de fr it

Infanterie

Fusstruppen

Unter Infanterie werden die Fusstruppen einer Armee verstanden (Militärwesen). In der Schweiz war die Infanterie stets die Haupttruppengattung mit dem grössten Mannschaftsbestand und sie bleibt dies auch in der Armee XXI. Dies ist namentlich darauf zurückzuführen, dass sich aus der allgemeinen Wehrpflicht und der Milizarmee grosse Armeebestände ergeben, die möglichst kostengünstig ausgerüstet werden müssen.

Spätmittelalter und frühe Neuzeit

Kriegsleute. Federzeichnung von Urs Graf, um 1517 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett).
Kriegsleute. Federzeichnung von Urs Graf, um 1517 (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett). […]

Das eidgenössische Fussvolk erwies sich im Spätmittelalter den adligen Ritterheeren gegenüber als überlegen. Anfänglich nur mit Kurzwehren wie Halbarten und Streitäxten bewaffnet, stürzte sich der Schlachthaufen meist in Engnissen auf die durch ihre schwere Ausrüstung und das Gelände behinderten Reiterscharen (Kriegführung). Durch Hauen, Stechen und Schlagen errang das Fussvolk den Sieg. Im 15. Jahrhundert ergänzten fünf Meter lange Eschenspiesse die Bewaffnung (Waffen). Mehrere Reihen Spiesser schützten den Gevierthaufen im offenen Gelände an seinen Rändern vor dem Ansturm der Ritter. Kamen diese zu nahe, wurden Ross und Reiter niedergestochen. Durch die entstandenen Breschen stürzten sich die Halbartiere ins Innere der feindlichen Schlachtordnung, wo sie den Feind im Nahkampf bezwangen.

Im 15. Jahrhundert traten die ersten Büchsenschützen auf. Ihre Waffen bestanden aus einem schmiedeeisernen Rohr mit Zündloch, das in einen Schaft aus Eichenholz eingelegt war. Das aufgeschüttete Pulver wurde mit einer Lunte entzündet. Die Handhabung der Büchse verlangte Übung. So fand 1441 das erste urkundlich nachweisbare eidgenössische Freischiessen statt (Schützenwesen). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kamen schwere Hakenbüchsen in Gebrauch, deren Rückstoss von Gabeln aufgefangen wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden sie von den handlicheren Musketen verdrängt, die über Korn und Visier ein sicheres Zielen gestatteten. Der Ladevorgang dauerte etwa drei Minuten. Dazu mussten sich die Schützen aus der Feuerlinie absetzen. Ihr Feuer leitete in der Regel die Schlacht aus frontalen Stellungen vor oder zwischen den Pikenieren ein und unterstützte ihren Kampf aus den Flanken. Bei Gefahr zogen sie sich ins Innere des Gevierthaufens zurück, wo sie den Schutz der Pikeniere genossen. Im 16. Jahrhundert wurden die Schützen auch selbstständig eingesetzt. In mehrere Glieder geordnet, schloss das vorderste nach der Schussabgabe hinten an, um nachzuladen. 1515 erlitten die Eidgenossen in der Schlacht von Marignano nicht zuletzt deshalb eine Niederlage, weil sie die aufkommenden Feuerwaffen vernachlässigt hatten.

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Luntenschloss durch das Steinschloss abgelöst, das eine etwas grössere Feuergeschwindigkeit erlaubte. Die Bedeutung der Hieb- und Stichwaffen trat zurück. An Stelle der bunt gekleideten Halbartiere und Pikeniere traten uniformierte Füsiliere. Sie wurden in Rotten, Kompanien, Bataillone und Regimenter gegliedert. Die eidgenössischen Söldner erfuhren diesen einschneidenden Wandel in den stehenden Heeren des Auslandes. Nicht mehr das persönliche Draufgängertum der Kriegsknechte und der spontane Gliederschluss in der Schlacht gaben den Ausschlag, sondern die Disziplin des Soldaten, der auf Kommando in geschlossenen Reihen manövrierte und seine Waffen mit mechanischer Präzision handhabte. Alle Bewegungen waren in nummerierte Tempi unterteilt. Ihre Ausführung musste drillmässig beherrscht werden und verlangte unbedingten Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten. Das freie Verhältnis zwischen Führern und Geführten wich der hierarchischen Über- und Unterordnung. Disziplin, Korpsgeist, Waffenehre und Treue waren gefragt. Beute machen wurde nun als Diebstahl geahndet, Weglaufen als Ausreissen. Langsamer vollzog sich der Wandel in der Heimat. 1679 betrug der Anteil der Spiesser in den eidgenössischen Auszügen noch 24%, jener der Halbartiere noch 6%. Erst im 18. Jahrhundert wurden die blanken Waffen mit Ausnahme des Dolches ausgemustert. Neben den meist ausländischen Steinschlossgewehren blieben noch lange Musketen mit ihren Luntenschlössern im Gebrauch. Scharfschützenkompanien fassten die Träger der präziser schiessenden gezogenen Stutzer zusammen. Diese wurden von einheimischen Büchsenmachern aus ausländischen Bestandteilen hergestellt. Die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeführten Bajonette erhöhten die Fähigkeit der Füsiliere zum Nahkampf.

19. Jahrhundert

An der Bewaffnung der Infanterie änderte sich während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts wenig. 1842 wurde an Stelle des Feuersteinschlosses das Perkussionsschloss mit Zündkapsel aus Knallquecksilber eingeführt. Der eidgenössische Stutzer Modell 1851 und das Jägergewehr Modell 1856 wiesen kleinkalibrige gezogene Läufe auf. Das Infanteriegewehr Modell 1863 ging ebenfalls zu einem kleinen Kaliber und einem gezogenen Lauf über. 1867 wurden die ersten Hinterlader beschafft. 1869 gelang Friedrich Vetterli die Eigenentwicklung eines Repetiergewehrs, dessen Rohrmagazin zwölf Patronen fasste. Durch diese Erfindungen wurden Feuergeschwindigkeit und Präzision der Schusswaffen gesteigert. Das Steinschlossgewehr erforderte zum Laden zwölf Tempi, das Perkussionsschlossgewehr noch acht. Um das Repetiergewehr bei gefülltem Magazin zu laden, waren nur zwei Griffe nötig. Die gesamte Ausrüstung des Infanteristen wog gegen 30 kg.

Die Infanterie setzte sich aus Linieninfanterie, Jägern und Scharfschützen zusammen. Die Linieninfanterie (Tuchfarbe meist blau) bildete die Schlachtkörper, welche mit Gewehrfeuer und Bajonett die Entscheidung herbeiführten. Die Jäger (Tuchfarbe meist grün), auch leichte Infanterie, Plänkler oder Tirailleure genannt, erfüllten als Vorposten, Flankenschutz, Vor- und Nachhuten Sicherungsaufgaben. Ihre Gefechtsform war die lockere Kette. Hüfthörner und Signalpfeifen dienten der Befehlsübermittlung. Bei Gefahr (Kavallerieangriff) bildeten die Jäger Carrés oder zogen sich hinter die Linieninfanterie zurück. Die Scharfschützen (Tuchfarbe meist dunkelgrün) gaben der Artillerie und der Infanterie Feuerschutz, verstärkten die Jäger oder verteidigten feste Plätze. Der Bundesauszug von 1817 zählte 20 Scharfschützenkompanien auf 217 Infanteriekompanien. Ein Normalbataillon bestand aus vier Zentrumskompanien (Linieninfanterie) und zwei Jägerkompanien. Mehrere Bataillone bildeten eine Brigade, mehrere Brigaden eine Armeedivision.

Die Annäherung an den Feind erfolgte in Bataillonskolonne. Zur Schlacht wurden die Zentrumskompanien nebeneinander auf zwei Glieder aufgestellt. Vorder- und Hintermann bildeten je eine Rotte. Die Jägerkompanien hielten sich entweder an oder hinter den Flügeln zur Erfüllung von Sicherungsaufgaben bereit. Die Kompanien setzten sich aus zwei Unterabteilungen, sogenannten Pelotons, zu zwei Zügen zusammen. An Feuerarten wurden unterschieden: Bataillonsfeuer (beide Glieder feuerten gleichtzeitig), Gliederfeuer (die Glieder feuerten nacheinander), Rottenfeuer (die Rotten feuerten nacheinander) und Feuer rückwärts (beide Glieder machten vor dem Feuern eine Kehrtwendung). Das Bajonettfechten wurde vor allem zur Abwehr von Kavallerieangriffen mit Säbeln oder Lanzen, aber auch von Sturmangriffen feindlicher Infanterie geübt. Beim Sturmangriff wurden die letzten hundert Meter im Laufschritt zurückgelegt.

Unter den Truppen, die 1870-1871 Aktivdienst leisteten, betrug der Anteil der Infanterie immer noch gegen 90%. Die Erfahrungen des Deutsch-Französischen Krieges lehrten, dass das präzisere und dichtere Feuer der Artillerie und der Infanterie den geschlossenen Formationen arg zusetzte. Die Kolonne eignete sich nur noch zur Annäherung. Auf dem Gefechtsfeld ersetzte die Schützenkette mit variablen Zwischenräumen von Mann zu Mann und von Gruppe zu Gruppe die kompakte, zweigliedrige Linie. Um die feindliche Feuerwirkung zu verringern, wurde das Gelände ausgenutzt. Schanzzeug erlaubte das Eingraben bei Halten oder in der Verteidigung. Die Sturmtruppen arbeiteten sich sprungweise, in der letzten Phase allenfalls kriechend bis auf 150 oder 100 m an die feindliche Stellung heran. Das Feuer der Artillerie und der Unterstützungszüge hielt die Waffen des Gegners nieder. Das Einzelfeuer erfolgte im gezielten Einzelschuss.

20. Jahrhundert

Schiessübungen, um 1910. Postkarte (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
Schiessübungen, um 1910. Postkarte (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).

Die Maschinengewehre, welche die Feuerwirkung eines ganzen Zuges in einer Kollektivwaffe zusammenfassten, übten im Ersten Weltkrieg eine verheerende Wirkung aus. Das Feuer gewann die Oberhand über den Stoss. Die Kampfhandlungen erstarrten zum Grabenkampf, in dem Handgranaten eine wichtige Rolle spielten. Um Einbrüche in die tief gestaffelten Stellungssysteme zu erzielen, waren grosse Artilleriemassen erforderlich. Die Infanterie trug jedoch nach wie vor die Hauptlast des Kampfes. Sie erlitt gegen 90% aller Verluste. Die Artilleriekonzentrationen erheischten einen grossen Zeitaufwand und konnten nur für bedeutende Operationen durchgeführt werden. Um die Infanterie selbstständiger zu machen, erhielt sie zu ihrer Verstärkung Minenwerfer und leichte Geschütze. Die Infanteristen absolvierten den Aktivdienst 1914-1918 mit Langgewehr und Karabiner 1911, beide mit einem Gradzugverschluss versehen, sowie den wassergekühlten Maschinengewehren 1911 (Mg 11). Feldgraue Uniformen und Helme verdrängten die bunte Bekleidung und das Käppi. Im Jahre 1925 wurden leichte Maschinengewehre mit Vorderstützen als Gruppenwaffe eingeführt. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre erlaubte eine Dreibeinlafette die Bildung von Feuerzügen in den Füsilierkompanien. Gleichzeitig erhielt das Bataillon 8,1 cm Minenwerfer und 4,7 cm Infanteriekanonen. Diese Waffen ermöglichten die Kombination von Feuer und Bewegung auf allen Stufen. Als persönliche Waffe erhielt der Wehrmann den handlichen, präzisen Karabiner 31 mit verkürztem Verschluss. Handgranaten der Modelle DHG 17 und OHG 19 sowie Minen ergänzten die Bewaffnung.

In der Zwischenkriegszeit entwickelten die Grossmächte Panzerkampfwagen, Selbstfahrartillerie und Erdkampfflugzeuge, um die erstarrten Operationen wieder in Bewegung zu bringen. In vielen Armeen wurde die Infanterie als "Königin des Schlachtfeldes" entthront. Da die Schweiz jedoch auf Mechanisierung verzichtete, blieb die Infanterie Hauptwaffe. Mit Panzer- und Fliegerabwehrwaffen verstärkt, eignete sie sich nach wie vor zum Halten ausgebauter, durch Panzerhindernisse gedeckter Stützpunktsysteme. Im unwegsamen, zerklüfteten oder bedeckten Gelände und bei schlechter Sicht konnte sie sich auch selbstständig bewegen und angreifen. Überfälle, Handstreiche und Hinterhalte waren ihre bevorzugten Kampfformen. Begegnungsgefechten wich sie aus. Für Gegenschläge im offenen Gelände mussten Panzertruppen herangezogen werden. Diese wurden aber erst in der Nachkriegszeit gebildet.

Durch das Reduit-Konzept von 1940 erlangten die mit der Truppenordnung 1912 erstmals eingeführten Gebirgstruppen erhöhte Bedeutung. Im Verlauf des Aktivdienstes wurden die Nahkampfwaffen durch Maschinenpistolen, Flammenwerfer, Offensivhandgranaten 40 und Stielhandgranaten 1943 ergänzt. Zur Bekämpfung von Panzern traten neben die Infanteriekanone Tankbüchsen und Panzerabwehrkanonen 41 sowie Hohlpanzergranaten für Karabiner. Der Fliegerabwehr dienten das Flab-Doppel-Mg 38 und die 20 mm Fliegerabwehrkanone 43. Für den Kampf in Ortschaften wurden Grenadierkompanien gebildet.

In der Nachkriegszeit sank der Anteil der Infanterie am Gesamtheer zunächst auf 40%, 1995 auf 33% und 2004 auf 23%. Ihre Kampfkraft wurde durch die sukzessive Erneuerung der Bewaffnung erheblich verstärkt. Das Sturmgewehr 57 ersetzte den Karabiner 31 und das leichte Maschinengewehr 25. Es wurde seinerseits durch das Sturmgewehr 90 abgelöst. Das Mg 11 wich dem luftgekühlten Maschinengewehr 51. Die Fliegerabwehrkanone 54 trat an Stelle des Modells 43. Der 12 cm Minenwerfer 87 gab auch dem Regimentskommandanten ein eigenes Unterstützungsmittel in die Hand. An Panzerabwehrwaffen wurden eingeführt: das Raketenrohr 50, später ersetzt durch die Modelle 58 und 80, die 9 cm Panzerabwehrkanonen 50 und 57, die 10,5 cm rückstossfreie Panzerabwehrkanone 58, die Panzerabwehrlenkwaffen 65 und 77 (Dragon), in den 1990er Jahren der Panzerjäger TOW-Piranha und, an Stelle des Raketenrohrs, die Panzerfaust. Nachtsichtgeräte verbesserten die Überwachung des Gefechtsfeldes und des Waffeneinsatzes in der Dunkelheit. Die Spezialisierung der Infanteristen wurde immer vielfältiger: Füsiliere, Grenadiere, Mitrailleure, Minenwerferkanoniere, Panzerabwehrkanoniere und Lenkwaffensoldaten.

Mangelhaft blieb lange Zeit die Beweglichkeit der Truppe. Der Einsatzraum wurde im Fussmarsch erreicht. Die Gefechtsfeldbeweglichkeit beschränkte sich auf kurze Distanzen im unübersichtlichen Gelände. Mit der Truppenordnung 1961 wurden die Infanterieregimenter der Mechanisierten Divisionen motorisiert. In der Armee 95 erfolgte die Ausrüstung eines Füsilierbataillons pro Regiment mit Radschützenpanzern. Transporthelikopter erlaubten die Verschiebung einzelner Einheiten ohne schweres Material. Die Armee XXI strebt die Vollmechanisierung der Infanterie an. Den Kampf muss diese weiterhin abgesessen führen, da die Radschützenpanzer nicht zum Duell mit den Kampfpanzern befähigt sind.

Wenn auch die neuen Waffen die Infanterie vermehrt befähigen, selbstständige Kampfaufträge auszuführen, erreicht sie ihre optimale Wirkung erst in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Kampftruppen. In der Armee 61 wurde die Abwehr zur Hauptkampfform der verbundenen Waffen. Die Infanterie behauptete aus einem System von Stützpunkten heraus Schlüsselräume. Die Panzertruppen bereinigten durch Gegenschläge feindliche Einbrüche. Die Artillerie unterstützte beide mit ihrem Feuer. Die Armee XXI strebt an, je nach Lage Räume zu verteidigen oder die Abwehr beweglich zu führen. Ihre mechanisierten Infanteriebataillone schaffen günstige Voraussetzungen für den Einsatz der Panzertruppen, indem sie ihre Flanken decken, Engnisse behaupten, den Gegner verzögern und kanalisieren. In günstigen Geländeteilen sind ihre Einheiten zu Angriffen mit begrenzten Zielen fähig. Da klassische Angriffe Anfang des 21. Jahrhunderts wenig wahrscheinlich sind, rückt die Raumsicherung gegen terroristische Anschläge in den Vordergrund.

Quellen und Literatur

  • Reglemente, EMB
  • A. Burckhardt, Ideen über Organisation und Taktik der Schweiz. Infanterie, 1851
  • J. Feiss, Die Schweizerische Infanterie, 1886
  • R.C. Vetter, Soldat. Grundlagen für den schweiz. Infanteristen, 1940
  • Die Schweizer Armee heute, 1953- (121992)
  • R. Frick, Die Schweiz. Landesverteidigung, 1953
  • E. Brandenberger, Kleines Brevier der Feldinfanterie, 1966
  • P. Marti, J. Inauen, «Truppengattungen der Schweizer Armee», in Der Staatsbürger, 1981, Nr. 1
  • C. Bosson, Die Waffen der Schweizer Soldaten, 1982 (franz. 1980)
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Senn: "Infanterie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008578/2008-01-23/, konsultiert am 18.02.2025.