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Oberhofen am Thunersee

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Thun, mittelalterliche und frühneuzeitliche Herrschaft, bernische Vogtei und Schloss. Die Gemeinde am rechten Seeufer umfasst das gleichnamige Dorf, die Gemeindeteile Schoren, Längenschachen und Örtli sowie verschiedene Einzelhöfe. 1133 Obrenhoven. 1764 349 Einwohner; 1850 731; 1900 909; 1950 1486; 2000 2179.

Dorf und Schloss Oberhofen, 1652-1798 Sitz des Berner Landvogts. Aquarell mit Federkonturen von Albrecht Kauw, 1671 (Bernisches Historisches Museum).
Dorf und Schloss Oberhofen, 1652-1798 Sitz des Berner Landvogts. Aquarell mit Federkonturen von Albrecht Kauw, 1671 (Bernisches Historisches Museum).

Im Längenschachen wurden Einzelfunde aus der Bronzezeit und ein frühmittelalterliches Einzelgrab entdeckt. Die Höhenburganlage (Reste auf Burghalde) war Sitz der Oberländer Freiherren von Oberhofen, die hier das Zentrum ihrer Herrschaft hatten. Von dieser gelangte im 12. Jahrhundert ein Teil an das von ihnen um 1130 gestiftete Kloster Interlaken, ein anderer ans Stift Amsoldingen. Durch Heirat mit der Erbtochter Ita um 1200 kam die reichstreue Familie von Eschenbach, die vor allem im Grenzgebiet der heutigen Kantone Aargau, Luzern und Zürich begütert war, nach Oberhofen zur Stützung der Reichsposition im Oberland. Im 13. Jahrhundert entstand die Wasserburg am See, aus der das heutige Schloss mit Bauelementen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert hervorging. 1306 wurden die Eschenbach zum Verkauf ihrer Herrschaft an Habsburg-Österreich genötigt; dieses setzte nach 1308 Gefolgsleute (u.a. Strassberg, Weissenburg, Kyburg) als Lehensträger ein. Das Niedergericht Oberhofen wurde unter den Kyburgern vom Schloss Thun aus verwaltet. Im Sempacherkrieg 1386 nahm Bern Oberhofen ein und erwarb 1397 alle Rechte vom letzten Lehensinhaber. 1398 verkaufte es Burg und Herrschaft an seinen Burger Ludwig von Seftigen. Ab 1419 waren die Bernburger von Scharnachtal, die 1461 ein Twingrecht erliessen, ab 1590 die Familie von Erlach Herrschaftsinhaber. Nach dem Aussterben im Mannesstamm zog Bern als Lehensherr 1652 die Herrschaft an sich, errichtete eine Vogtei mit Amtssitz im Schloss und vergrösserte deren Einkommen durch Angliederung der Niedergerichte Hilterfingen und Strättligen (beide vorher im Amt Thun). 1798 kam Oberhofen zum Kanton Oberland, 1803 zum Oberamt bzw. Amtsbezirk Thun. Das Schloss wurde Privatbesitz verschiedener Familien. Unter der Familie Pourtalès fanden 1849-1852 grosse bauliche Änderungen statt; der Amerikaner William Maul Measy errichtete 1940 die Stiftung Schloss Oberhofen. 1952 wurden Schloss und Parkanlagen dem Bernischen Historischen Museum angegliedert, das dort seit 1954 eine Filiale betreibt.

Die gmeind (Bauersame) hatte Nutzungsrechte in den Wäldern (1382), Lehenrecht an Grundstücken der Herrschaft (1435) sowie gemeinsame Weide mit Ringoldswil (1397). Seit dem 14. Jahrhundert sind neben dem Ackerbau – vor allem auf Äckern jenseits des Sees in Strättligen – Rebbau sowie Fischerei belegt. Die Rebgüter in herrschaftlichem Besitz (Herrschaft Oberhofen, Kloster Interlaken, Stift Amsoldingen) umfassten Weinpressen (Trüel) und Lagergebäude. 1433 bestätigte Bern das Tavernenrecht der Herrschaft und das Schankrecht der Bauern für Eigenwein. Im Schiffsverkehr auf dem Thunersee war Oberhofen einer der wichtigen Stationen; die Ländte zwischen Schloss, "Stift" und Gerichtshaus diente seit 1867 auch Dampfschiffen als Anlegestelle.

Oberhofen gehörte seit jeher zur Pfarrei bzw. Kirchgemeinde Hilterfingen; die Pfarrkirche St. Andreas liegt im Oberhofer Gemeindegebiet. Hilterfingen und Oberhofen bildeten ab 1834 zwei Einwohnergemeinden und Gemeindeverbände, blieben aber kirchlich verbunden. Nach dem Dorfbrand von 1864 wurde der Brandplatz expropriiert, neu parzelliert und einheitlich überbaut. Bis in die 1880er Jahre verzeichnete Oberhofen regelmässig Auswanderer (v.a. nach Nordamerika). Die Krise des Rebbaus führte zu dessen völliger Aufgabe (1881 18 ha, um 1900 4 ha, 1911 0 ha); erst ab 1936 wurde auf genossenschaftlicher Basis (2008 2,66 ha) wieder Wein angebaut. Nach dem Brand setzte die Entwicklung zum Kurort ein; dem um 1875 errichteten Logierhaus Moy folgten bis 1914 mehrere Pensionen und Hotels. Die Anlage der Seestrasse 1884, von Tennisplätzen und des Seebades (1905 unter Mithilfe des Verkehrsvereins), das Kurorchester und das Seenachtfest trugen viel zur touristischen Attraktivität bei. Den Einbruch des Tourismus während der Weltkriege konnten aber auch neue Investitionen (1913 Trambahn Steffisburg-Thun, 1938 neue Schiffländte am Seeplatz) nicht verhindern. Erst nach 1950 erlebte der Fremdenverkehr eine neue Blüte, der unter anderem zur Errichtung von Ferienhäusern und Ferienwohnungen führte. 1951 wurde die Strandpromenade, 1970 das regionale Hallenbad erstellt. Die 1894 gegründete Sekundarschule fusionierte 1917 mit jener in Hilterfingen (Gemeindeverband). Das einheimische Gewerbe zählte von 1868 bis in die 1950er Jahre einige grössere Betriebe (Bauunternehmen, Kochherd-, Wasserleitungs-, Zentralheizungsfabrik), zu Beginn des 21. Jahrhunderts dominierte ein vielfältiges Kleingewerbe. Mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen pendelten 2000 in die Regionen Bern und Thun.

Von der früheren Bedeutung des Weinbaus zeugt noch heute ein umfangreicher historischer Baubestand. Das "Klösterli" war das Rebhaus des Klosters bzw. ab 1528 der Landvogtei Interlaken und enthielt Fasshaus und Weinpresse. Der Neubau von 1626-1627 dient seit 1983 als Kirchgemeindehaus. Zur Administration des Amsoldinger Besitzes in Oberhofen liess Bern anstelle eines Vorgängerbaus 1730 das "Stift", ein Wohn- und Lagerhaus für Getreide, Wein, Gespinst usw. mit Weinpresse bauen, das 1803 von der Burgergemeinde erworben und ab 1866 als Schulhaus genutzt wurde. Das patrizische Wichterheergut (Kern zweite Hälfte des 16. Jh.) wurde 1948 vom Staat gekauft. Es beherbergt ein Museum für Uhren und Musikautomaten sowie seit 2006 die Kunstsammlung Suter (vorher bis 2005 die Gemäldesammlung Imobersteg). Das "Heidenhaus", ein spätmittelalterlich-frühneuzeitliches Rebhaus, ist seit 1936 Sitz der Rebbaugenossenschaft.

Quellen und Literatur

  • M. Stettler, Schloss Oberhofen, 1964
  • A.-M. Dubler, «Die Region Thun-Oberhofen auf ihrem Weg in den bern. Staat (1384-1803)», in BZGH 66, 2004, 61-117
  • R. Jordi, Schloss Oberhofen, 2004
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Oberhofen am Thunersee", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.08.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008477/2009-08-13/, konsultiert am 14.05.2025.