de fr it

Kartografie

Als angewandte Wissenschaft befasst sich die Kartografie mit allen Aspekten des grafischen Kartenbildes, der Kartengrafik und der Kartentechnik. Karten sind verkleinerte, vereinfachte, inhaltlich ergänzte und erläuterte Grundrissbilder der Erdoberfläche oder eines Teils derselben. Sie abstrahieren räumliche Realitäten in visueller oder digitaler Form. Kartografen werden in einer vierjährigen Berufslehre ausgebildet. An der ETH Zürich ist Kartografie Teil des Geomatikstudiums. Seit 1969 besteht die Schweizerische Gesellschaft für Kartografie.

Ausschnitt aus dem Faksimile der Karte des Kantons Zürich von Hans Conrad Gyger aus dem Jahr 1667. Lithografie Hofer & Burger, 1891 (Bundesamt für Landestopografie).
Ausschnitt aus dem Faksimile der Karte des Kantons Zürich von Hans Conrad Gyger aus dem Jahr 1667. Lithografie Hofer & Burger, 1891 (Bundesamt für Landestopografie). […]

Die älteste kartografische Darstellung des Gebiets der heutigen Schweiz ist in einem römischen Routen-Distanzschema enthalten, der sogenannten Tabula Peutingeriana. In den kleinmassstabigen mittelalterlichen Mönchskarten, die eher als Weltbilder denn als Abbilder der Erde zu verstehen sind, erscheinen lediglich einzelne Ortsnamen. Im 15. und 16. Jahrhundert entstanden mehrere bedeutende Gesamtkarten der Eidgenossenschaft. 1496/1497 zeichnete der Zürcher Arzt und Astrologe Conrad Türst zwei Karten auf Pergament in Kavalierperspektive, indem er in einen in Vertikalperspektive entworfenen Grundriss Berge, Ortschaften und Wälder als Aufrissbilder einfügte. Im «Ptolemäus-Atlas» von 1513 erschien die vermutlich erste gedruckte Karte der Schweiz (Klaudios Ptolemaios). Die von Aegidius Tschudi neu entworfene und 1538 von Sebastian Münster als Holzschnitt herausgegebene Karte ist als unabhängige, neu aufgenommene Primärkarte eine herausragende Leistung. Im 16. Jahrhundert erschienen erste Karten einzelner Kantone: 1566 Zürich vom bedeutendsten Holzschnittkartografen Jos Murer, 1578 Bern von Thomas Schöpf, um 1600 Luzern als Federzeichnung von Renward Cysat und Hans Heinrich Wägmann, im 16. Jahrhundert das Genferseegebiet von Jean Duvillard und Jacques Goulart, 1618 die Drei Bünde von Fortunat Sprecher von Bernegg und Philipp Klüwer, 1645 das Vierwaldstätterseegebiet von Johann Leopold Cysat und 1684 sowie 1685 Schaffhausen von Heinrich Peyer.

Ausschnitt aus einer Karte des Atlas suisse von Johann Rudolf Meyer und Johann Heinrich Weiss, veröffentlicht zwischen 1796 und 1802 (ETH-Bibliothek Zürich).
Ausschnitt aus einer Karte des Atlas suisse von Johann Rudolf Meyer und Johann Heinrich Weiss, veröffentlicht zwischen 1796 und 1802 (ETH-Bibliothek Zürich). […]

In der Tradition der süddeutschern Landtafelmaler stehen die exakten Kartengemälde Hans Conrad Gygers, die als hervorragende Geländedarstellungen in Vertikalsperspektive zu den grössten Kartenkunstwerken der Welt gehören. Gyger wird gelegentlich der Gruppe der sogenannten Kriegsingenieure zugeordnet. Mehrere seiner Karten waren nämlich ― wie überhaupt viele Karten dieser Zeit ― für strategische Zwecke gezeichnet worden. Den Kriegsingenieuren des 17. Jahrhunderts folgten im 18. Jahrhundert zivile Geometer und Lehenskommissäre (Vermessung). Sie schufen, oft in privatem Auftrag, prachtvolle Zehnt-, Herrschafts- oder Gemarkungspläne, die sie nur als Original oder in wenigen Kopien ablieferten. Diese Pläne, die militärischen Ansprüchen nicht genügen mussten, führten zu einer Stagnation der «wissenschaftlichen» Kartografie in der Schweiz; dies kommt auch in der berühmten Schweizerkarte Johann Jakob Scheuchzers von 1712 zum Ausdruck. In privatem Auftrag entstand 1796-1802 der «Meyer-Weiss-Atlas», ein Kupferstichwerk in 16 Blättern im Massstab ca. 1:120'000, die erste völlig neu aufgenommene und einheitliche Karte seit derjenigen von Tschudi.

Schulkarte des Kantons Zürich 1:150'000. Ausschnitt aus der Manuskriptkarte von Eduard Imhof und Mitarbeitern, ohne Beschriftung, 1969 (ETH-Bibliothek Zürich).
Schulkarte des Kantons Zürich 1:150'000. Ausschnitt aus der Manuskriptkarte von Eduard Imhof und Mitarbeitern, ohne Beschriftung, 1969 (ETH-Bibliothek Zürich).

Auf der Grundlage neuer kantonaler Vermessungen publizierte das 1838 in Genf gegründete Topographische Bureau, das spätere Bundesamt für Landestopographie, 1845-1864 unter der Leitung seines Gründers Guillaume-Henri Dufour die erste amtliche Gesamtkarte der Schweiz. Diese Kupferstichkarte im Massstab 1:100'000 stellte das Gelände mittels Schraffen und Schattenplastik dar. Ab 1870 entstand der «Topographische Atlas der Schweiz» unter der Leitung von Hermann Siegfried, der als Nachfolger Dufours 1866 die Direktion des Topographischen Bureaus (ab 1868 Sitz in Bern) übernommen hatte. Die meisten der bis 1926 herausgegebenen 604 Kartenblätter des «Topographischen Atlas» im Massstab 1:25'000 bzw. 1:50'000 mit Höhenkurven und hervorragender Felszeichnung basierten auf revidierten Landschaftsaufnahmen oder neuen Vermessungen. Ab 1938 erschienen die ersten Blätter der neuen Landeskarte 1:50'000, massgeblich beeinflusst von Eduard Imhof, ab 1925 Leiter des neu gegründeten Instituts für Kartografie an der ETH Zürich. 1964 waren das Kartenwerk 1:50'000 und 1965 die Karten im Massstab 1:100'000 abgeschlossen. 1979 erschien das letzte Blatt im Massstab 1:25'000. Seither werden diese Karten im Turnus von sechs Jahren überarbeitet.

Verkleinerter Ausschnitt aus der Landeskarte 1:50'000, Blatt 225, Zürich-Wallisellen, 2002 (Bundesamt für Landestopografie, BA 024729).
Verkleinerter Ausschnitt aus der Landeskarte 1:50'000, Blatt 225, Zürich-Wallisellen, 2002 (Bundesamt für Landestopografie, BA 024729).

Das amtliche Kartenwerk wird ergänzt durch Karten im Massstab von 1:200'000, 1:500'000 und 1:1 Mio. Als nationale Atlanten werden der «Geologische Atlas der Schweiz» (ab 1930), der «Atlas der Schweiz» (ab 1965), der «Klimaatlas der Schweiz» (ab 1982) und der «Hydrologische Atlas der Schweiz» (ab 1992) erarbeitet und fortlaufend nachgeführt, wobei für die Herstellung einzelner Karten weitgehend digitale Technik eingesetzt wird. Der «Atlas der Schweiz ― interaktiv», der neben der topografischen und geologischen Thematik auch Aspekte aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik aufgreift, erschien 2000 als CD-ROM. Seit dem 19. Jahrhundert fördert vor allem der Schweizer Alpen-Club die Relief-Kartografie, eine gut gelungene Verbindung von Kunst und Technik. Parallel zur amtlichen Kartografie haben private Verlage (Hallwag, Kümmerly & Frey, Orell Füssli) bedeutende Leistungen in den Bereichen der Schul-, Tourismus- und Strassenkarten erbracht, die wesentlich zum international bedeutenden Ruf der Schweizer Kartografie beitragen.

Quellen und Literatur

  • G. Grosjean, Gesch. der Kartografie, 1980 (31996)
  • Lex. zur Gesch. der Kartografie, 1986
  • Cartographica Helvetica, 1990-
  • H. Meyer-Schudel, Karten in Schweizer Bibliotheken und Archiven, 1992
  • D. Gugerli, D. Speich, Topographien der Nation, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Rudolf Egli: "Kartografie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008258/2014-11-26/, konsultiert am 19.03.2024.