme (Städtebau). Adaptionen der Gartenstadtbewegung wie die Siedlung Hirzbrunnen in Basel (1920-1929) können vor diesem Hintergrund als moderne Vorstadtplanung verstanden werden. Ebenso sind bauliche und gesellschaftliche Implikationen des modernen Vorstadtbegriffs beim Ausbau alter Siedlungszentren im Umland schweizerischer Grossstädte in der Nachkriegszeit umgesetzt worden.