Die durch den sogenannten Hansen-Bazillus ausgelöste Infektionskrankheit Aussatz, auch Lepra, verläuft selten tödlich. Unbehandelt greift sie in der Regel die Haut, die Schleimhäute und die peripheren Nerven an; das Gesicht der befallenen Person wird oft entstellt. Seit 1940 kann der Aussatz medikamentös behandelt werden.
Im Gebiet der Schweiz ist der Aussatz schon in frühen Zeiten belegt. Der heilige Romanus soll in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts zwei Aussätzige in einer Höhle bei Genf angetroffen haben. Der schreckliche Anblick der Befallenen und die Furcht vor Ansteckung durch eine "Krankheit der Seele" liessen die Leprösen zu Ausgestossenen werden, welche gezwungen wurden, die Siedlungszentren zu verlassen. Die Strassenbettelei wurde zur ersten Form des Überlebens. Bald aber führte die Idee der Caritas zur Schaffung von Einrichtungen (Siechenhäuser), die zugleich der Einschliessung und der Pflege der Aussätzigen dienten. Abt Otmar von St. Gallen (719-759) gründete das erste nachweisbare Siechenhaus in der Schweiz.
In den Quellen des 13.-14. Jahrhunderts dokumentiert sich der zwiespältige Status der Leprösen: Ihre Eingeschlossenheit und ihr Leiden machten sie einerseits zu begehrten Fürbittern der grossen Masse der Menschen vor Gott. Andererseits konnte sich aber auch der Volkszorn gegen sie wenden. So musste 1321 der Bischof von Lausanne den Priestern in seiner Diözese Anweisung geben, ihre Pfarreiangehörigen zu besänftigen, welche unter dem Vorwurf der Brunnenvergiftung begonnen hatten, die Güter der Aussätzigen zu plündern. Die Lepra blieb im Mittelalter endemisch und löste keine eigentlichen Epidemien aus; im 13.-14. Jahrhundert beherbergte jedes der grossen Siechenhäuser durchschnittlich 20 Aussätzige. Vom 15. Jahrhundert an scheint der Aussatz an Bedeutung verloren zu haben, wenn auch bis ins 18. Jahrhundert weiterhin Fälle vorkamen. In der zwinglianisch-reformierten Kirche war Aussatz einer der wenigen zugelassenen Scheidungsgründe. Die Ursachen seines Verschwindens aus Europa sind nicht eindeutig geklärt.