1240-1536 savoy. Kastlanei, 1536-1798 Vogtei, 1798-1848 Bez. des Kt. Freiburg. Die sich über ca. 130 km2 erstreckende Kastlanei umfasste ungefähr den heutigen Glanebez., ohne das Gebiet im Bereich des unteren Flusslaufs, das der Gerichtsbarkeit des Kastlans von Rue unterstand. Peter II. von Savoyen gründete im Glanetal die neue Stadt R., um auf dem Weg vom Genfersee nach Freiburg eine alternative Route zu den Tälern der Broye und der Saane etablieren zu können. Die savoy. Expansionsgelüste nach Nordosten machten aus dem Gebiet einen Brückenkopf gegen die habsburg., bern. und freiburg. Rivalen. Die Kastlanei gehörte 1285-1359 zur Apanage der Herren von Savoyen-Waadt, bis Catherine, Herrin der Waadt, ihr Land dem Gf. Amadeus VI. von Savoyen verkaufte.
1439 erhob Hzg. Amadeus VIII. in seinem Testament das Schloss, die Stadt, die Kastlanei, das Mandement und die Gerichtsbarkeit R. zu Gunsten seines illegitimen Halbbruders Humbert von Savoyen zur Grafschaft. 1460 übertrug Hzg. Ludwig die Grafschaft und den Grafentitel seinem Sohn Jakob. Nach den Burgunderkriegen verlor Jakob von R., der auf der Seite Karls des Kühnen gestanden hatte, seine Apanage an Bern, das die Grafschaft 1478 an Herzogin Jolanda von Savoyen verkaufte. Die Tochter von Jakob, Françoise Louise (ca. 1485-1511), erhob beim Tod ihres Vaters 1486 Anspruch auf die Grafschaft. Gemäss einem Schiedsspruch von Margarete von Österreich erhielt sie eine Entschädigung von 30'000 Florin. Obwohl Emmanuel-Philibert von Savoyen 1578 formell zugunsten Freiburgs auf die Grafschaft verzichtete, führten die Hzg. von Savoyen und dann die Kg. von Sardinien und Italien bis 1946 den Gf. von R. in ihrem Titel.
Der Kastlan wurde von den Herren von R. eingesetzt und entlöhnt. Er war für die hohe Gerichtsbarkeit, die Verteidigung der Stadt, die Vertretung R.s bei der Ständeversammlung der Waadt, die Abgaben sowie die Buchführung zuständig, die er jährlich der Rechnungskammer einreichte. Bei seinem Amtsantritt musste er gegenüber den Einwohnern von R. schwören, ihre Rechte, die sich an jenen der Stadt Moudon orientierten, zu wahren. Die Kastlanei blieb savoyisch bis zur Eroberung der Waadt durch Bern und Freiburg 1536. Die Bevölkerung schloss sich dann dem kath. Freiburg an, um ihren Glauben zu behalten.
Vor der Phase der hohen Sterblichkeit in der 2. Hälfte des 14. Jh. lebten über 4'000 Personen in der Kastlanei. Die Stadt R. wuchs nach ihrer Gründung bis Mitte des 14. Jh. stark an. Gemäss den Lehensverzeichnissen hatte sie 1278 ca. 1'150 Einw. und 1364 und 1404 mindestens 1'650. Die ungefähr zwanzig Nachbardörfer zählten zusammen jedoch nicht mehr als 500 Feuerstätten. Der bescheidene lokale Adel, etwa die Billens, Dompierre oder d'Illens, huldigte dem Gf. respektive dem Hzg. von Savoyen und war für ihn eine Unterstützung in der Region. Bis Ende des 15. Jh. gab es zahlreiche Zinspflichtige. Der Einfluss des Söldnerwesens und der Auswanderung auf die Bevölkerung ist nicht bekannt. Das Einkommen beruhte v.a. auf Viehzucht, Forstwirtschaft und Landwirtschaft. R. soll ab dem 13. Jh. ein regionales Zentrum für den Haferhandel gewesen sein. Die landwirtschaftl. und techn. Entwicklung der Region ist insbesondere den Zisterziensern von Hauterive zu verdanken. Den Flüssen Glaney, Glane und Neirigue entlang gab es zahlreiche Mühlen, Stampfen und Walken, allerdings entstand keine Protoindustrie daraus. Im 16. Jh. lebte die Kastlanei einzig von Landwirtschaft und lokalem Handwerk.
1536 wurde die Kastlanei von Freiburg in eine Vogtei umgewandelt. Als Vogt wurde stets ein Freiburger Patrizier eingesetzt, der im Schloss R. residierte. 1798 gehörte R. zu denjenigen Vogteien, die sich die Schaffung eines Kt. Sarine et Broye wünschten. 1798-1848 wurde R. von einem Präfekten verwaltet. In der Helvet. Republik 1798-1803 bildete die Vogtei R. zusammen mit jener von Farvagny den helvet. Distrikt R. (1798 knapp 7'000 Einw.). Dieser unterstützte den Aufstand der Bourla-Papey und verteidigte die Abschaffung der Feudalrechte. Beim föderalist. Aufstand im Herbst 1802 war der Distrikt politisch geteilt: Farvagny stand auf der Seite der Föderalisten, während der Süden des Distrikts und die Stadt R. der Helvetik treu blieben. In der Restauration wehrte sich der nun freiburg. Bezirk erfolglos gegen die Wiedereinsetzung des Patriziats. In der Regenerationszeit 1830-45 näherten sich das Freiburger Patriziat und die lokalen Notabeln wie die Moret, Badoud, Wuilleret oder Musy einander an. Die Sparkasse R. wurde 1830 gegründet, nachdem der Beschluss gefallen war, die Strassen, insbesondere die Strecke Freiburg-R.-Rue, auszubauen. Die Wirtschaft beruhte jedoch weiterhin auf Landwirtschaft und Viehzucht. Die Freiburger Niederlage im Sonderbundskrieg 1847 bewirkte eine Neuordnung der Verwaltungskreise und führte 1848 zur Schaffung des Glanebez., der die Bez. R. und Rue zusammenfasste.