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Fehde

Fehde bedeutet das eigenmächtige und teilweise streng formalisierte Verfolgen von Rechtsansprüchen mit Gewalt. Ziel der Fehde war, ein Unrecht zu bestrafen oder den Gegner durch Schädigung und Erpressung zur Anerkennung des eigenen Rechtsstandpunktes zu zwingen. Die Fehde gilt als Kennzeichen des europäischen Mittelalters, ihre Eindämmung und ihre Abschaffung in der frühen Neuzeit als Etappe auf dem Weg zum modernen Rechtsstaat. Die ältere Geschichtsschreibung deutete die Fehde als Ausdruck des Raubrittertums. Die neuere Forschung erkennt in der Selbsthilfe eine im Mittelalter legitime Form der Durchsetzung von Rechtsansprüchen, weist aber auch auf die kriminellen Aspekte der Fehde hin.

Fehden wurden in der Regel von Familien oder Sippen getragen, oft wurden aber auch grössere Gemeinschaften (Gemeinden, Talschaften, Länder) miteinbezogen. Mittel waren unter anderem Totschlag, Verwüstungen, Brandstiftung, Raub, Diebstahl und eigenmächtige Pfändung. Fehdegründe waren Totschlag, Körperverletzung oder allgemeine Feindschaft. Die Totschlagfehde oder Blutrache, das heisst die Rache von Mord, schwerer Körperverletzung und Beleidigung (Ehre), war eine wichtige Art der Fehde. Sie wird in europäischer Perspektive streng von der Ritterfehde unterschieden, die nur dem Adel (Rittertum), bisweilen auch genossenschaftlichen Verbänden, erlaubt war und um jede strittige Sache geführt werden konnte. In der Schweiz dagegen scheint sich das Fehderecht von Bürgern und Bauern nicht auf die Totschlagfehde beschränkt zu haben. Jedenfalls umfasst der Kreis derjenigen, die in der Schweiz unter anderem um Besitzansprüche Fehde führten, alle Stände. Zahlreiche Studien gehen auf Fehdefälle in der Schweiz ein, systematisch ist die Fehde in der Schweiz allerdings nur für die Innerschweiz untersucht.

Früh- und Hochmittelalter

Das Fehdewesen ist bereits in den germanischen Stammesrechten fassbar und in den Aufzeichnungen Gregor von Tours' beschrieben. Diesen frühen schriftlichen Zeugnissen zufolge war die Fehde ein Rechtsinstrument, das neben dem gerichtlichen Konfliktaustrag akzeptiert war. In der Schweiz waren Fehden im Hoch- und Spätmittelalter üblich. Besonders anschaulich überliefert sind der Grenzkonflikt zwischen Schwyz und dem Kloster Einsiedeln, der sogenannte Marchenstreit, und die Izzeli-Gruoba-Fehde.

Fehden hatten verheerende Folgen für die beteiligten Parteien und schadeten auch der nicht direkt in den Streit involvierten Bevölkerung. Schon die frühesten schriftlichen Überlieferungen dokumentieren Versuche, Fehden durch Sühne (Urfehde, Eid) oder Komposition (Entschädigung der verletzten Partei) abzubrechen sowie die Fehdeführung zu reglementieren.

Weiter reichende Ansätze zur Bekämpfung der Fehde gingen im 11. Jahrhundert von der Kirche aus, die sogenannte Gottesfrieden erliess. An die Gottesfriedensbewegung knüpften Fürsten, Städte und in der Schweiz auch kommunale Verbände mit Landfrieden an (12.-14. Jh.). Die ältesten Schweizer Bünde tragen den Charakter von Landfriedensbündnissen (Bundesbriefe). Ihr Ziel war, die Fehde einzuschränken, die Lösung von Konflikten auf dem Rechtsweg zu erzwingen, die Verfolgung von Tätern über die Grenzen des einzelnen Ortes hinaus zu verbessern, die Gerichte zu stärken und die Durchsetzung des Rechts zu fördern (Eidgenössisches Recht). Sowohl die Gottesfriedens- wie die Landfriedensbewegung waren zunächst wenig erfolgreich. Die Gerichtsbarkeit war zu wenig ausgebildet und die öffentliche Gewalt zu schwach, um den friedlichen Austrag von Rechtsansprüchen gewährleisten zu können (Gerichtswesen, Strafrecht). Unter diesen Bedingungen war die Selbsthilfe die anerkannte Alternative zum Gerichtsverfahren. Hinzu kam, dass die Fehde mit dem Kriegswesen verbunden war.

Selbstjustiz im Zugerland. Abbildung von 1576 aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWett F 16: 1, S. 279; e-codices).
Selbstjustiz im Zugerland. Abbildung von 1576 aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWett F 16: 1, S. 279; e-codices). […]

Gottesfrieden und Landfrieden trugen jedoch zur weiteren Reglementierung und Beschränkung der Fehde bei. So bildeten sich unter anderem Kriterien aus, anhand derer die gerechte von der ungerechten Fehde unterschieden wurde. Die wichtigsten Kriterien waren der legitime Fehdegrund und die Fehdeankündigung (Absage). Bisweilen galt auch der Grundsatz der vorhergehenden Klage: Die verletzte Partei musste erst auf gerichtlichem Weg ihre Rechtsziele zu erreichen versucht und bei Erfolglosigkeit Acht und Bann (Exkommunikation) über den Gegner erwirkt haben, bevor sie die Fehde erklären durfte. Zum Schutz der Befehdeten entstanden Freistätten, zum Beispiel in Gasthäusern oder auf Ruhebänken neben Wegen. Auch das Asyl in Kirchen, Kapellen und Klöstern setzte sich im Verlaufe des Hochmittelalters durch (älteste Spuren für das Kloster Einsiedeln um 950).

Spätmittelalter und Neuzeit

Bis in die beginnende Neuzeit wurden in der Schweiz Fehden geführt. Einzelne Fehden wie der Saubannerzug oder der Zug gegen Konstanz 1495 wuchsen zu kollektiven Unternehmungen kriegsähnlichen Charakters an. Weil ein einzelner Bauer oder Bürger oft nicht über die für eine Fehde nötigen Mittel (Bewaffnung, Fluchtburg unter anderem) verfügte, wurden Fehdeaufträge an Ritter übertragen, die ihrerseits Helfer engagierten. Es entwickelte sich, vergleichbar mit dem Solddienst, ein Fehdedienst mit Fehdeunternehmern und Fehdehelfern. Die Fehde wurde zu einem Wirtschaftszweig, der Rittern vorwiegend des niederen Adels und Männern aus dem Bauern- und Bürgerstand eine Existenz oder einen Nebenverdienst bot. Kleinere Fehden konnten sich in einem grossen Unternehmen zusammenballen, das zum Sammelbecken für verschiedene Rechtsstreitigkeiten wurde und bisweilen den Charakter einer Oppositionsbewegung annahm (Soziale Konflikte). Viele Fehdeführer operierten ausserhalb der Eidgenossenschaft entlang der Handelsstrassen, wo die eidgenössischen Orte besonders empfindlich waren. Die Fehdestreitigkeiten erreichten eine kaum mehr zu überblickende Fülle, territoriale Ausdehnung und Verflochtenheit. Illustrative Beispiele sind die Fehde des Wallisers Johann Gruber gegen die Zenden des Wallis und gegen die gesamte Eidgenossenschaft 1390-1430 und die Auseinandersetzungen der Wolleb von Ursern mit Mailand, Savoyen und mit Florentiner Kaufleuten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Für Fehdehauptleute wie Fehdehelfer stand wohl weniger der Rechtsanspruch als die Aussicht auf Beute und Verdienst im Vordergrund. Eine Beilegung der Feindschaft war wirtschaftlich nicht von Vorteil und wurde gar nicht angestrebt.

Im Spätmittelalter drückte sich Widerstand gegen die Fehde in der Publizistik aus, unter anderem in den Schriften, die im Zusammenhang mit dem Basler Konzil erschienen. Die Eindämmung der Fehde war ein Hauptanliegen der sich herausbildenden staatlichen Gewalten. Der 1495 von König Maximilian statuierte Ewige Landfrieden war eine wichtige Etappe in der Befriedung des Reichs. Er enthielt ein vollständiges Fehdeverbot, das ergänzt wurde durch das neu geschaffene Reichskammergericht, an welches appelliert und das bei Rechtsverweigerung direkt angerufen werden konnte. Die eidgenössischen Orte erkannten allerdings aus Sorge um die eigene Gerichtshoheit das Reichskammergericht nicht an. Trotzdem ging das Fehdewesen auch in der Schweiz zurück. Gründe dafür liegen in der Entwicklung und Durchsetzung des Gewaltmonopols seitens der Landesherren, Städte und Orte, die Streitparteien zum friedlichen Streitaustrag zwangen und die Fehdeführenden zunehmend kriminalisierten.

Die Städte gingen am entschiedensten voran und erreichten am frühesten eine Einschränkung und schliesslich die Aufhebung der Fehde. Den waadtländischen Adligen sprach der Graf von Savoyen Amédée VIII., der zukünftige Felix V., 1399 das von ihnen beanspruchte Recht auf Fehde ab. In allen eidgenössischen Gebieten wurde ferner die Pflicht der Nacheile (Verfolgung von Übeltätern) und des Friedegebotes statuiert. Die Tagsatzung verurteilte 1534 einen Mann aus Baden zum Tode, der dem Kloster St. Blasien materieller Forderungen wegen einen Absagebrief zugestellt und es befehdet hatte. Die Blutrache wurde auf die Person des Mörders eingeschränkt (Luzern und Waldstätte 1379). Ein Sühnegeld konnte die Blutrache ersetzen (z.B. Schwyz 1447). Der Mörder musste durch Gerichtsurteil geächtet sein und verrufen werden (Glarus und Schwyz 16. Jh.). Trotz dieser Bemühungen hielt sich das Recht auf Blutrache bis ins 18. Jahrhundert; in Schwyz ist es noch 1698 überliefert. Mit geregelten Gerichtsverfahren im Rahmen einer Macht, welche die Anwendung von Gewalt monopolisierte und die Durchsetzung gerichtlicher Urteile garantierte, verloren Fehden ihren Charakter als legitimes Rechtsinstrument. Die Ausbildung der Territorialherrschaft der eidgenössischen Orte und ihrer Zugewandten verdrängte das Fehdewesen. Mit ihm verschwanden auch das Kirchenasyl und die Freistätten.

Quellen und Literatur

  • M. Kothing, «Die Blutrache nach schwyzer. Rechtsqu.», in Gfr. 12, 1856, 141-152; 13, 1857, 87-91
  • HRG 1, 1083-1093
  • I. Müller, Gesch. von Ursern von den Anfängen bis zur Helvetik, 1984, 29-31
  • LexMA 4, 331-334
  • P. Blickle, «Friede und Verfassung», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 1, 1990, 17-23
  • D. Tappy, «Amédée VIII et les coutumes vaudoises: l'abrogation de la "mauvaise coutume" du droit de guerre privée», in Amédée VIII - Félix V, premier duc de Savoie et pape (1383-1451), hg. von B. Andenmatten, A. Paravicini Bagliani, 1992, 299-316
  • A. Widmer, "daz ein bùb die eidgnossen angreif." Eine Unters. zu Fehdewesen und Raubrittertum am Beispiel der Gruber-Fehde (1390-1430), 1995
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Stadler: "Fehde", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.10.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008606/2006-10-23/, konsultiert am 25.04.2025.