Bis zu den Anstössen durch den neuen Feminismus (Frauenbefreiungsbewegung) in den 1970er Jahren wusste man wenig über die Geschichte der Abtreibung in der Schweiz, die sich im Wesentlichen auf Quellen von Kirchenmännern, Juristen, Ärzten oder Politikern stützt und auf jüngeren Statistiken basiert. Der politische Kampf um die Liberalisierung der Gesetzgebung wurde 2007 in einer detaillierten Publikation festgehalten.
Die von Kirchentheoretikern bereits im 2. Jahrhundert n.Chr. eingeleitete Kriminalisierung der Abtreibung setzte der traditionellen Allmacht des pater familias ein Ende. Bevor Papst Benedikt XV. 1917 die Unantastbarkeit ungeborenen Lebens erklärte, bestanden allerdings nebeneinander sowohl Verbote der Abtreibung, die bisweilen mit, bisweilen ohne Einräumung einer Frist ausgesprochen und durch Bussbücher (aus jenem von Beda Venerabilis aus der ersten Hälfte des 8. Jh. ist die soziale Indikation herauszulesen), Dekrete und Bullen verbreitet wurden, wie auch Aristoteles' Theorie von der Beseelung des Fötus (vom 40. Tag an bei männlichen, vom 80. Tag an bei weiblichen Embryonen), die als Vorläuferin der Fristenlösung gesehen werden kann, und die im 14. Jahrhundert aufkommende medizinische Indikation. Aus jenem Jahrhundert stammen auch die ersten bekannten weltlichen Abtreibungs-Gesetze. In der Schweiz untersagten Apotheker-Ordnungen (z.B. 1404 in Basel, 1553 in Zürich) den Verkauf von Abtreibungsarzneien, wie sie allerdings in den Klöstern, so 1430 in Basel, eingesetzt wurden. 1532 trat in den katholischen eidgenössischen Orten die Carolina in Kraft, in der die Abtreibung eines lebenden Fötus mit dem Tode bestraft wurde. Sie diente auch in den reformierten Orten als Vorbild für deren Strafrecht, das die Abtreibung oft mit Kindesmord gleichsetzte. Einige Rechtsfälle (Appenzell 1487, St. Gallen 1528, Zürich 1595, Waadt 18. Jh.) deuten indes darauf hin, dass die Todesstrafe nicht unbedingt auch angewandt wurde.
Bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches (StGB) 1942 wurde die Abtreibung durch kantonale Gesetze geregelt. Einige davon anerkannten die medizinische Indikation und bestraften mehr die Person, die die Abtreibung ausführte, als die Betroffene (Waadt 1844, Genf 1874, Tessin 1873, Neuenburg 1891). 1896 begann eine zunächst unter Experten, dann öffentlich geführte Diskussion über fünf Gesetzesentwürfe, in denen der entschuldigende Notstand als Kriterium anerkannt wurde. Zur gleichen Zeit verbreiteten sich, vor allem vor 1914 in der Westschweiz, neo-malthusische Praktiken, erschien 1906 Auguste Forels «La question sexuelle» und wurden Ärzte aktiv, die für die Lage der Arbeiterinnen offen bzw. bestrebt waren, einen Rahmen festzulegen, der die Anwendung der medizinischen Indikation ermöglichte (Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie). In Basel führte 1919 die Diskussion über die Lex Welti, welche die Fristenlösung vorsah und im Grossen Rat zuerst angenommen, dann abgelehnt wurde, zur Konfrontation zwischen der damals bürgerlichen Frauenbewegung, die gegen die Liberalisierung war, und den Sozialisten nahestehenden Frauen, die dafür eintraten.
Die parlamentarische Debatte von 1929-1937 über das StGB war geprägt von der demografischen Depression, dem Schutz der Familie zur Steigerung der Geburtenziffer, sozialen Spannungen und der Medizinalisierung der Schwangerschaft. Geteilter Meinung waren die Parlamentarier über den Inhalt von Artikel 107 (ab 1942 Artikel 120), der Straffreiheit aus therapeutischen Gründen vorsah. Die 1929 im Nationalrat mit 99 gegen 7 Stimmen angenommene medizinische Indikation wurde von der vorberatenden Ständeratskommission abgelehnt, und so ging Artikel 107 bis 1937 zwischen beiden Kammern hin und her. Das StGB, das 1938 in einer Volksabstimmung knapp angenommen wurde und 1942 in Kraft trat, sieht die medizinische Indikation für die seither als «Schwangerschaftsabbruch» bezeichnete Handlung vor.
Nach mehreren Gerichtsfällen in Sachen Abtreibung im Kanton Neuenburg reichte der Freisinnige Maurice Favre im März 1971 im Neuenburger Grossen Rat eine Motion für eine Standesinitiative zur Streichung der Paragrafen 118-121 StGB ein. Im Juni desselben Jahres wurde von einem fünfköpfigen Komitee die Volksinitiative für «Straflosigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung» lanciert, die unter anderem auch von der Frauenbewegung unterstützt wurde. 1972 brachten christlich-konservative Kreise die Petition «Ja zum Leben, nein zur Abtreibung» in Umlauf. 1973 wurde die Schweizerische Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs ins Leben gerufen. Das Vernehmlassungsverfahren zu den von einer Expertenkommission ad hoc ausgearbeiteten Lösungen (Fristenlösung, medizinische Indikation, soziale Indikation) brachte einen tiefen Graben in der Gesellschaft zum Vorschein und veranlasste den Bundesrat, bei der sozialen Indikation zu bleiben. Die 1975 von der Bundesversammlung abgelehnte Initiative für die Straflosigkeit wurde zugunsten einer Initiative für die Fristenlösung zurückgezogen, die wiederum 1977 von 13 Kantonen und 4 Halbkantonen sowie von 51,7% der Stimmenden abgelehnt wurde. Das 1977 vom Parlament verabschiedete und von Feministinnen wie Abtreibungsgegnern gleichermassen kritisierte Bundesgesetz wurde 1978 in einer Referendumsabstimmung abgelehnt. Wegen der unterschiedlichen Praxis in den einzelnen Kantonen wurden sieben kantonale oder parlamentarische Initiativen für eine föderalistische Regelung eingereicht, die jedoch vom Ständerat abgelehnt wurden. 1985 lehnten 16 Kantone, 3 Halbkantone und 69% der Stimmenden die Initiative «Recht auf Leben» ab. 1995 wurde die Einführung der Abtreibungspille RU 486 (Zulassung 1999) in der Öffentlichkeit und in den Medien thematisiert, während im Parlament die Debatte über eine weitere parlamentarische Initiative für die Legalisierung der Fristenlösung (14 Wochen) begann: Im Jahr 2001 wurde diese vom Parlament angenommen, die Frist allerdings auf zwölf Wochen reduziert. Die Abtreibungsgegner, die 1999 eine Initiative für ein praktisch vollständiges Verbot der Abtreibung eingereicht hatten, sowie die CVP ergriffen daraufhin das Referendum. Im Juni 2002 wurde die Fristenlösung von 72,2% des Stimmvolkes angenommen; sie trat im Oktober in Kraft.
Faktisch zeugt zwar die niedrige Geburtenziffer zuerst in der städtischen, dann auch in der ländlichen reformierten Schweiz vom Ende des 17. Jahrhunderts an von einer malthusianischen Praxis (Geburtenregelung). Dennoch bleibt die Bedeutung der Abtreibung für die Intervalle zwischen den Geburten bzw. für deren Ausbleiben unklar. Der Einsatz von menstruationsfördernden Arzneien ist wohl seit der Antike nachgewiesen, doch dürften die Kindesaussetzung oder gar der Kindesmord bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der mit einer Abtreibung verbundenen Gefahren stärker verbreitet gewesen sein. Die Abtreibung wurde zwar mit der Erfindung der Kürette (1843), des Gummikatheters (ab 1850) und der Entdeckung der Aseptik (1867) medizinalisiert, blieb aber bis zur Entdeckung des Penizillins (1928) gefährlich. Der Rückgang der Fruchtbarkeitsziffer seit 1870 (1879-1882 4,14, 1929 2,2, 1940 1,83) deutet darauf hin, dass Abtreibung in allen Gesellschaftskreisen häufiger wurde, auch wenn sich die verhängten Strafen hauptsächlich gegen Frauen aus der städtischen Unterschicht richteten.
Untersuchungen von Gerichtsakten (Basel: 1906-1919, Lausanne: 1925-1950) und Oral-history-Studien geben Aufschluss über die verwendeten Mittel (Einnehmen von Gebräuen aus Sadebaum, Fingerhut, Absinth, Safran, Raute und Apiol, Einspritzungen von Seifenwasser, Jod, Lysol, Phenol und Chinarindenwein, Einführen von Laminariastiften und Kanülen, Ausschabung), über die Beweggründe der Angeklagten (wirtschaftliche Not, seit 1900 Wunsch zur Begrenzung der Kinderzahl), über ihr Misstrauen gegenüber Ärzten, ihre Herkunft, ihren Zivilstand, ihre Berufe, die Dauer ihrer Beziehung, die Einbeziehung des Partners in die Entscheidung über eine Abtreibung, ihren sozialen Status. Sie zeigen, dass Abtreibungen aus Solidarität mit den Frauen, aber auch aus Gewinnstreben ausgeführt wurden, und bringen neue Erkenntnisse über die Kosten, die Rolle von Nachbarschaft und Gerüchten sowie über die Kluft zwischen geltenden moralischen Normen, der Situation der Frauen und sexuellen Gewohnheiten. Deutlich wird auch, dass die Verbreitung der Abtreibung relativ unabhängig vom Grad der Repression war.
Die Zahl der legalen und illegalen Abtreibungen wird für 1930 auf 60'000-80'000, für 1966 auf ca. 50'000 geschätzt. Die legalen Abtreibungen lagen 1966 bei ca. 17'000, 1978 und 1980 bei 16'000, 1985 bei 14'000, 1990 bei 13'000, 1995 bei 12'000 sowie 1996 und 1998 bei 13'000. Die illegalen Abtreibungen nahmen stark ab, was zurückzuführen ist auf die faktische Ausweitung der medizinischen Indikation in den liberalen Kantonen Zürich, Basel-Stadt, Bern, Waadt, Neuenburg und Genf seit den 1950er Jahren, auf die fortschreitende Liberalisierung in anderen Kantonen (Tessin in den 1970er Jahren, Aargau, Basel-Landschaft, Glarus, Schaffhausen, Solothurn und Jura in den 1990er Jahren), auf die zunehmende Zahl von Familienplanungsstellen und Sexualerziehung an den Schulen, auf die Verbreitung von zuverlässigen Verhütungsmitteln seit den 1960er Jahren und auf die Übernahme der Kosten für den Eingriff durch die Krankenkassen. 2006 führte das Bundesamt für Statistik zum ersten Mal in einem Bericht die kantonalen Daten zusammen und stellte fest, dass seit der Einführung der Fristenlösung und der Abtreibungspille die Zahl der Abtreibungen nicht angestiegen ist.