Die Eisenbahnen waren in der Schweiz die grundlegenden Verkehrsträger für die Entwicklung zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Die damit verbundenen technischen und wirtschaftlichen Errungenschaften wie die aus diesen resultierenden gesellschaftlichen Entwicklungen prägten die moderne Schweiz. Im Rahmen der Verkehrspolitik nimmt das Transportmittel Eisenbahn aus ökologischen Erwägungen auch Anfang des 21. Jahrhunderts einen zentralen Platz ein.
Grundsätzlich wird zwischen öffentlichen Bahnen mit Fahrplanpflicht wie den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Privatbahnen und Bergbahnen sowie Stadtschnellbahnen (S-Bahnen) im Agglomerationsverkehr einerseits und nichtöffentlichen Industrie-, Werk- und Baubahnen andererseits unterschieden. Eine eigene Kategorie bilden städtische Strassenbahnen (Trams). Die Schweiz verfügt über eines der dichtesten öffentlichen Eisenbahn-Netze der Welt.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind sowohl der ehemalige Regiebetrieb SBB als auch die konzessionierten Nebenbahnen mehrheitlich als Aktiengesellschaft organisiert. Der Bund gilt der SBB die gemeinwirtschaftlichen Leistungen ab und finanziert die Infrastruktur, namentlich das Schienennetz. Die SBB zahlen für die Benützung einen Beitrag und sind gehalten, die laufenden Betriebskosten aus den Einnahmen zu bestreiten. Voraussetzung für eine Unterstützung der Privatbahnen durch den Bund ist eine Beteiligung der Kantone. Die Neben- oder Privatbahnen, die im Verband Schweizerischer Transportunternehmen zusammengeschlossen sind, decken 40% des gesamten Schienennetzes ab und richten sich als öffentliche Betriebe auf das SBB-Netz aus. Das Personal der Eisenbahnen ist zusammen mit anderen Angestellten des Öffentlichen Verkehrs im Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonalverband (SEV) organisiert.
Schienengeführte Wege waren im europäischen Bergbau schon im Spätmittelalter bekannt. Die 1993 am Ofenpass gefundenen Holzschienenwege von 1441 gelten als älteste der Schweiz. Die Entwicklung der Eisenbahnen zum führenden Transportmittel für Personen und Güter begann in England. Ab 1825 wurden die von George Stephenson konstruierten Dampflokomotiven im geregelten Linienbetrieb auf öffentlichen Bahnstrecken eingesetzt. In der Folge übernahm der Bahnbau auf dem Kontinent mit dem technisch-betrieblichen Know-how und dem Linksverkehr auch Stephensons Spurweite von 4 Fuss und 8½ Zoll (1,435 m), die in Europa mehrheitlich zur Normalspurweite wurde.
Als in den 1830er Jahren in den Nachbarländern mit dem Bau von Eisenbahnen begonnen wurde, regten in der Schweiz Basler und Zürcher Wirtschaftskreise mit Unterstützung aus der Ost- und Zentralschweiz erste Bahnprojekte an. Zwischen Zürich und Basel entbrannten Kämpfe um die Linienführung im schweizerischen Mittelland und um den Verlauf der Nord-Süd-Achse, die von Anfang an im Gespräch war. Diese Uneinigkeiten und die Sonderbundswirren 1845-1847 verzögerten die Realisierung der Projekte um Jahre und brachten die Schweiz im Vergleich mit Europa in Rückstand. Als die Elsässische Bahn mit der Linie Strassburg-Basel 1844 von Saint-Louis her die Schweiz erreichte, gab es hierzulande noch keine Eisenbahnen. Der von der Schweizerischen Nordbahn kurze Zeit später in Angriff genommene Bau der Strecke von Zürich nach Basel blieb 1847 in Baden stecken, da die Kantone Aargau und die beiden Basel die Konzessionen für eine Weiterführung der Strecke verweigerten. Den Namen Spanisch-Brötli-Bahn erhielt diese Linie schon bald, weil nun auch in Zürich ein spezielles Badener Gebäck ofenfrisch konsumiert werden konnte.
Die Entstehung des schweizerischen Eisenbahnnetzes im 19. Jahrhundert war geprägt von Unternehmern, Industriellen und Bankiers, die auch als Politiker in Bern wirkten: So den Baslern Johann Jakob Speiser, Achilles Bischoff und Karl Geigy, dem Zürcher Alfred Escher, dem Schaffhauser Friedrich Peyer im Hof, dem St. Galler Daniel Wirth sowie dem Luzerner Kasimir Friedrich Knörr. Vor allem Alfred Escher trat, im Gegensatz etwa zu Johann Jakob Speiser, gegen eine Staatsbahn ein. Im Unterschied zum zentralisierten Frankreich beispielsweise überliess der Bund im ersten Eisenbahngesetz von 1852 den Bau und Betrieb von Eisenbahnen sowie die Kompetenz zur Konzessionserteilung den Kantonen, ohne diesen dabei Vorschriften bezüglich Linienführung, Koordination, technischer Ausführung oder Tarifpolitik zu machen. Die Finanzierung erfolgte über Privatkapital sowie mit Beiträgen der begünstigten Gemeinden und der Kantone. Dieser Finanzierungsmodus zwang die Eisenbahn-Aktiengesellschaften zu einer gewinnorientierten Bauplanung und Betriebsführung. Trotz der fehlenden Gesamtplanung und der Rivalität unter den Bahnen entsprach das bis 1860 verwirklichte Schienennetz in etwa dem Entwurf für ein gesamtschweizerisches Eisenbahnnetz, den die englischen Bahnbauexperten Robert Stephenson und Henry Swinburne 1850 im Auftrag des Bundesrats vorgelegt hatten.
Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes bis 1914
[…]
Das schweizerische Mittelland wurde zum Zankapfel der grossen Bahngesellschaften sowie der hinter ihnen stehenden Wirtschaftskreise und Aktionäre. Insbesondere der Wettbewerb zwischen der von Basler Kapital getragenen Schweizerischen Centralbahn (SCB) und der ab 1850 auf die Ostschweiz konzentrierten Schweizerischen Nordostbahn (NOB) beschleunigte den Bahnbau. Bis ca. 1870 entstanden die Hauptlinien: Die SCB erbaute die Linie Basel-Olten durch den Hauenstein mit Abzweigungen in Olten nach Aarau, Luzern, Burgdorf-Bern-Thun bzw. Herzogenbuchsee-Solothurn-Biel. Die NOB erschloss die Kantone Zürich und Thurgau; ihr Netz umfasste die Bodenseelinien sowie Strecken nach Schaffhausen, Zürich und später nach Luzern. Die Vereinigten Schweizerbahnen (VSB) führten ihre Linien von Winterthur über Rorschach bzw. von Wallisellen über Rapperswil-Sargans nach Chur. Für die VSB-Strecke Weesen-Glarus und die NOB-Linie Ziegelbrücke-Näfels-Glarus-Linthal bestanden zwischen den beiden Gesellschaften Mitbenutzungsverträge.
Im selben Zeitraum wuchsen die Westschweizer Bahnen zu durchgehenden Strecken zusammen, dem Genfersee entlang von Genf über Lausanne nach Bex und von Morges nach Yverdon. Von Genf aus konnte mit dem Dampfschiff die Walliser Linie Bouveret-Martigny erreicht werden. Zu den wichtigsten Bauherrinnen gehörten in der Waadt die Compagnie de l'Ouest-Suisse und im Wallis die Ligne d'Italie (Compagnie du Simplon). Im Neuenburger Jura entstanden von Neuenburg aus Linien nach Le Locle und Les Verrières und dem Neuenburgersee entlang nach La Neuveville.
Wegen Auseinandersetzungen um die Linienführung kam die Verbindung zwischen Deutsch- und Westschweiz von Bern nach Lausanne über Freiburg-Romont erst 1862 zustande. Beim Bahnbau ging der Kanton Bern eigene Wege: Die auf Initiative des damaligen Bundesrats Jakob Stämpfli 1857 ohne gesicherte Finanzierung begonnene Ost-West-Bahn - eine zweite Mittellandbahn in Konkurrenz zur Centralbahn - sah eine Linienführung von La Neuveville über Biel nach Bern, Langnau im Emmental, Luzern und Zug bis Zürich vor. 1861 übernahm der Kanton Bern mit der Bernischen Staatsbahn die Teilstrecken zwischen La Neuveville und Langnau. Der fehlende Abschnitt Langnau-Entlebuch-Luzern wurde erst 1875, nach dem Konkurs der privaten Baugesellschaft, fertiggestellt. Die Strecke Zürich-Zug-Luzern übernahm die NOB.
Schon 1861 waren vier Fünftel aller Schweizer Eisenbahnen in wirtschaftlich schwieriger Lage. Verschiedene Gesellschaften waren auf Finanzhilfe aus dem Ausland angewiesen. Im Hinblick auf die von den umliegenden Ländern gewünschte Alpentransversale floss insbesondere französisches Kapital in die Schweizer Eisenbahngesellschaften, sowohl in der West- als auch in der Ostschweiz. Generell waren die grossen Eisenbahnunternehmen der Ostschweiz (NOB und VSB) sowie der Westschweiz (Jura-Simplon-Bahn, JS) das Resultat wirtschaftlich bedingter Fusionen.
Trotz der chronischen Finanzknappheit führte 1860 eine durchgehende Verbindung von Genf durch das Mittelland an den Bodensee, und bis 1870 waren die übrigen Hauptstrecken erstellt. Auf dem Genfer-, Neuenburger-, Thuner-, Vierwaldstätter- und Bodensee verkehrten das Schienennetz ergänzende Dampfschiff-Linien, die zum Teil in der Hand von Bahnpromotoren wie dem Luzerner Bankhaus Knörr waren (Schifffahrt). Anschlüsse an das Verkehrsnetz der Nachbarländer bestanden in Romanshorn mit den Fähren nach Lindau und Friedrichshafen, in Basel mit der Bahnlinie Koblenz-Waldshut sowie der Elsässischen Bahn, in Schaffhausen mit der Badischen Staatsbahn und in Les Verrières mit der Linie Pontarlier-Paris.
Sein rasches Wachstum verdankte das schweizerische Streckennetz auch erfahrenen Eisenbahn-Ingenieuren wie dem Bündner Richard La Nicca, dem Südtiroler Alois Negrelli, den Planern der SCB - dem Württemberger Karl von Etzel und dem Polen Leopold Stanislaus Blotnitzki - sowie dem Berner Gustave Bridel, Konstrukteur der Bernischen Jurabahnen und Oberingenieur der Gotthardbahn.
Die Auswirkungen des Deutsch-Französischen Kriegs (1870-1871) deckten die Mängel des privaten Eisenbahnwesens unter kantonaler Hoheit auf. Es war den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Landesversorgung und den Erfordernissen einer schnellen Truppenverlegung nicht gewachsen. Diesem Missstand suchte das zweite Eisenbahngesetz von 1872, gefördert von der Demokratischen Bewegung aus Winterthur, abzuhelfen: Die Kontrolle über Bau, Betrieb, Tarif- und Rechnungswesen sowie das Recht der Konzessionserteilung wurden dem Bund übertragen. Damit wurde die Verstaatlichung der Eisenbahnen durch den Bund zum politischen Thema.
Die Bundesaufsicht (Artikel 26 der Bundesverfassung von 1874) konnte die bestehenden Schwierigkeiten nicht beheben. Vielmehr stürzten eine verfehlte Streckenplanung, das Fehlen koordinierter Fahrpläne unter den Bahnen, deren Netze sich über verschiedene Zeitzonen (weltweite Harmonisierung 1884) erstreckten, spekulative Bahnbauten bei mangelnder Finanzierung und die allgemeine Wirtschaftskrise der 1870er Jahre den Bahnbau endgültig in die Krise. Der Kreditmangel traf unter anderem die von den Winterthurer Demokraten um Johann Jakob Sulzer (1806-1883) mit öffentlichen Mitteln finanzierte nationale Bodensee-Genfersee-Bahn, die spätere Schweizerische Nationalbahn (SNB): Als weitere Mittellandtransversale sollte sie von Konstanz über Winterthur in den Aargau, nach Solothurn und über Lyss-Murten-Payerne an den Genfersee führen. Erste Bauetappen wurden 1875 ausgeführt. Doch die Überschuldung der SNB führte zur Zwangsliquidation, von der die NOB und SCB profitierten, welche 1878 Linien und Rollmaterial für einen Bruchteil des Verkehrswerts erwerben konnten. An der Abtragung der Schulden litten Winterthur und diverse Aargauer Gemeinden bis ins 20. Jahrhundert.
In den 1870er Jahren bestanden noch keine Nord-Süd-Verbindungen nach Italien. Die Bahnlinien endeten am Fuss der Alpen - 1858 die VSB in Chur, 1859 die SCB in Luzern und Thun, 1878 die spätere Suisse Occidentale-Simplon (ab 1891 JS) in Brig. Am Wettstreit um eine schweizerische Alpenbahn, ob am Lukmanier, Splügen, Gotthard oder Simplon, beteiligten sich ausser schweizerischen Bahngesellschaften und Wirtschaftsregionen auch Deutschland, Italien und Frankreich. Die Nachbarstaaten bemühten sich alle um die für sie kürzeste Verbindung durch die Schweiz. Angesichts der Brennerbahn (1860-1864) im Osten und der Mont-Cenis-Bahn (1857-1871) im Westen fiel der Entscheid der schweizerischen, deutschen und italienischen Vertragspartner 1869 auf die Gotthardbahn, die trotz finanzieller Schwierigkeiten 1882 eröffnet wurde.
Die von der schweizerischen Bevölkerung 1878 bewilligten Bundessubventionen waren ursprünglich für je eine Ostalpen- und eine Westalpenbahn bestimmt gewesen. Die 1913 fertiggestellte westliche Alpentransversale, die Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS), war jedoch nicht einer eidgenössischen Initiative, sondern der bernischen Eisenbahnpolitik zu verdanken. Eine Ostalpenbahn wurde nicht realisiert. Als Ersatz dienten die Albulalinie (1903) und die Berninastrecke (1910) der Rhätischen Bahn (RhB), welche anfänglich den touristischen Personenverkehr, zunehmend aber auch den Güterverkehr von und nach Italien bewältigten.
Die Krise der 1870er Jahre vermochte den Bahnbau nicht zu stoppen. Allerdings verlagerte sich jetzt die Bautätigkeit von den Hauptachsen auf die Nebenlinien. Das Streckennetz wurde im Mittelland verdichtet und in die bisher wenig erschlossenen Voralpen-, Alpen- und Juratäler ausgedehnt. Zwei Drittel dieser Nebenstrecken wurden aus Kostengründen schmalspurig konstruiert. Der Glacier-Express, der auf dem Streckennetz der Furka-Oberalp-Bahn (FO) und der RhB verkehrt, ist mit 515 km die längste schweizerische Schmalspurverbindung. Einige Kantone werden ganz oder vorwiegend durch schmalspurige Privatbahnen erschlossen, so Graubünden (RhB), Nidwalden (Luzern-Stans-Engelberg-Bahn) und die beiden Appenzell (Appenzeller Bahnen).
Landregionen, Kleinstädte und Industriedörfer abseits der Hauptachsen verlangten den Anschluss an eine Bahn und verpflichteten sich, die Anbindung ans Schienennetz mitzufinanzieren. So entstanden 1874-1877 an die 50 Nebenbahnen wie zum Beispiel die Gäubahn über Solothurn (1876), die Broyetallinien über Freiburg (1877), die Emmentalbahn über Burgdorf (1875-1881) und die "Pilgerbahn" Wädenswil-Einsiedeln (1877). Parallelstrecken wie die Aargauische Südbahn, die durch das Freiamt nach Rotkreuz (1871) führte und später Zubringer im Güterverkehr zur Gotthardbahn wurde, begünstigten Randregionen. Die Bodensee-Toggenburg-Bahn und Schweizerische Südostbahn verbanden die Ost- via Zentral- mit der Südschweiz.
Das Eisenbahngesetz von 1852 hatte eine Normalspurweite von 1,435 m vorgeschrieben, jenes von 1872 erlaubte den Lokal- und Bergbahnen abweichende Spurweiten. Die darauf gegründete Schweizerische Gesellschaft für Localbahnen plante ein Schmalspurnetz im Voralpenraum, realisierte aber wegen Finanzierungsproblemen nur die Appenzeller Bahn. Im bernischen Jura wurde der Bahnbau durch die private Gesellschaft Jura Bernois (JB) mit massiver finanzieller Beteiligung des Kantons Bern betrieben. 1873-1877 entstand das Netz der Jurabahnen mit der Hauptlinie Delle-Basel und den Linien von Biel über Sonceboz-Sombeval nach Delsberg bzw. La Chaux-de-Fonds. In den 1880er Jahren erschlossen Schmalspurbahnen abgelegene, industriell-gewerbliche Dörfer im Waadtländer und Neuenburger Jura und am Juranordfuss.
Die Erschliessung der Voralpen und Alpen erfolgte verspätet. Obschon der Bündner Oberingenieur Richard La Nicca schon 1839 Pläne für ein Bündner Eisenbahnnetz mit einer Lukmanierbahn ins Tessin entworfen hatte, war der Kanton Graubünden um 1880 bahntechnisch noch kaum erschlossen. Im Alpenraum bedienten Lokalbahnen aus baulichen Gründen anfangs nur bestimmte Täler und Tourismusgebiete. Die einzelnen Streckenabschnitte wuchsen erst allmählich zu durchgehenden Bahnlinien zusammen. Im Kanton Graubünden umfasste das Netz der 1889 gegründeten RhB vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Hauptlinien und Zweitbahnen, welche das Hinter- und Vorderrheintal, das Albulatal, das Engadin und das Puschlav dem Verkehr öffneten.
Montagewerkstatt für Lokomotiven in der Maschinenfabrik Oerlikon (Historisches Archiv ABB Schweiz, Baden).
[…]
Im Berner Oberland ging der Bau der Privatbahnen von der Fremdenverkehrsregion Thunersee aus. Kantonsübergreifend bedienten mehrheitlich touristische Schmalspurbahnen den westlichen Alpenraum, so die Montreux-Oberland Bernois (MOB), die FO und die Gruyere-Fribourg-Morat-Bahn (GFM). Die erst 1923 vollendete, vor allem touristisch ausgerichtete Centovallibahn, die zum Teil auf italienischem Staatsgebiet liegt, verband Locarno mit Domodossola und damit auch - zusammen mit der BLS - das Tessin mit dem Wallis.
Gedenkblatt vonJohann Friedrich Boscovits,veröffentlicht im Nebelspalter, 1898, Nr. 19 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste; e-periodica).
[…]
Das Eisenbahngesetz von 1872 erteilte dem Bund umfassende Kompetenzen im Bahnwesen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben wurde dem Eidgenössischen Handelsdepartement 1873 eine Eisenbahnabteilung angegliedert und dieses entsprechend in Eisenbahn- und Handelsdepartement umbenannt. 1879 fasste der Bund das Bahn- und das Postwesen im neu geschaffenen Post- und Eisenbahndepartement zusammen. Infolge von Konkursen zahlreicher Bahngesellschaften während der Krise der 1870er Jahre, sozialer Spannungen und Streiks der Angestellten sowie der massiven ausländischen Kapitalbeteiligungen, die Abhängigkeitsgefühle aufkommen liessen, gewannen die Verfechter einer Verstaatlichung der Bahnen an Boden. Mit Josef Zemp wurde 1891 ein Vorkämpfer der Bundesbahn in den Bundesrat gewählt. 1891 war der Kauf der SCB im Referendum noch verworfen worden, doch 1897 genehmigten die eidgenössischen Räte das sogenannte Rückkaufsgesetz. Dem fakultativen Referendum unterstellt und heftig umkämpft, wurde diese Gesetzesvorlage 1898 - mit der höchsten bis dahin erreichten Stimmbeteiligung - mit Zweidrittelsmehrheit angenommen. 1900-1909 erwarb die Eidgenossenschaft die fünf grossen Eisenbahngesellschaften JS (937 km), NOB (771 km), SCB (398 km), VSB (269 km) und Gotthardbahn (273 km); 1913-1948 kamen vier kleinere Privatbahnen dazu.
Die ausgehandelte Kaufsumme von über 1 Mrd. Franken - deren Höhe wurde kritisiert, zumal die Vorbesitzer seit dem Einsetzen der Verstaatlichungsdiskussion keine Investitionen mehr getätigt hatten - lastete man nicht dem Bundesbudget direkt, sondern den neu gegründeten SBB an, die 1901 unter der Führung einer Generaldirektion in Bern und fünf Kreisdirektionen in Lausanne, Basel, Zürich, St. Gallen und Luzern den Betrieb aufgenommen hatten. Die SBB waren durch die hohen Schulden erheblich in ihrer Entwicklung behindert, bis 1944 ein Bundesgesetz sie von dieser Last befreite.
Das SBB-Netz umfasste 1903 neben den erwähnten Haupt- und Nebenlinien auch die 1888 eröffnete meterspurige Brünigbahn und die schweizerische Bodensee-Schifffahrt. Das mehrheitlich einspurige Eisenbahnnetz war bezüglich Anlagen und Rollmaterial grösstenteils in schlechtem Zustand und dem zunehmenden Verkehr nicht gewachsen. Aufgrund der angespannten Finanzlage beschränkte sich die Modernisierung des schweizerischen Schienennetzes während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorwiegend auf die Elektrifizierung, den Doppelspurausbau und die Verbesserung der Sicherheit. Als weltweit einzigartig gilt die 1888 versuchsweise begonnene und 1960 abgeschlossene Elektrifizierung des gesamten schweizerischen Schienennetzes, die durch den Kohlemangel während der beiden Weltkriege beschleunigt worden ist. Besonderes Aufsehen erregte die frühe Elektrifizierung der Bern-Lötschberg-Simplonlinie, die seit ihrer Eröffnung 1913 mit Einphasenwechselstrom betrieben wird. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs waren 77% des schweizerischen Schienennetzes elektrifiziert, während der entsprechende Anteil bei den übrigen europäischen Bahnen durchschnittlich 5% betrug.
Eisenbahnarbeiter beim Bau der zweiten Spur des Streckenabschnitt Pfäffikon (SZ)–Ziegelbrücke bei Lachen, 6. April 1955 (SBB Historic, R_2931_11).
Mit dem Bau von Tunneln wurden Strecken verkürzt, Steigungen reduziert und damit allgemein der wachsende Verkehr besser bewältigt. Der Simplon-Tunnel zwischen Brig und Iselle (I) datiert von 1906, der Mont-d'Or-Tunnel von Vallorbe nach Frasne (F) der internationalen Linie Paris-Istanbul von 1915 und der Hauenstein-Basistunnel der Linie Olten-Basel von 1916. Der Bau von Linien, welche sich auch auf ausländischen Boden erstreckten, bedingte bilaterale Staatsverträge mit den beteiligten Nachbarstaaten wie zum Beispiel die Simplonverträge.
Ab etwa 1900 erschlossen Privatbahnen als Vorortslinien stadtnahe Räume. So brachte die erste bernische Vorortsbahn Bern-Muri-Worb 1898 Tagespendler in die Stadt und löste in den Vororten Berns einen Bauboom aus. Immer weiter entfernte Dörfer wurden durch Schmalspurlinien mit städtischen Zentren verbunden. Bern erhielt weitere Zubringer mit der Gürbetalbahn und den Linien nach Schwarzenburg sowie nach Zollikofen und Solothurn. Gleichzeitig wurden immer mehr Vororte über Tramlinien erschlossen, was die Suburbanisierung der Agglomerationen beschleunigte und der Eingemeindung von Vororten Vorschub leistete.
Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre traf vor allem die Privatbahnen in Randregionen schwer. Betriebsdefizite verhinderten die Erneuerung von Anlagen und Rollmaterial. Mit dem eidgenössischen Privatbahn-HiIfegesetz von 1939 beschloss der Bund Massnahmen zur finanziellen Unterstützung. Er knüpfte die Hilfestellung an die Pflicht zur Sanierung (technischer Erneuerung, Elektrifizierung) und zur betrieblichen Reorganisation durch die Bildung von Regionalbahnnetzen. Ab 1942 kam es dadurch vor allem im voralpinen und alpinen Raum sowie im Jura zu Fusionen von Bahnbetrieben.
Nach den Sparmassnahmen der 1930er Jahre bescherte der Zweite Weltkrieg den Eisenbahnen infolge der Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen (Militärtransporte) und der Entschuldung von 1944 eine solide Finanzlage, die bis 1970 zu guten Abschlüssen führte. Allmählich machten sich jedoch die Konkurrenz des Automobils und die Auswirkungen der Motorisierung bemerkbar. 1950-1980 verschob sich das Verhältnis zwischen Auto- und Zugreisenden von 1:1 auf 10:1. Viele Städte - ohne Zürich, Basel, Bern und Genf - hoben ihre Tramlinien zugunsten des Autoverkehrs auf, und das Zürcher Stimmvolk lehnte 1962 und 1973 U-Bahnprojekte ab. Dagegen wurde nach der Annahme der Nationalstrassen-Vorlage 1958 mit dem Bau eines Autobahnnetzes begonnen.
Zum Leistungsabbau kam es vor allem im Bereich der Infrastruktur. Bis 1970 wurden über 40 unrentable Schmalspur- und Strassenbahnen, insgesamt ca. 15% des Inlandnetzes, stillgelegt. Im übrigen Europa lag dieser Anteil deutlich höher (England und Belgien bis 60%). 420 von 571 Güterbahnhöfen wurden aufgegeben, Bahnhöfe und Restaurationsbetriebe, sogenannte Buffets, geschlossen.
Investiert wurde dagegen in qualitative Verbesserungen wie die Sanierung von Kunstbauten und Bahnhöfen, die Aufhebung von Niveauübergängen, den Doppelspur-Ausbau und die Verbesserung der Sicherheit. Der internationale Personenverkehr wurde durch die Zulassung von Sonderzügen wie den TEE (1957-1980er Jahre) und den Eurocity-Zügen (ab 1987) gefördert. Die Ingenieure an der Spitze der Eisenbahnen legten Wert auf vorzügliches Rollmaterial, hielten aber wenig von der Pflege der Kundenbeziehungen. Nur zögernd wurde das schon 1891 von den Privatbahnen mit dem «Abonnement zur Fahrt mit halben Billetten» (Halbtaxabonnement) lancierte Tarif-Reduktionssystem mit General- und Streckenabonnementen, Mehrfahrten- und Familienkarten sowie Gruppenbilletten ausgebaut.
Schweizerisches Eisenbahnnetz (in kma)
1900
1942/47
1975
1995
SBB
-
ca. 3 503
2 933
3 007
Privatbahnen
3 789
2 297
2 043
2 038
davon Normalspur
3 186
777
-b
725
davon Schmalspur
603
1 520
-b
1 313
Gesamtnetz
3 789
ca. 5 800
4 976
5 045
a gerundet
b nicht erhoben
Schweizerisches Eisenbahnnetz (in km) - Ein Jahrhundert Schweizer Bahnen, 1847-1947, Band 1, 1947, S. 169-171; Verzeichnis der in Betrieb befindlichen schweizerischen Eisenbahnen, 1990; Bundesamt für Statistik
Finanzprobleme beschleunigten ab den 1970er Jahren den Strukturwandel im Eisenbahnwesen: Vorher hatte der Kostendeckungsgrad der Schweizer Bahnen über 100% betragen. Als ab 1974 infolge der Rezession der Güterverkehr - bis dahin die Haupteinnahmequelle der Bahnen - einbrach und der internationale Transitverkehr wie der Binnenverkehr um rund einen Drittel zurückgingen, sackte der Kostendeckungsgrad erheblich ab.
Eigenwirtschaftlichkeit der Schweizer Bahnen
1980
1990
1999a
SBB Gesamtaufwand (in Mio. Fr.)
3 301
5 484
6 441
Erträge (in Mio. Fr.)
2 675
5 367
5 984
Kostendeckungsgrad (kumuliert)
79%
91%
85%
Privatbahnen Gesamtaufwand (in Mio. Fr.)
720
1 256
1 588
Erträge (in Mio. Fr.)
534
871
1 408
Kostendeckungsgrad (kumuliert)
66%
57%
63%
a Zahlen angepasst an das Eisenbahngesetz vom 1.1.1996 (bezüglich Abgeltungen)
Eigenwirtschaftlichkeit der Schweizer Bahnen - Statistisches Jahrbuch der Schweiz; Bundesamt für Statistik
1982 und 1987 verpflichtete der Bund die SBB mit Leistungsaufträgen zu einem marktgerechten Handeln als "selbsttragend gemeinnütziges" öffentliches Dienstleistungsunternehmen, was einen Wiederanstieg des Kostendeckungsgrads zur Folge hatte. Nach marktwirtschaftlichen Kriterien geführt wurden der Stückguttransport (Cargo Domizil 1985-1996) sowie der Personenfernverkehr, zum Teil mit neuen Hochgeschwindigkeits- und Neigezügen (TGV, ICE, Pendolino, Talgo). Die Sparbemühungen trafen auch das Bahnpersonal; so wurden zum Beispiel gegen den Widerstand des SEV im Regional- und Agglomerationsverkehr unbegleitete Züge eingeführt. Trotz stark gesteigertem Verkehrsvolumen sank ab 1970 die Zahl der Beschäftigten.
Werbung der Schweizerischen Bundesbahnen im Rahmen der Kampagne "Bahn 2000", 1986 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Die Auswirkungen der Erdölkrise und ein erhöhtes Umweltbewusstsein stärkten den politischen Willen zur Subventionierung eines flächendeckenden öffentlichen Verkehrsnetzes. Anstelle des 1977 diskutierten Grossprojekts Neue Haupttransversalen (NHT), das den Bau neuer, leistungsfähiger Hauptachsen (Lausanne-St. Gallen, Basel-Olten) vorsah, wurden Pläne für eine umfassende Förderung des öffentlichen Verkehrs verfolgt. Gemeinsam führten die SBB und die Privatbahnen 1982 den Taktfahrplan ein. Der Stundentakt wurde 1997 auf viel befahrenen Strecken durch den Halbstundentakt ersetzt. Ausserdem wurden grosse Bauvorhaben in Angriff genommen: Abkürzungs- und Schnellfahrstrecken wie die seit 1999 bestehende Grauholzlinie bei Bern und die 2004 fertiggestellte Linie Mattstetten-Rothrist sind wesentliche Bestandteile des 1987 vom eidgenössischen Stimmvolk gutgeheissenen Konzepts "Bahn 2000", das auf eine landesweite Verbesserung und Beschleunigung des öffentlichen Personenverkehrs abzielt. 1979 bzw. 1987 erfolgte die direkte Anbindung der Flughäfen Zürich-Kloten und Genf-Cointrin an das Bahnnetz. Der wintersicheren Erschliessung alpiner Regionen dienten der Bau des Furka-Basistunnels der FO 1982 sowie des Vereinatunnels der RhB 1999. Mit den Mehrinvestitionen stiegen die Beiträge der öffentlichen Hand von 0,38 Mrd. im Jahr 1975 auf 3,23 Mrd. Franken im Jahr 1993. Um die 1993 der Öffentlichkeit vorgestellten Pläne für eine Swissmetro, eine unterirdische Hochgeschwindigkeits-Magnet-Schwebebahn mit je einer West-Ost- und einer Nord-Süd-Achse und Anschlüssen an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz, ist es inzwischen aus finanziellen Gründen still geworden.
Anteil der Eisenbahn am Personenverkehr 1960-2000a
Jahr
Verkehrsleistung
1960
27,4%
1965
20,7%
1970
15,7%
1980
12,6%
1985
11,7%
1995
13,3%
2000
13,6%
a in Personenkilometern
Anteil der Eisenbahn am Personenverkehr 1960-2000 - Statistisches Jahrbuch der Schweiz; Bundesamt für Statistik
Das Projekt Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), das 1992 in einer Volksabstimmung angenommen worden ist, beabsichtigt den Ausbau des schweizerischen Bahnsystems zum Mittelpunkt des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes und verfolgt insbesondere auch die Einbindung in die Transportkorridore der europäischen Bahnen. Die mit der NEAT eingeschlagene Verkehrspolitik wurde 1994 mit der Annahme der eidgenössischen Volksinitiative zum Schutz der Alpen vor dem Transitverkehr, der sogenannten Alpen-Initiative, vom Volk bestätigt. Der entsprechende Alpenschutzartikel (Artikel 84 der Bundesverfassung von 1999) verlangt die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene und untersagt eine Kapazitätserhöhung der Strassentransits. Dadurch gewannen unter anderem die Huckepack-Programme der SBB durch den Gotthard und der BLS durch Lötschberg und Simplon an Bedeutung. Zur Bewältigung grösserer Transportvolumen werden diese Transitachsen seit 1999 mit Basistunneln ausgebaut und die Ostschweiz besser an die Gotthardstrecke angeschlossen. Finanziert wird das Vorhaben über die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe sowie die Mineralöl- und Mehrwertsteuer. Anlaufende Schulden dürfen maximal einen Viertel der Gesamtkosten betragen.
Die Privatbahnen waren stets in die Bahnreformen eingebunden. Das eidgenössische Eisenbahngesetz von 1957 verbesserte ihre wirtschaftliche Basis durch eine fixierte Beitragspflicht von Bund, Kantonen und Gemeinden. Jenes von 1995 übertrug den Kantonen zur Entlastung des Bundes die Verantwortung für den Regionalverkehr: Danach bestimmen die Kantone seit 1996 die Verkehrsleistung und den Verkehrsträger (SBB, Privatbahn, Schifffahrt, Postauto), der diese zu erbringen hat. Dafür werden die beteiligten Unternehmen alle zwei Jahre von der öffentlichen Hand entschädigt. Ziel ist die Verbesserung der Eigenwirtschaftlichkeit der Eisenbahnen.
Die SBB wurden mit der Umwandlung in eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes per 1. Januar 1999 und entsprechenden Entschuldungsmassnahmen auf die Bahnreform vorbereitet. Diese verpflichtet sie zur Öffnung ihres Netzes für Dritte sowie zum Wettbewerb im Regional-, im internationalen Personen- und beim Güterverkehr. Die Bereiche Infrastruktur, Personen- und Güterverkehr wurden voneinander getrennt. Geplant ist auch eine enge Kooperation der SBB Cargo mit dem Cargodienst der italienischen Bahnen Ferrovie dello Stato. Kooperationsverträge und -absichten bestehen ab 2000 auch zwischen den SBB und der BLS sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr. Dank dieser Massnahmen konnte die Schweiz Ende des 20. Jahrhunderts ihren Anteil am schienengebundenen alpenquerenden Güterverkehr im Vergleich mit anderen Ländern markant steigern. 2004 gründeten die SBB mit Trenitalia die Tilo AG, welche sich um die Entwicklung des Regionalverkehrs zwischen dem Tessin und der Lombardei sowie um die Verwaltung der Linie Mailand-Biasca kümmert.
Die S-Bahn im Bahnhof Zürich, 1990 (Bild Archiv HR. Bramaz, Oberwil-Lieli).
Die enorme Zunahme des Agglomerationsverkehrs stellt die Städte seit den 1970er Jahren vor Probleme. Zürich verwarf 1962 und 1973 den Bau einer U-Bahn, stimmte 1981 aber dem einer Stadtschnellbahn zu. S-Bahnen zeichnen sich durch billige Tarife, straffe Fahrpläne, direkte Zugfolge, kurze Haltezeiten und hohe Fahrgeschwindigkeiten aus. Die 1990 eröffnete Zürcher S-Bahn vernetzt mit SBB- und eigenen Trassen eine Grossagglomeration, die den ganzen Kanton sowie die Nachbarregionen umfasst. Die Auslastung des Streckennetzes konnte seit der Eröffnung um 30%, auf der Flughafenlinie sogar um 100% gesteigert werden. Ausbaupläne für 2006 sehen weitere Verbesserungen durch schnellere, direktere S-Bahn-Züge im Viertelstundentakt vor.
Ab 1995 wurden die bestehenden Regionallinien rund um Bern zu einer S-Bahn zusammengefasst, deren Verkehrsknotenpunkt die Stadt Bern bildet. In Basel wurden 1997 die Linien Mulhouse-Saint-Louis und Frick/Laufenburg-Basel-St. Johann zur ersten internationalen S-Bahn ausgebaut. Über die Tarifverbünde - zum Beispiel Nordwestschweiz, Zug, Zürcher Verkehrsverbund, Arcobaleno (Tessin und Moesano) - sind alle öffentlichen Verkehrsmittel einer Region ins Verkehrsangebot eingebunden.
Als eigentliches Zeitalter der Eisenbahnen gelten die Jahre zwischen 1850 und 1950: Dank hoher Transportleistung bei tiefen Transportkosten revolutionierten die Eisenbahnen den Verkehr, und über ihre Anknüpfung an die weltweite Schifffahrt wurden grösseren Versorgungskrisen und Hungersnöten in den Industrieländern ein Ende gesetzt. Der Bau von Eisenbahnen war auch in der Schweiz Auslöser und Motor für den Wandel von der kleinräumigen Subsistenz- zur grossräumig-arbeitsteiligen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Die dank den Eisenbahnen erreichte Erhöhung der Transportgeschwindigkeiten im Personen- und Güterverkehr sowie die Vernetzung der Verkehrswege liessen den Raum schrumpfen und die Distanzen kleiner werden.
Bahnreisezeiten ab Zürich 1865 und 1955
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Der Bahnbau führte zu einer räumlichen Polarisation der wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Gewinner des Eisenbahnzeitalters waren weitgehend die Zentren, die schon vom Kunststrassenbau des 18. und 19. Jahrhunderts profitiert und ihr wirtschaftlich-soziales Entwicklungspotential gesteigert hatten. Die grossen Städte der traditionellen Gewerberegionen kämpften mit ihrem ganzen ökonomischen und politischen Gewicht um die Erhaltung ihrer privilegierten Verkehrssituation, sicherten sich die Hauptlinien und vergrösserten damit ihren wirtschaftlichen Standortvorteil. Bevölkerungswachstum ging einher mit der Neuansiedlung gewerblicher und industrieller Betriebe (Maschinen, Chemie, Nahrungsmittel) sowie der Schaffung von Dienstleistungsstellen. Die Verlierer in diesem vielschichtigen Rückkoppelungsprozess waren die nicht oder nur ungenügend erschlossenen Randregionen. In kurzer Zeit verschärften sich die demografischen Unterschiede und das Wohlstandsgefälle zwischen ihnen und den Zentren beträchtlich. Die Abwanderung in die städtischen Agglomerationen, unter denen Zürich mit dem grössten Arbeitsplatzangebot herausragte, traf bahntechnisch schwach vernetzte Regionen wie den Kanton Graubünden hart. Doch auch alte Industriegebiete wie die Uhrmacherdörfer im Jura, Textilorte im Glarnerland sowie Heimarbeiterdörfer im Entlebuch und Emmental entleerten sich.
Ab 1870 kämpften daher auch Kleinstädte, Landgemeinden und ganze Regionen um einen Bahnanschluss. Die Gemeinden waren bereit, grosse finanzielle Opfer zu bringen, und beteiligten sich am Bau neuer lokaler Bahnlinien: So das von der Strohindustrie abhängige Wohlen an der Aargauischen Südbahn (1871), die eisenverarbeitenden Taldörfer des heutigen Kanton Jura an den Jurabahnen (1873-1877) oder die agrarisch-gewerblichen Orte längs der Gäubahn Olten-Solothurn (1876).
Voralpine und alpine Bergregionen kamen mehrheitlich erst ab den 1880er Jahren zu Eisenbahnen, insbesondere die Fremdenverkehrsregionen Vierwaldstättersee, Berner Oberland, Innerschweiz und Graubünden. Ihre Bahnen trugen wesentlich zum Tourismusboom um die Jahrhundertwende bei. Eisenbahnen veränderten auch Landwirtschaftsregionen, indem sie die Agrarmodernisierung, den Übergang vom überwiegenden Kornbau auf Vieh- und Milchwirtschaft oder auf den Anbau von Frischprodukten für städtische Verbrauchermärkte beschleunigten, wie zum Beispiel in der bernisch-freiburgischen Gemüsebauregion Grosses Moos, die sich in wirtschaftlicher wie demografischer Hinsicht rasant entwickelte. Nicht überall garantierten gute Eisenbahnverbindungen aber einen wirtschaftlichen Aufschwung. So blieben erschlossene Berggebiete wie das Obere Reusstal im Kanton Uri oder die Leventina strukturschwache Randregionen.
Gleichzeitig erlebte der städtische Nahverkehr mit dem Bau der Vorortsbahnen und Trams einen ungeahnten Höhenflug. Städte öffneten ihr Dienstleistungsangebot einem wachsenden Kreis industrialisierter Vororte. Mit der Eisenbahn verbunden, nahmen diese am Wachstum der City teil (z.B. Oerlikon: 1856 Anschluss an die Bahnlinie Winterthur-Zürich, 1897 an das städtische Tramnetz). Eine eigentliche Suburbanisierung in den Agglomerationen setzte ab 1920 ein. Eisenbahnen trugen aber auch zum Anwachsen der täglichen Pendlerströme über immer grössere Distanzen bei. Nicht nur die grossen Zentren boomten zwischen 1850 und 1900, sondern auch die Entwicklung kleinerer Städte wurde vom Bahnverkehr begünstigt: So verzeichnete Biel den schweizweit grössten, Olten den siebtgrössten prozentualen Bevölkerungszuwachs.
Insgesamt war das Massentransportmittel Eisenbahn ein wesentlicher Faktor in den tiefgreifenden, mit der fortschreitenden Industrialisierung einhergehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen zwischen 1850 bis 1950. Es schuf den schweizerischen Binnenmarkt und unterstützte die Anbindung der schweizerischen Volkswirtschaft an den europäischen Markt.
Ab 1960 stand die städtische Entwicklung nicht mehr im Zeichen der Eisenbahnen, sondern wurde vom motorisierten Privatverkehr geprägt. Individuelle Mobilität und sinkende urbane Lebensqualität liessen die Einwohner in die grünen Agglomerationen abwandern. Die Desurbanisation bewirkte einen Bevölkerungsschwund der grösseren Städte, während das ehemalige landwirtschaftliche Umland zersiedelt wurde. Die damit einhergehende Trennung von Arbeits- und Wohnort führte zur Zunahme der Pendlerströme. Die chronische Überlastung des Strassennetzes sowie ökologische Überlegungen zeigten jedoch gegen Ende des 20. Jahrhunderts Grenzen des Individualverkehrs auf. Damit kommt dem öffentlichen Verkehr, vor allem im durch die S-Bahnen bedienten Nahverkehrsbereich, eine neue Bedeutung zu.
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