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Philologie

Das Gebiet der Philologie, als wissenschaftliche Disziplin in der Antike begründet und im Humanismus wieder aufgenommen, umfasst die Kommentierung und Edition älterer, zunächst lateinischer und griechischer, später auch altfranzösischer, altenglischer und althochdeutscher Texte und die Erforschung der Sprachen, in denen diese geschrieben sind. Der Unterricht in Latein, Griechisch und den orientalischen Sprachen (v.a. Hebräisch) wurde ab dem 16. Jahrhundert zur Ausbildung der Theologen an der Universität Basel, an den Hohen Schulen in Zürich und Bern sowie an den Akademien in Genf und Lausanne gepflegt (Universität).

1516 edierte der Humanist Erasmus von Rotterdam den griechischen Text des Neuen Testaments und übersetzte ihn ins Lateinische. In der protestantischen Theologie spielte die Textkritik der Bibel eine wichtige Rolle. Zudem begann im 16. Jahrhundert eine intensive Beschäftigung mit den Volkssprachen: Erste Wörterbücher und Editionen älterer volkssprachlicher Texte entstanden. Vadian und Melchior Goldast edierten altdeutsche Texte aus der St. Galler Klosterbibliothek. Zu den bedeutendsten Philologen der Schweiz des 17. Jahrhunderts gehören Johann Heinrich Hottinger in Zürich und die Dynastie der Buxtorf in Basel. Im 18. Jahrhundert edierten Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger nach den Prinzipien der klassischen Philologie Texte des Minnesangs und die erste historisch-kritische Ausgabe der Werke von Martin Opitz.

Um 1800 entwickelten sich im Gefolge des romantischen Interesses am Mittelalter die Philologien der Volkssprachen als Universitätsdisziplinen. Sie beschäftigten sich zunächst nur mit Texten, Sprache und Kultur des Mittelalters. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch modernere Texte und die Dialekte einbezogen. Während die klassische Philologie (Altertumswissenschaften) gleich zu Beginn an den in den 1830er Jahren entstandenen philosophischen Fakultäten der Universitäten gelehrt wurde, waren die Philologien der modernen Sprachen zunächst noch kein ordentliches Lehrfach. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich die deutsche und die romanische Philologie an den Universitäten der jeweiligen Landesteile etablieren. Es wurden jeweils zuerst Lehrstühle für die erste Landessprache und dann für eine zweite Landessprache geschaffen, erst dann folgten Lehrstühle für weitere Sprachen wie Englisch (Beginn des 20. Jh.) und für slawische Sprachen und Literaturen (1950er Jahre).

Die neuere Philologie spaltete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft einerseits und Sprachgeschichte und Sprachwissenschaft andererseits auf. Durch die immer grössere Differenzierung ist der Oberbegriff Philologie inzwischen fast ausser Gebrauch gekommen, Philologie wird heute als Teil der Archäologie, Geschichte oder Theologie betrieben. Gerade die klassische Philologie musste in den letzten Jahren einen Bedeutungsverlust hinnehmen (teilweise Abschaffung des Lateinobligatoriums bei geisteswissenschaftlichen Fächern). Für den umfassenden Anspruch der Philologie, sowohl die Sprache wie die dazugehörige Literatur und Kultur zu erforschen, tritt heute das Konzept der Kulturwissenschaften ein.

Quellen und Literatur

  • U. von Wilamowitz-Moellendorff, Gesch. der Philologie, 1921 (31998)
  • K. Stierle, «Altertumswissenschaftl. Hermeneutik und die Entstehung der Neuphilologie», in Zur Gesch. und Methodologie der Geisteswiss., hg. von H. Flashar et al., 1979, 260-288
  • K. Weimar, Gesch. der dt. Literaturwiss. bis zum Ende des 19. Jh., 1989
  • Wissenschaftsgesch. der Germanistik im 19. Jh., hg. von J. Fohrmann, W. Vosskamp, 1994
  • C. Tagliavini, Einführung in die rom. Philologie, 21998
  • Sprachwiss. in Basel 1874-1999, hg. von R. Wachter, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Rosmarie Zeller: "Philologie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008283/2010-09-28/, konsultiert am 31.05.2023.