Mittelalterlicher Landschaftsverband, 1555-1798 bernische Landvogtei, ab 1803 Oberamt bzw. Amtsbezirk des Kantons Bern, seit 2010 Teil des Verwaltungskreises Obersimmental-Saanen.
Der von Galloromanen bewohnte Hochgebirgskessel wurde nach Eindringen der Alemannen im 10. oder 11. Jahrhundert Nahtstelle zwischen französischem und deutschem Sprachraum; die Sprach- und zugleich auch die Kantonsgrenze bilden der Grischbach im Norden bzw. die Krete von Gummfluh bis Arnenhorn im Süden. Im Mittelalter war Saanen Teil der Kastlanei Vanel (ehemalige Burg Vanel, Gemeinde Rougemont) in der Grafschaft der Grafen von Greyerz, die – von 1244 an als savoyische Vasallen – in Saanen Grund-, Gerichts-, Leib- und Kriegsherren waren. Im Spätmittelalter amtierte der einheimische Kastlan als ihr Verwalter. Ab dem 14. Jahrhundert zwang Finanznot die Grafen zum Verkauf von Rechten an die Saaner Talleute. Diese waren in einem Landschaftsverband im Umfang des heutigen Amtsbezirks organisiert. Die «Landschaft Saanen» löste sukzessive die mittelalterlichen Lasten der Bevölkerung ab, unter anderem 1312 die Tallia (Leibeigenensteuer), 1341 den Markt- und Pfundzoll, 1397 den Todfall und 1448 sämtliche Grundlasten. Sie erwarb von den Grafen schrittweise eigenes Recht, als erstes 1397 ein der romanischen Rechtstradition verpflichtetes Erbrecht, und 1448 das eigene Landessiegel. Zur Sicherung des Passverkehrs handelte Saanen auch gegen die gräfliche Politik: Die Landschaft schloss 1340 einen Friedensvertrag mit den Simmentalern, der für Streitigkeiten ein gemeinsames Schiedsverfahren (Gerichtsort Saanenwald) vorsah, und 1393 einen weiteren mit den Wallisern. Graf Rudolf bezog Saanen 1401 in sein Burgrecht mit Bern ein; 1403 schloss Saanen mit Bern ein eigenes Burgrecht ab, ein Landfriedensbündnis ähnlich den eidgenössischen Bünden, das oft erneuert und erst 1669 aufgehoben wurde. Dieses verpflichtete Saanen zu bernischer Heerfolge unter dem eigenen Banner (Aargau 1415, Wallis 1418 usw.). Die daraus resultierenden Lasten waren neben Unabhängigkeitsbestrebungen ein Grund für die Teilnahme der Landschaft am Bösen Bund 1445; ein Ausgleich zwischen Saanen und Bern wurde erst 1451 durch ein eidgenössisches Schiedsgericht vermittelt. In den Burgunderkriegen 1475 eroberte Saanen mit Zuzug aus Château-d'Œx und dem Simmental die savoyische Herrschaft Aigle für Bern, das Saanen Anteil an der Verwaltung gewährte. Im 15. Jahrhundert vereinbarte die Landschaft eigene Soldverträge (z.B. jährliche Pension aus Mailand 1498). Die Landschaft Saanen genoss im Oberland des 16. Jahrhunderts eine unabhängige Stellung, doch kam sie im Konkursverfahren des letzten Grafen gegen den Expansionswillen Berns nicht an: Bern erwarb 1555 das obere Saanenland und führte 1556 die Reformation ein. Ein Bernburger Landvogt verwaltete die Landschaft Saanen und Welschsaanen (Pays-d'Enhaut) bis zum Brand 1575 von Saanen, danach vom ehemaligen Kloster Rougemont aus; Stellvertreter war der einheimische Kastlan. Im bernischen Obrigkeitsstaat verfügte die Saaner Landsgemeinde über die volle Gerichtsbarkeit (Richtstätte unterhalb Vanel; 1596 erbauter, obrigkeitlicher Gefängnisturm in Saanen); sie verwaltete Landschaftsvermögen und -archiv. Ihre Behörde bestand aus Landesvenner, -schreiber und -säckelmeister; Tagungsort war das Grosse Landhaus von Saanen, das als Rats-, Gerichts- und Wirtshaus 1577 errichtet wurde. Da sie auch in Kirchensachen mitbestimmte, übertrug ihr Bern 1556 Kirchengut und -einkünfte und überliess ihr die Besoldung des Predigers. Das Landrecht ist die im «Landbuch» (ältestes von 1598, viele Kopien) kodifizierte Sammlung des erworbenen Rechts und der von der Landsgemeinde erlassenen Satzungen; es wurde 1854 ausser Kraft gesetzt. Ergänzend galt waadtländisches bzw. ab 1646 bernisches Recht. Auf Berns Druck wurde die Landsgemeinde 1609 auf 100 Männer beschränkt. 1798 kam das Pays-d'Enhaut zum helvetischen Kanton Léman, Saanen zum helvetischen Kanton Oberland, ab 1803 bildete Letzteres ein Oberamt bzw. einen Amtsbezirk im Kanton Bern.
Das Saanenland, wirtschaftlich in 14 Bäuerten unterteilt, betrieb Säumerei sowie Viehwirtschaft im Tal-, Vorsass- und Alpbetrieb; es exportierte Vieh, Käse und Ziegen und – vor allem seit dem Bau der Fahrstrasse 1845 – auch Holz. 1833 konstituierten sich die Kirchgemeinden Saanen (mit mehreren Dörfern und Streusiedlungen), Gsteig und Lauenen als Einwohnergemeinden. Deren touristische Entwicklung wurde durch die Montreux-Oberland-Bahn ab 1905 entscheidend gefördert. Von dem enormen Aufschwung des Fremdenverkehrs seit dem Zweiten Weltkrieg und dem weltweiten Ruf des Nobelkurorts Gstaad profitierte auch das einheimische Gewerbe (Baufirmen, Holzverarbeitung).