de fr it

Oberst

Wilhelm Frölich, Oberst in französischen Diensten. Öl auf Holz von Hans Asper, 1549 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-8622).
Wilhelm Frölich, Oberst in französischen Diensten. Öl auf Holz von Hans Asper, 1549 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-8622).

Die Zunahme der Heeresbestände im 16. Jahrhundert sowie das Aufkommen von neuen, zum Teil bereits in besonderen Einheiten zusammengefassten Waffen und Kampfmitteln (Militärwesen) bedingten auch eine entsprechende Entwicklung in der militärischen Hierarchie. Für die Führung einer aus verschiedenen Abteilungen bestehenden Truppe mussten mehrere Hauptleute (Hauptmann) eingesetzt werden, aus deren Mitte ein Oberster Hauptmann, Oberster Feldhauptmann, schliesslich ein Oberst als Führer der Streitmacht hervorging. Dem Obersten (in der alten Eidgenossenschaft auch «Obrist» genannt) entsprechend kam im französischen Sprachbereich die von «Anführer einer Kolonne» abgeleitete Gradbezeichnung colonel in Gebrauch (italienisch colonnello). In den fremden Diensten nahm der Oberst eine besondere Stellung ein. Ab dem 17. Jahrhundert war er nicht nur Befehlshaber, sondern auch Besitzer des von ihm angeworbenen, bzw. erstandenen oder geerbten Regiments. Er war somit ein Militärunternehmer, der seine Dienste den Herrschern anbot. Vorausgesetzt, dass Alter und Anzahl Dienstjahre den Vorschriften entsprachen, erfolgte die Beförderung zum Obersten häufig unter Umgehung der üblichen Stufen der Hierarchie. So befanden sich 1684 in Frankreich, wo ein Mindestalter von 25 Jahren und 14 Dienstjahre vorgeschrieben waren, unter den 27 zum Obersten beförderten Offizieren weder ein Oberstleutnant noch ein Major. In solchen Fällen lag die tatsächliche Führung des Regiments meistens beim stellvertretenden Oberstleutnant. Der Oberst in fremden Diensten verfügte in der Regel über die absolute Gewalt in seinem Regiment, ernannte dessen Offiziere und handhabte auch die höchste Gerichtsbarkeit.

Eidgenössischer Oberst der Schweizer Armee 1862. Lithografie von Charles Eugène Perron (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-50334.6).
Eidgenössischer Oberst der Schweizer Armee 1862. Lithografie von Charles Eugène Perron (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-50334.6).

In der Miliz der alten Eidgenossenschaft begann im 17. Jahrhundert eine besondere Entwicklung. Die 1647 im Wiler Defensionale vom Kriegsrat vorgeschlagene Einführung der Generalsränge, wie zum Beispiel General Commendant oder General-Quartiermeister, wurde von der Tagsatzung als Folge der Glaubensspaltung nicht verabschiedet. An deren Stelle traten die Oberstengrade mit Funktionsbezeichnung, wie Oberster Feldhauptmann, Oberster Quartiermeister usw. Diese Massnahme führte zu einer Tradition, die bis in die jüngste Zeit nachwirkte. In der Rangordnung der Armee erschienen die höheren Stabsoffiziere bis 1974 als Oberstbrigadier, Oberstdivisionär oder Oberstkorpskommandant. Die Wahl der Obersten erfolgte ursprünglich zu Beginn eines Feldzuges durch die Hauptleute der Orte aus deren Mitte, später, bei grösseren Aufgeboten, geschah die Wahl durch die Tagsatzung. Von 1647 bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft übernahmen, gemäss Wiler Defensionale, die mit den entsprechenden Chargen betrauten Orte die Ernennungen. In der Restauration und Regeneration wurde der Dienstgrad des Eidgenössischen Obersten eingeführt. Diesen Obersten, in Friedenszeiten höchstens 30 an der Zahl, oblag die Verantwortung für Führung, Ausbildung und Verwaltung des Eidgenössischen Heeres. Ihre Ernennung erfolgte durch die Tagsatzung auf Vorschlag des Kriegsrats. Ab 1874 bis zur Einführung der Armee XXI befehligte der Oberst eine Infanteriebrigade oder ein Regiment oder fungierte als Stabs- oder Dienstchef im Armeestab sowie in den Stäben der Heereseinheiten. Mit der Aufhebung der Regimenter im Zug der Armeereform bleibt nur noch die Tätigkeit in einem Stab. Die Beförderung zum Obersten erfolgt auf Antrag des VBS durch den Bundesrat.

Quellen und Literatur

  • Allg. Militärreglement der Schweiz. Eidgenossenschaft, 1817
  • A. Zesiger, «Wehrordnungen und Bürgerkriege im 17. und 18. Jh.», in Schweizer Kriegsgesch. 2, H. 7, 1918, 5-58
  • G. Grosjean, Berns Anteil am evang. und eidg. Defensionale im 17. Jh., 1953
  • A. Sennhauser, Hauptmann und Führung im Schweizerkrieg des MA, 1965
Weblinks

Zitiervorschlag

Benoît de Montmollin: "Oberst", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008609/2010-09-14/, konsultiert am 13.05.2025.