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Burgunder

Die Burgunder (Burgundiones) werden erstmals von Plinius dem Älteren (79 n.Chr.) als Teil der vandalischen Völkergruppe erwähnt. Ptolemaios nennt sie in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts als östliche Nachbarn der Semnonen.

Frühgeschichte (bis 436)

Die durch die Goten ausgelösten Wanderbewegungen (Völkerwanderung) führten Teile der Burgunder bis an das Schwarze Meer, der Hauptteil siedelte links der mittleren Oder. In den 270er Jahren traten burgundische Abwanderer erstmals mit den Römern in Berührung. Vom Ende des 3. Jahrhunderts an nahm eine grössere Gruppe die von den Alemannen nach deren Limesdurchbruch (259/260) aufgegebenen Gebiete der Rhein-Main-Gegend ein. Die Feindschaft zu den Alemannen liess die Burgunder das Bündnis mit den Römern suchen. Ein gemeinsamer römisch-burgundischer Feldzug gegen die Alemannen scheiterte 369/370, weil die Römer in der unerwartet hohen Zahl von burgundischen Kriegern eine Bedrohung erblickten. Ende des 4. Jahrhunderts verdrängten die Burgunder die Alemannen aus dem Gebiet zwischen Taunus und Neckar und erreichten den Rhein, den sie in ihrer Hauptmasse 406/407 im Gefolge des Vandalen-, Sueben- und Alaneneinfalls überschritten. Als Föderaten mit der Sicherung der Rheingrenze betraut, unterstützten die Burgunder unter dem Befehlshaber Gundahar die Erhebung des Jovinus (411) in der Provinz Germania Secunda, begleiteten ihn nach Südgallien und erhielten nach seinem Tod (413) als Föderaten «einen Teil Galliens nahe dem Rhein», das erste burgundische Reich, das wahrscheinlich am Mittelrhein (Worms) und nicht am Niederrhein zu lokalisieren ist. Um 430 besiegten rechtsrheinische Burgunder eine hunnische Abteilung, gerieten aber bald darauf unter die hunnische Vormacht und übernahmen während dieser Zeit die für die Hunnen charakteristische Mode der Schädeldeformation. 436 bereiteten die wohl mit Flavius Aëtius verbündeten Hunnen dem Burgunderreich am Mittelrhein und seinem König Gundahar den Untergang (Stoff des Nibelungenlieds).

Von der Ansiedlung in der Sapaudia (443) bis zum Untergang des altburgundischen Reichs (532/534)

Die Burgunder
Die Burgunder […]

Die Reste der Burgunder wurden 443 von Aëtius in der Sapaudia angesiedelt. Die Namenskontinuität zu Savoyen bedeutet nicht die geografische Identität. Nach neueren Forschungen ist an den Raum zwischen Ain, Rhone, Genfersee, Jura und Aare, d.h. den Südteil der Maxima Sequanorum, bzw. an die drei Civitates Genava, Colonia Iulia Equestris und Aventicum, d.h. an eine Ausdehnung bis zum Hochrhein im Raum der Aaremündung, zu denken. Mit der burgundischen Ansiedlung bezweckte Aëtius wohl weniger, eine alemannische Siedlungsbewegung im Schweizer Mittelland zu bremsen, als vielmehr die Alpenpässe und die Rhein-Rhone-Verbindung zu sichern und über eine zusätzliche Eingreifreserve für die Kämpfe in Gallien zu verfügen.

Schon 451 kämpften die Burgunder in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen die Hunnen. 456 unterstützten sie unter ihren erstmals erwähnten Königen Gundowech und Chilperich den Kaiser Avitus im Kampf gegen die Sueben in Spanien. Sie erweiterten 457 ihr Herrschaftsgebiet nach Südwesten in den Rhone-Saône-Raum und besetzten 461 definitiv Lyon. Nach dem Tod Gundowechs (470) setzte Chilperich die Südexpansion fort. 478 wurde die Südgrenze des Reichs am südfranzösischen Fluss Durance durch Vertrag mit den Westgoten festgelegt. Im Norden verdrängte Chilperich die Alemannen aus Langres und Besançon. Bei seinem Tod (480) hatte das Burgunderreich seine grösste Ausdehnung erreicht. Seine vier Söhne teilten es in der Weise, dass Gundobad die Herrschaft als Oberkönig mit Sitz in Lyon erhielt, Godegisel, Chilperich II. und Godomar Unterkönige mit den Sitzen in Genf und vielleicht in Valence und Vienne wurden. Ende des 5. Jahrhunderts gerieten die Burgunder zunehmend unter den Druck der Franken im Norden sowie der West- und Ostgoten im Süden. Durch ein doppeltes Ehebündnis – Gundobads Sohn Sigismund heiratete 492/494 Ariagne, die Tochter des ostgotischen Königs Theoderich des Grossen, während Chrodechild, die Tochter Chilperichs II., 492/493 vom fränkischen König Chlodwig I. geehelicht wurde – versuchte Gundobad, sich nach beiden Seiten abzusichern. Doch im Streit der Könige von Lyon und Genf im Jahr 500 griffen die Franken zugunsten des Genfer Königs Godegisel und die Westgoten zugunsten Gundobads ein. Trotz seines Sieges bei Dijon (500) unterlag schliesslich Godegisel gegen Gundobad, der mit westgotischer Hilfe sein Reich zurückeroberte, sich dann aber 506/507 mit dem ehemaligen Gegner Chlodwig I. gegen die von Theoderich dem Grossen geschützten Alemannen und Westgoten verbündete.

Als Gundobad 516 starb, folgte ihm sein ältester Sohn Sigismund. Dieser war zwischen 501/502 und 507 vom Arianismus zum Katholizismus übergetreten, was die burgundisch-ostgotischen Spannungen verstärkte. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Sigismund 522 seinen Sohn Sigerich, den Enkel Theoderichs des Grossen, ermordete, weil er ihn des Komplotts mit Theoderich verdächtigte. Die merowingischen Könige benutzten dies als Anlass, fielen in Burgund ein und eroberten den Norden des Reichs, während Theoderich das Gebiet zwischen den Flüssen Durance und Isère besetzte (523). Sigismund, der in dem von ihm gegründeten Kloster Saint-Maurice Zuflucht suchen wollte, wurde den Franken ausgeliefert und von König Chlodomer getötet. Den zweiten Eroberungsversuch der Merowinger konnte der inzwischen zum König der Burgunder erhobene Godomar 524 abwehren (Schlacht bei Vézeronce, östlich von Vienne), doch unterlag er 532 den erneut angreifenden Franken bei Autun. Dies bedeutete das Ende des altburgundischen Reichs. 534 teilten die Merowinger das Burgunderreich in der Weise, dass Theudebert, der Reimser König, ganz Nordburgund mit Langres, Besançon, Autun und Chalon sowie in der Schweiz Aventicum-Vindonissa und Octodurus erhielt, Childebert, der König von Paris, den Kernraum mit Lyon, Mâcon, Vienne, Grenoble sowie vielleicht Genf und Tarentaise, und Chlothar, der König von Soissons, wahrscheinlich den Süden bis zur Durance. In der Folge teilte Burgund das Geschick des Frankenreichs.

Bevölkerung und Siedlung, Archäologie und Sprache

Über die Anzahl der im Jahr 443 in der Sapaudia angesiedelten Burgunder gehen die Meinungen weit auseinander. Aus den Angaben über die angeblich 80'000 burgundischen Krieger, die 370 den Römern am Rhein zu Hilfe kamen, über die 20'000 Menschen, die 436 gefallen sein sollen, bzw. die 3000 rechtsrheinischen Burgunder welche die Hunnen besiegten, wurde einst eine masslos hohe «Volkszahl» der Burgunder errechnet, woran sich die Vorstellung einer massiven Volkssiedlung und Landnahme knüpfte. Aus dem Vergleich mit anderen barbarischen Gruppen, die als Föderaten angesiedelt wurden, und den Schätzungen der übrigen germanischen Völker ergeben sich weit geringere Zahlen in einem Grössenbereich zwischen 25'000 (davon 5000 Krieger) und 5000-10'000 (davon 1000-2000 Krieger). Auf der Grundlage der Gräberfelder wurde von archäologischer Seite die Gesamtbevölkerung des Königreichs Burgund auf 300'000-500'000 Personen geschätzt (davon ca. 80'000-100'000 für die Westschweiz), bei einer Gesamtausdehnung des Reichs von ca. 50'000-60'000 km². Für den Raum der Sapaudia würde die Zahl der im Jahr 443 einquartierten Burgunder immerhin ein Viertel bis ein Drittel bzw. bei Minimalschätzung 10% der Gesamtbevölkerung ausmachen, im ganzen Königreich Burgund indessen höchstens 5-10% bzw. minimal unter 1%.

Die burgundischen Truppen wurden 443 in der Sapaudia und 457 in der Provinz Lugdunensis wohl nach den gesetzlichen Vorgaben für die Einquartierung des römischen Heeres als hospites (d.h. im Gastverhältnis) aufgenommen. Möglicherweise wandelte sich dieses Einquartierungssystem über eine Phase der Übertragung von Steueranteilen, wobei die Besitzverhältnisse nicht angetastet wurden, zur Realteilung, die sich im Teilungsmodus der «Lex Burgundionum» (Burgunderrechte) widerspiegelt. Demnach standen den Burgundern zwei Drittel des Ackerlandes, ein Drittel der Sklaven sowie die Hälfte von Haus, Hof, Garten, Wald und Weide zu.

Vogelkopfspange von En Vaudallaz in Lavigny (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Fibbi-Aeppli, Grandson).
Vogelkopfspange von En Vaudallaz in Lavigny (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Fibbi-Aeppli, Grandson).
Brosche aus Bronze, Almandin und Elfenbein aus dem Grab 144 im waadtländischen Saint-Sulpice (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Yves André).
Brosche aus Bronze, Almandin und Elfenbein aus dem Grab 144 im waadtländischen Saint-Sulpice (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Yves André).

Da die Burgunder äusserst rasch mit der romanischen Grundbevölkerung verschmolzen und sich in ihrem Reich kein eigenständiges burgundisches Handwerk entwickelte, bleibt der archäologische Nachweis burgundischer Bevölkerungsgruppen schwierig. Streng zu trennen sind der politische Herrschaftsraum, der sich infolge der Expansion des 5. Jahrhunderts schliesslich auf ca. 32 Civitates ausdehnte, der Kulturradius, der sich – greifbar vor allem für die Merowingerzeit – in der romanischen Trachtprovinz Burgund widerspiegelt, und die engeren Siedlungsräume mit burgundischen Bevölkerungssplittern. Diese sind archäologisch insbesondere im Raum um Genf bzw. im Bereich der Sapaudia nachgewiesen. Kennzeichnend sind besondere Trachtbestandteile wie frühe germanische Vogelkopf- und Bügelfibeln, Eisenhalsringe, Körbchenohrringe, ferner Metallspiegel östlicher Herkunft und künstlich deformierte Schädel, die beide auf den Kontakt der rechtsrheinischen Burgunder mit den Hunnen zurückgeführt werden. Nach Ausweis der Gräberfelder von Sézegnin und Monnet-la-Ville haben die Burgunder mit den Romanen die Bestattungsplätze geteilt. Das frühmittelalterliche Fundgut lässt sich nicht als spezifisch burgundisch nachweisen, sondern gehört wie etwa die Reliquiarschnalle von Monnet-la-Ville zu den zahlreichen Trachtbestandteilen, darunter den bronzenen Gürtelschnallen mit figürlichen Darstellungen (Danielschnallen), die sich in fränkischer Zeit in Nordburgund, d.h. im westschweizerischen Mittelland, im Jura, Saônetal und in der Freigrafschaft Burgund finden. Sie stammen wohl aus den einheimischen romanischen Werkstätten, weshalb von einer romanischen Trachtprovinz Nordburgund zu sprechen ist. Einen Hinweis auf burgundische Bevölkerungssplitter bieten auch die im Raum der südlichen Sapaudia und in der Nähe der Städte des Rhonetals gefundenen, aus der Zeit der burgundischen Herrschaft datierenden Inschriften mit germanischen, häufig burgundischen Namen.

Beigaben aus einem Frauengrab (Grab 57) von Sur-les-Mausannes in Saint-Sulpice (VD), um 450/470 (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Yves André).
Beigaben aus einem Frauengrab (Grab 57) von Sur-les-Mausannes in Saint-Sulpice (VD), um 450/470 (Musée cantonal d'archéologie et d'histoire, Lausanne; Fotografie Yves André). […]

Schwierig abzuschätzen sind die sprachlichen Auswirkungen der burgundischen Ansiedlung bzw. Herrschaft auf das Romanische. Die wenigen burgundischen Sprachquellen lassen nicht eindeutig erkennen, ob das Burgundische zum Ost- oder Westgermanischen zu rechnen ist. Gewisse Parallelen zum Gotischen werden mit der gemeinsamen nordgermanischen Herkunft erklärt. Von sprachwissenschaftlicher Seite abgelehnt worden sind Versuche, aus den überlieferten Personennamen burgundische Wörter und aus dem Südostfranzösischen eine burgundische Grammatik zu rekonstruieren. Auf Ablehnung gestossen ist auch die These, dass die auf -ens, -ans (-ingos) endenden Ortsnamen den Burgundern, die auf -enge(s), -ange(s) (-ingas) endenden aber den Franken bzw. Alemannen zuzuschreiben seien. Gleiches gilt für die Herleitung der meisten, angeblich spezifisch burgundischen Rechtswörter und für die Annahme von ca. 50-70 Lehnwörtern im Frankoprovenzalischen. Lassen sich die charakteristischen -ingen-Ortsnamen in ihren verschiedenen Ausprägungen nicht eindeutig bestimmten ethnischen Gruppen zuordnen, sondern nur in den grösseren Zusammenhang mit dem merowingerzeitlichen Landesausbau des 6./7. Jahrhunderts stellen, dann ist auch daraus kein unmittelbarer Einfluss der Burgunder auf die Ausbildung der deutsch-französischen Sprachgrenze in der Westschweiz abzuleiten. Allenfalls ist die Verbreitung der -ingos-Namen bis zur Saane und in den Berner Südwestjura Zeichen für «ein sprachliches Nachleben burgundischer Elemente in romanischem Mund» (Stefan Sonderegger).

Verfassung und Recht, Sozialstruktur und Wirtschaft

Das Rhonereich der Burgunder war kein strikter Zweivölkerstaat. Die 517 von König Sigismund (neu) herausgegebene, auf dem Gesetzbuch seines Vaters Gundobad beruhende Gesetzessammlung («Liber Constitutionum» – «Lex Burgundionum») hält die ethnische Scheidung zwischen Burgundiones und Romani im Wesentlichen nur aufrecht im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Ansiedlung und Integration der neuen Bevölkerungsgruppen in den von den Königen beherrschten römischen Provinzen und deren Gesetzesfolgen. Die wohl auch erst unter Sigismund abgefasste «Lex Romana Burgundionum» war eher als handliche Zusammenfassung des provinziellen römischen Rechts und Ergänzung des «Liber Constitutionum» gedacht, denn als Rechtsbuch der «Römer». Burgunder und Romanen waren im burgundischen Reich rechtlich gleichgestellt, konnten als comites und iudices richterliche und Verwaltungsfunktionen ausüben sowie den Heeresdienst leisten; Eheverbindungen zwischen Burgundern und Romanen waren ebenfalls gestattet. Die soziale und ständische Gliederung war für beide ähnlich. Die burgundische Ansiedlung änderte an der Sozial- und Wirtschaftsstruktur, an der landwirtschaftlichen Technik und Betriebsweise wohl kaum etwas. Die Kolonen und Unfreien blieben den Grundherren untertan. Ob der zunehmende Holzbau, der selbst bei Kirchenbauten in Genf im 6. Jahrhundert nachzuweisen ist, auf ein traditionell, insbesondere von den rechtsrheinischen Burgundern im 5. Jahrhundert ausgeübtes Gewerbe zurückgeht und überhaupt ursächlich direkt mit den Burgundern in Zusammenhang zu bringen ist und nicht vielmehr mit einem generellen Wandel der Wirtschaftsweise, ist noch nicht geklärt. Auch das Handwerk verblieb offenbar im Unfreienstand, wenngleich die unterschiedlichen Wergelder eine soziale Aufwertung der Metall verarbeitenden Handwerke erkennen lassen. Ihre hochwertigen Erzeugnisse, insbesondere die Gürtel- und Reliquiarschnallen aus Nordburgund, zeigen deutlich die Spuren einheimischer romanischer Werkstatttraditionen und Verbindungen zum mediterranen Raum. Im Geldverkehr verwendeten die Burgunder Münzen, die als bewusste Imitationen der solidi und tremisses der oströmischen Kaiser gestaltet sind und lediglich die Monogramme der burgundischen Könige aufweisen. Geprägt wurde in der Hauptresidenz Lyon, aber offenbar auch in Valence und in Genf, den Sitzen der Unterkönige.

Zweifellos begünstigte die rechtliche und soziale Gleichstellung die rasche Assimilation genauso wie die rechtliche Doppelstellung des Königs. Die Könige der zweiten Dynastie, die vielleicht westgotischer Abstammung war, waren einerseits römische Amtsträger (magister militum, patricius), die im kaiserlichen Auftrag den Schutz über die Römer innerhalb ihres Herrschaftsbereichs übernommen hatten, andererseits waren sie reges Burgundionum. Die Verlegung der Residenz von Genf nach Lyon unter Gundowech um 461 führte nicht, wie bei den Merowingern, zu einer Realteilung mit seinem Bruder Chilperich, sondern zu einem System mit einem in Lyon residierenden Hauptkönig und anderen Herrschern im Range von Unterkönigen, die in der inneren Verwaltung durchaus selbstständig waren, mit Sitz in Genf namentlich Chilperich I., Godegisel und Sigismund. Im Bruderzwist zwischen Godegisel und Gundobad wurde Genf um 500 anscheinend niedergebrannt. Wenig später bekundet eine Inschrift die Restaurierung der Stadtmauer durch Gundobad, doch hat insbesondere Sigismund wichtige Anstösse zum Wiederaufbau gegeben. Seinerzeit wurden wahrscheinlich die nördliche Kathedralkirche (Saint-Pierre) erweitert und mehrere suburbane Kirchen gebaut. Neben den Königssitzen sind nur wenige Aufenthaltsorte der burgundischen Könige bezeugt, so Carouge, wo Sigismund zum König erhoben worden ist, oder Ambérieu-en-Bugey, wo Gundobad 501 und Godomar 524 anlässlich von Reichsversammlungen Gesetze erliessen. An der Reichsverwaltung waren von Anfang an Romanen, insbesondere Angehörige des Senatorenadels, führend beteiligt, so unter Chilperich I. der von Sidonius Apollinaris als novus Burgundionum Solon gepriesene Syagrius. Während die römische Provinzordnung zusammengebrochen war, lebten die Civitates als Kernelemente der lokalen Verwaltung fort; ihre Leitung übernahmen burgundische bzw. romanische comites. Zur Zeit seiner grössten Ausdehnung gehörten 32 Civitates zum burgundischen Reich, verteilt über die Provinzen Lugdunensis Prima, Maxima Sequanorum, Viennensis, Narbonensis Secunda, Alpes Graiae und Alpes maritimae nördlich der Durance.

Christianisierung, Arianismus und Katholizismus

Nach den übereinstimmenden, aber umstrittenen Aussagen der spätantiken Kirchenhistoriker Orosius und Sokrates waren zumindest Teile der mittel- und rechtsrheinischen Burgunder katholische Christen. Die Könige der zweiten Dynastie – bezeugtermassen Gundobad, Sigismund und Godomar vor ihrer Konversion sowie Godegisel – waren Arianer, möglicherweise aufgrund der von Gregor von Tours behaupteten westgotischen Abstammung bzw. der politisch-religiösen Anlehnung an die Westgoten. Da gleichzeitig viele Frauen des Königshauses (Caretene, Saedeleuba/Chrona, Chrodechilde) katholisch waren, zudem der Burgunder Hymnemodus als Abt in Grigny (bei Vienne) und in Saint-Maurice bezeugt ist, wird anzunehmen sein, dass viele Burgunder im 5. Jahrhundert wohl katholisch waren, die Könige und die Oberschicht in der Generation Gundowechs und Gundobads aus politischer Erwägung hingegen Arianer. Die arianische Kirche unterstand ganz der Obhut der Könige. Auch gewaltsame Umwandlungen katholischer Kirchen in arianische sind vorgekommen. Neben den Arianern gab es insbesondere in Genf die einer adoptianistischen Christologie anhängenden Bonosianer. Die katholische Kirche fand selbst unter den arianischen Königen nicht nur Duldung, sondern auch Unterstützung. Schon 463 wurde König Gundowech durch Papst Hilarius in kirchliche Angelegenheiten hineingezogen. Chilperich I. stattete das Jurakloster Saint-Claude mit Gütern aus. Saedeleuba, die Tochter Chilperichs II., überführte um 500 die Gebeine des Thebäers Victor von Solothurn nach Genf. Gundobad und Sigismund standen unter dem starken Einfluss des Avitus von Vienne. Avitus' Einfluss führte zu Sigismunds Übertritt zum Katholizismus (zwischen 502 und 507) und wenig später zu jenem seines Bruders Godomar. Sigismund trat eifrig für die katholische Kirche ein, reiste zu Papst Symmachus (514) nach Rom, von wo er viele Reliquien mitbrachte und in Burgund verteilte. Er stellte in Genf die im Bruderkrieg von 500/501 zerstörte Kirche wieder her und gründete 515 am Grab des heiligen Mauritius in Acaunum die Abtei Saint-Maurice und stattete sie mit reichem Besitz im Wallis, Waadtland und in Burgund aus. Nach byzantinischem Vorbild richtete Sigismund in Saint-Maurice die laus perennis ein, den ewigen Psalmengesang, der für viele Klöster Galliens vorbildhaft werden sollte. 517 versammelten sich in Epao (vielleicht Saint-Romain d'Albon, südlich von Vienne) die Bischöfe von Sigismunds Herrschaftsgebiet zu einem Konzil, das wie das westgotische Konzil in Agde (506) und das fränkische in Orléans (511) als Reichskonzil gelten kann. Unter den 24 Bischöfen, welche die Akten des Konzils unterzeichneten, waren auch jene von Besançon, Vindonissa, Genf, Octodurus und Tarentaise. Das ganze Gebiet zwischen Genfersee und Hochrhein gehörte damals offenbar zum burgundischen Herrschaftsbereich.

Nachwirkung

Der auf die Burgunder zurückgehende Landesname Burgund ist über verschiedene Etappen von dem merowingisch-fränkischen Teilreich über die Königreiche Nieder- und Hochburgund des 9. Jahrhunderts, das Königreich Burgund (Zweites Königreich) des 10.-11. Jahrhunderts, das Herzogtum, die Freigrafschaft, die Landgrafschaften Burgund und auch über die sogenannte burgundische Eidgenossenschaft des Hoch- und Spätmittelalters bis hin zur modernen Region Bourgogne bewahrt geblieben. Er dürfte als Symbol eines regionalen Eigenbewusstseins Bedeutung gehabt haben, ohne dass die Abstammung eine entscheidende Rolle gespielt hätte. Schon Mitte des 8. Jahrhunderts wird unter der gens Burgundionum die gesamte Bevölkerung des fränkischen Teilreichs verstanden. Nur in wenigen Gruppen des hohen Adels scheint bis ins 7. Jahrhundert das Bewusstsein vorhanden gewesen zu sein, im engeren Sinne von den Burgundern abzustammen. Zeugen dafür sind die als «altburgundisch» erkennbaren Fraktionen in den Adelskämpfen der spätmerowingischen Zeit. Das burgundische Königtum lebte in der Gestalt des schon im 6. Jahrhundert als Märtyrer verehrten Sigismund fort. 535/536 holten die Mönche von Saint-Maurice die Reste ihres Klostergründers in die Johanneskapelle (heute Saint-Sigismond) von Saint-Maurice. Von hier aus verbreitete sich der Kult des ersten heiligen Königs des Mittelalters, besonders vom 11. Jahrhundert an, in der Schweiz und den benachbarten Gebieten.

Quellen und Literatur

  • Handbuch der Schweizer Geschichte 1, 21980, v.a. 95-101
  • Reallexikon der germanischen Altertumskunde 4, 1981, 224-271 (mit Bibliografie)
  • Lexikon des Mittelalters 2, 1983, 1092-1097 (mit Bibliografie)
  • I. Wood, «Ethnicity and the Ethnogenesis of the Burgundians», in Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern 1, hg. von H. Wolfram, W. Pohl, 1990, 53-69
  • R. Krieger, Untersuchungen und Hypothesen zur Ansiedlung der Westgoten, Burgunder und Ostgoten, 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche 2, 31994, 808-810
  • P. Amory, «Names, ethnic identity and community in fifth- and sixth-century Burgundy», in Viator 25, 1994, 1-30
  • Les Burgondes, hg. von H. Gaillard de Semainville, 1995
  • A. Furger et al., Die Schweiz zwischen Antike und Mittelalter, 1996
  • Les pays romands au Moyen Age, hg. von A. Paravicini Bagliani et al., 1997, v.a. 31-36, 103-107
  • S. Esders, Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
  • J. Favrod, Histoire politique du royaume burgonde (443-534), 1997
  • B. Schilling, «Ansemundus dux, das Ende des Burgunderreichs und der Senat von Vienne», in Archiv für Diplomatik 46, 2000, 1-47
  • J. Favrod, Les Burgondes, 2002
  • W. Pohl, Die Völkerwanderung: Eroberung und Integration, 2002, 152-165
  • R. Kaiser, «L'entourage des rois du regnum Burgundiae aux époques burgonde et mérovingienne», in A l'ombre du pouvoir. Les entourages princiers au moyen âge, hg. von A. Marchandisse, J.-L. Kupper, 2003
Weblinks

Zitiervorschlag

Reinhold Kaiser: "Burgunder", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.10.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008028/2006-10-09/, konsultiert am 19.03.2024.