Die Betreuung psychisch Kranker in der Schweiz ist viel älter als der Beginn der modernen Psychiatrie. Vom Mittelalter an bestanden Irrenhäuser und Isolationsräume in Spitälern, aber auch private Anstalten. Sie alle verfügten über rudimentäre Einrichtungen, die sowohl der Versorgung der Insassen (zum Teil medizinisch betreut) als auch dem Schutz der Gesellschaft vor diesen dienten. Berühmte Schweizer Ärzte von Paracelsus und Felix Platter im 16. Jahrhundert bis zu Auguste Tissot und Johann Georg Zimmermann im 18. Jahrhundert leisteten wichtige Beiträge zum Verständnis von «Gemütsleiden» oder «Nervenerkrankungen».
Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Geisteskrankheiten neu als soziales, politisches und medizinisches Problem wahrgenommen (Gesundheitswesen). Auf diesen Auffassungen und auf dem Zusammenwirken von Behörden und Medizin gründete die moderne Psychiatrie. In der Schweiz entwickelte sich nach dem Vorbild europäischer Länder ein öffentliches Irrenwesen, in dem jeder Kanton eine eigene Heil- und Pflegeanstalt unter der Leitung eines Psychiaters unterhielt. Die öffentlichen Einrichtungen, die sich in Grösse und Architektur deutlich voneinander unterschieden, entstanden im Verlauf des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die meisten Anstalten wurden in eigens dafür errichteten Gebäuden untergebracht, einzelne auch in ehemaligen Klöstern (St. Urban, Bellelay, Rheinau). Manche Anstalten wie die Waldau in Bern, die Friedmatt in Basel, das Burghölzli in Zürich, die Cery in Lausanne und die Bel-Air in Genf dienten gleichzeitig als Universitätskliniken. Um die Jahrhundertwende wurden in der Schweiz auch zahlreiche Privatkliniken eröffnet, die sich an eine vermögende, meist aus dem Ausland stammende Kundschaft wandten und vom aufkommenden Medizintourismus sowie vom hervorragenden Ruf einiger Schweizer Ärzte – etwa die Dynastie der Binswanger im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen – profitierten. Die Institutionalisierung der Psychiatrie schritt vor allem ab den 1930er Jahren auch ausserhalb der Anstalten voran, und zwar mittels Polikliniken in den städtischen Zentren sowie medizinisch-pädagogischen und psychohygienischen Beratungsstellen. Im letzteren Bereich schuf sich vor allem der Walliser Psychiater André Repond einen Namen.

Auf wissenschaftlicher Ebene genossen die Schweizer Psychiater, die oft mit der Klinik Burghölzli zusammenarbeiteten, ab Ende des 19. Jahrhunderts international hohes Ansehen. Sie vertraten die gängigen Lehrmeinungen und trugen mit ihren Arbeiten zur Theoriebildung und zu Fortschritten in der therapeutischen Behandlung bei. Die biologische Psychiatrie umfasste die Psychochirurgie, mit welcher der Basler Gottlieb Burckhardt 1891 experimentierte. In der klinischen Forschung ragen Auguste Forels Theorien zu den Erbkrankheiten, der von Eugen Bleuler entwickelte Schizophreniebegriff sowie der Tintenkleckstest von Hermann Rorschach heraus. Einige Forscher entwickelten originelle therapeutische und psychoanalytische Konzepte: Die Psychoanalyse nach Sigmund Freud fand dank in der Schweiz angefertigter Übersetzungen Eingang in den französischen Sprachraum, Carl Gustav Jung vertiefte parallel zu Freud seine psychodynamische Theorien, Ludwig Binswanger erarbeitete seine Daseinsanalyse und Paul Dubois entwickelte die psychotherapeutische Methode der Persuasion (Therapie durch Überzeugung), die weltweit Beachtung fand.
Auch die Schweiz blieb von den Erschütterungen, welche die Psychiatrie in den meisten westlichen Ländern heimsuchten, nicht verschont. In den 1950er Jahren setzte sich eine Bewegung durch, die sich gegen die Isolation und für die Öffnung der psychiatrischen Anstalten stark machte und von pharmakologischen Fortschritten wie der Entdeckung des LSD durch Albert Hofmann 1943 sowie von einem kulturellen Wandel begünstigt worden war. In deren Gefolge wurden Beratungs- und ambulante Versorgungseinrichtungen geschaffen. Gleichzeitig kamen weltweit neue Theorien und Therapien auf. Existierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein als spezifisch schweizerisch erachteter Stil der Psychiatrie, so erweist sich diese heute als eine internationalisierte Wissenschaft, zu der Schweizer Psychiater dank einer fest verankerten Infrastruktur und Forschungstradition weiterhin ihren Beitrag leisten. Mittels der Fachgesellschaften, vor allem der Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte, nehmen die Psychiater auch auf die Gesundheits- und Sozialpolitik der Schweiz Einfluss.