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Brücken

Die frühesten Zeugnisse von Brücken reichen in die keltische Zeit zurück. Im Raum zwischen Neuenburger-, Murten- und Bielersee wurden Spuren mehrerer latènezeitlicher Brücken entdeckt, welche die Verbindung über Broye und Zihl zwischen den einzelnen Siedlungen herstellten. Es handelte sich dabei um Holzjochbrücken einfachster Konstruktion.

Römische Epoche

58 v.Chr. berichtete Caesar von einer Brücke in Genf. Unter den Römern erlebte der Brückenbau einen Aufschwung. Das von ihnen erstellte Militär- und Handelsstrassennetz (Strassen, Verkehrswege) und der Landesausbau liessen viele Brücken entstehen, zum Beispiel entlang des Rheins in Augusta Raurica, Tenedo (Zurzach) und Tasgetium (Stein am Rhein). Spuren einer spätantiken Brücke finden sich in Genf. Soweit archäologische Kenntnisse vorhanden sind, waren die römischen Brücken in der heutigen Schweiz aus Holz, die Pfeiler und Widerlager bisweilen gemauert. Sie dürften alle noch im Frühmittelalter abgegangen sein. Keine der bestehenden «Römerbrücken» stammt nachweislich aus der Spätantike. Möglicherweise verbergen sich aber in Pfeilern und Widerlagern einzelner mittelalterlicher Brücken Reste von «Römerbrücken» (z.B. in Saint-Maurice).

Mittelalter und frühe Neuzeit

Bautechnik

Im Frühmittelalter waren zur Überbrückung von Wasserläufen Fähren und Furten verbreitet. Im 11.-12. Jahrhundert setzte die grosse Zeit des mittelalterlichen Brückenschlages ein, die 1358 mit dem Bau der Seebrücke von Rapperswil nach Hurden ihren Abschluss fand. Die folgenden Jahrhunderte brachten nur wenige grosse Neubauten. Die mittelalterlichen Brücken waren vorerst Holzbrücken. Bis Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten sie sich von der einfachen Holzjochbrücke mit nur kleinen Öffnungen (z.B. um 1300 Kapellbrücke in Luzern) zu Spreng-, Hängwerk- und Holzbogenbrücken mit Spannweiten bis über 60 m (z.B. 1766 Limmatbrücke in Wettingen von Hans Ulrich Grubenmann, 1799 zerstört). Nebst tal- und flussüberquerenden Brücken gab es hölzerne, den Felswänden entlang führende Stege, deren Konstruktionsweise den Suonen im Wallis glich (z.B. Twärrenbrücke in der Schöllenen). Exponierte und unterhaltsintensive Holzstege wurden bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Tunnels ersetzt (z.B. 1707-1708 Urnerloch in der Schöllenen). Besondere Bedeutung kam auch den Zugbrücken über Burggräben und Schifffahrtsstrassen oder bei städtischen Befestigungsanlagen zu. Vom 15. Jahrhundert an wurden teilweise die Holzpfeiler oder ganze Brücken durch Stein ersetzt. Die Bauart der neuen Steinbrücke wich von der streng geometrischen Form römischer Viadukte ab, ihre Bögen waren von unterschiedlicher Weite, der Scheitel oft nicht in der Mitte und die Fahrbahn selten geradlinig.

Wirtschaft, Recht, Architekturelemente

Die St.-Jakobs-Brücke über die Sihl, wie sie im Juli 1562 von Wasserfluten mitgerissen wird. Illustration aus der Chronik von Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 14, Fol. 215r).
Die St.-Jakobs-Brücke über die Sihl, wie sie im Juli 1562 von Wasserfluten mitgerissen wird. Illustration aus der Chronik von Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 14, Fol. 215r).

Brücken schlossen Lücken im überregionalen Verkehrsnetz und entstanden somit aus einem praktischen Bauzwang heraus. Die Brückenschläge in Basel zwischen 1225 und 1250 sowie in der Schöllenen im frühen 13. Jahrhundert waren bedeutsam für die Gotthardroute. Da der mittelalterliche Verkehr die Wasserwege bevorzugte, führten jedoch häufiger lokale oder regionale Bedürfnisse zum Brückenbau. Ihr Einfluss auf die Siedlungsentwicklung und das mittelalterliche Strassen- und Wegnetz war dominant. Viele mittelalterliche Städte waren durch Brückenschläge entstanden, zum Beispiel 1157 Freiburg oder 1191 Bern. Brücken waren ursprünglich Regalien, die meist mit einem Zoll verbunden waren. Vom 12. Jahrhundert an ging das Hoheitsrecht auf geistliche und weltliche Fürsten, Städte und ländliche Kommunen über. Brückentürme und -tore wurden zum Teil in Stadtbefestigungsanlagen integriert (z.B. Schwarzer Turm in Brugg, wohl zweite Hälfte 12. Jahrhundert). Öfters standen Brücken unter dem Schutz von Heiligen, denen Kapellen (z.B. Kapellbrücke Luzern) oder Statuen (St. Nikolaus von Myra, St. Johann Nepomuk) geweiht waren. Brücken waren auch ein Mittel der Territorialpolitik, so beanspruchte zum Beispiel Zürich im 13.-14. Jahrhundert ein Brückenmonopol von Baden bis Rapperswil. Mit dem Brückenrecht verband sich die Unterhaltspflicht, die vom Hoheitsträger wahrgenommen oder an Dorfschaften, Transportgenossenschaften usw. delegiert wurde.

Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

Wissenschaft, Schulen, Technik

Simmenbrücke bei Wimmis. Projektskizze von Erasmus Ritter, Feder und Pinsel, Spätsommer 1766 (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.XXIa 92.4, f. 6).
Simmenbrücke bei Wimmis. Projektskizze von Erasmus Ritter, Feder und Pinsel, Spätsommer 1766 (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.XXIa 92.4, f. 6). […]

Wissenschaftliche Ausbildungsstätten für Ingenieure (Ingenieurwesen) beeinflussten vom 18. Jahrhundert an den zuvor stark von Handwerksmeistern geprägten Brückenbau. Charles Paul Dangeau de la Bélye aus Vevey studierte in London und baute dort 1738-1750 die Westminsterbrücke. Bedeutend war die 1747 gegründete Ecole des ponts et chaussées in Paris. Ihr erster Leiter, Jean-Rodolphe Perronet aus Château-d'Œx, übte einen grossen Einfluss auf den Schweizer Brückenbau aus (z.B. Simmebrücke bei Wimmis 1767). Wichtig war auch die 1796 gegründete Ecole polytechnique in Paris. Berühmtester Schüler aus der Schweiz war Guillaume-Henri Dufour, ein Pionier des Hängebrückenbaus (ab 1822 verschiedene Werke in Genf). Auch die technischen Schulen in Turin, Wien und Karlsruhe waren berühmt. 1853 wurde die Ecole spéciale in Lausanne gegründet, aus der sich die EPF Lausanne entwickelte. 1855 nahm das Eidgenössische Polytechnikum Zürich den Lehrbetrieb auf. Das Baufach wurde von Carl Culmann betreut, zu dessen Nachfolgern unter anderem Karl Wilhelm Ritter, Emil Mörsch und Christian Menn zählten. Deren Schüler wiederum gehörten zu den bedeutendsten Brückeningenieuren der Schweiz, die die Weiterentwicklung des Brückenbaus im 20. Jahrhundert massgebend beeinflussten (z.B. Robert Maillart, Othmar H. Ammann). Vom frühen 19. Jahrhundert an erlebte die Brückenbautechnik einen raschen Aufschwung. Die Bauten wurden grösser, die Spannweiten länger. Die Steinbogenbrücken wurden abgelöst durch Hänge- und Eisenbrücken sowie seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch Eisenbetonbrücken.

Bauliche Entwicklung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und mit der Zimmermeisterdynastie Grubenmann von Teufen (AR) erreichte die schweizerische Holzbrückenarchitektur ihren Höhepunkt. Bedeutende Holzbrückenarchitekten waren auch Joseph Ritter in Luzern und Ferdinand Stadler in Zürich. Wegen ihrer Wirtschaftlichkeit blieben Holzbrücken bis ins 19. Jahrhundert konkurrenzfähig.

Der Grand Pont von Freiburg. Kolorierter Stich von Jean Bryner © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf.
Der Grand Pont von Freiburg. Kolorierter Stich von Jean Bryner © Museum für Kunst und Geschichte Freiburg; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf. […]

Im 19. Jahrhundert wurde der Ausbau der kantonalen Strassennetze vorangetrieben, insbesondere durch die jungen und regenerierten Kantone schon in der ersten Jahrhunderthälfte. Die Städte begannen ihr Gebiet auszudehnen, Anschlüsse an regionale Strassennetze zu schaffen und repräsentative Quaianlagen zu erstellen. All das verlieh dem Brückenbau starken Auftrieb. Als wichtige Beispiele sind zu nennen: 1810 Fertigstellung der Brücken von Serrières von Nicolas Céard, 1834 und 1840 Hängebrücken in Freiburg des Franzosen Joseph Chaley, 1838 Münsterbrücke in Zürich von Alois Negrelli, 1844 Grand-Pont in Lausanne von Adrien Pichard und William Fraisse (zweigeschossige Bogenkonstruktion nach Vorbild römischer Aquädukte), 1844 Nydeggbrücke in Bern von Karl Emanuel Müller, 1847 Dammbrücke von Melide von Pasquale Lucchini, 1851 Kettenbrücke in Aarau des Franzosen Gaspar Dollfus, 1862 Pont du Mont-Blanc in Genf von Daniel Chantre und Leopold Stanislaus Blotnitzky, 1870 Seebrücke in Luzern nach dem Projekt der Ingenieure Cuénod, Schmidlin und Gaudard, 1879 Wettsteinbrücke und 1882 Johanniterbrücke in Basel von W. Lanter und B. Bilfinger, 1905 Neubau der Mittleren Brücken in Basel durch Jakob Mast. Auch die Modernisierung der Fernhandelsstrassen durch die Alpen verlangte viele Brücken, die zum Teil berühmt wurden: 1805 die Brücken der Simplonstrasse von Nicolas Céard und 1830 die neue Teufelsbrücke in der Schöllenen von Karl Emanuel Müller.

Der Grand Pont von Lausanne. Lithografie von Gustave Spengler im Almanach national pour l'an 1845 (Musée historique de Lausanne).
Der Grand Pont von Lausanne. Lithografie von Gustave Spengler im Almanach national pour l'an 1845 (Musée historique de Lausanne). […]

Seit 1845 sind für das rasch wachsende Schienennetz der Eisenbahnen über 6000 Brücken entstanden. Die anfänglich bevorzugten Brücken aus Eisen mussten später zum Teil verstärkt oder durch Eisenbetonkonstruktionen ersetzt werden. Bei der Rhätischen Bahn (RhB), vor allem auf der 1898-1903 erbauten Albulastrecke, wurde hingegen die Natursteingewölbetechnik bevorzugt, die ihre schönsten Ausformungen fand (z.B. Soliser- und Landwasserviadukt). Von der Jahrhundertwende an entstanden für Strassen und Bahnen Eisenbetonbrücken, zum Beispiel 1908 die Gmündertobelbrücke bei Teufen (AR) von Emil Mörsch, 1914 der Langwiesviadukt der Chur-Arosa-Bahn von Eduard Züblin. In Konstruktion und Form beispielhaft waren Robert Maillarts Betonstabbogenbrücken (1933 Schwandbachbrücke bei Rüeggisberg) und Dreigelenkbogenbrücken (1936 Arvebrücke bei Vessy). Die beim Bau grosser Bogenbrücken benötigten Lehrgerüste brachte die Zimmermannskunst zu hoher Blüte. Ihr wichtigster Vertreter war der Bündner Richard Coray.

Der Viadukt von Chillon, Teil der Autobahn entlang des Genfersees, kurz vor der Fertigstellung. Fotografie von Roland Schlaefli, 16. August 1969 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).
Der Viadukt von Chillon, Teil der Autobahn entlang des Genfersees, kurz vor der Fertigstellung. Fotografie von Roland Schlaefli, 16. August 1969 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).

Im 20. Jahrhundert verursachte der aufkommende Motorfahrzeugverkehr einen Strassenbauboom. Neue Arbeitstechniken (z.B. Vorspannbeton, Freivorbau) erlaubten, die Trassees ohne Rücksicht auf die Landschaft den immer schnelleren und schwereren Fahrzeugen anzupassen. Höhepunkt der Entwicklung bildete ab 1962 der Bau der Nationalstrassen mit zahlreichen Brücken und Viadukten. Bemerkenswerte Beispiele der neuesten Brückenbaukunst sind der Viadukt von Chillon (1969 fertiggestellt von Jean-Claude Piguet, Roland Hofer, Maurice Tappy), die Ganterbrücke an der Simplonstrasse (1980 von Christian Menn) und der Viadukt Biaschina an der A2 (1983 von Ugo Guzzi).

Quellen und Literatur

  • H. Exchaquet, Dictionnaire des Ponts et Chaussées, 1787
  • J. Brunner, Beitr. zur geschichtl. Entwicklung des Brückenbaues in der Schweiz, 1924
  • Kdm
  • O. Birkner, «200 Jahre Betonbau», in UKdm 23, 1972, 256-266
  • T.F. Peters et al., Die Entwicklung des Grossbrückenbaus, 1979 (31981)
  • G. Mondada, Ponti della Svizzera italiana, 1981
  • INSA
  • Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 41, 1985
  • P. Bissegger, «Etudiants suisses à l'Ecole polytechnique de Paris», in SZG 39, 1989, 115-151
  • H. Schwab, Les celtes sur la Broye et la Thielle, 1989
  • P. Delacrétaz, Fribourg jette ses ponts, 1990
  • W. Stadelmann, Holzbrücken der Schweiz - ein Inventar, 1990
  • P. Delacrétaz, Vieux ponts du pays de Vaud, 1991
  • G. de Kalbermatten, Ponts du Valais, 1991
  • C. Barraud Wiener et al., «Brücken», in K+A 46, 1995, 115-189 (mit Bibl.)
  • IVS Dok. BE
  • La Tène, die Unters., die Fragen, die Antworten, Ausstellungskat. Biel, 2007, 78-96
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Stadler: "Brücken", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.09.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007956/2011-09-08/, konsultiert am 19.03.2024.