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Thunersee

Der 48 km2 grosse Thunersee ist der grössere der beiden Seen am oberen Aarelauf (der andere ist der Brienzersee). Er liegt mit dem sogenannten Bödeli und dem oberen Seeende in einem alpinen Tal, während sich das untere Ende ins bernische Mittelland öffnet. Der Hauptzufluss ist die Aare; kleine Nebenzuflüsse verursachten als Wildwasser immer wieder Schäden (z.B. Lombach). Der zweite grosse Zufluss ist die Kander, die erst seit der 1711-1713 erbauten Umleitung in den See fliesst. Am Ufer des Thunersees lagen vorwiegend geschlossene Kernsiedlungen, ausser im felsigen Abschnitt Merligen-Neuhaus und an den Flachufern der Seeenden.

In der burgundischen Fredegar-Chronik (um 660) wird der Thunersee als lacus Dunensis zum ersten Mal erwähnt. Im Hochmittelalter war das Gebiet am Thunersee Reichsland und zerfiel in verschiedene Reichslehen von Oberländer Adligen, unter anderen den Freiherren von Thun-Unspunnen, den von Oberhofen, später den von Strättligen, von Wädenswil und von Eschenbach. Burg und Stadt Thun, Stützpunkte der Zähringer, gelangten nach deren Aussterben 1218 an die Grafen von Kyburg. Als Folge seiner Blutrache nach dem Königsmord an Albrecht I. bei Windisch 1308 zog Habsburg-Österreich Reichslehen rund um den Thunersee ein (Spiez, Krattigen, Oberhofen, Beatenberg). Die neue Konzentration ihm feindlich gesinnter Mächte am Thunersee drängte Bern zum Eingreifen. 1384 kaufte Bern Thun, 1386 eroberte es Oberhofen. Spätestens im 15. Jahrhundert war die Region in den bernischen Territorialstaat integriert. Rudolf II. von Burgund stiftete der Legende nach zwölf Kirchen am Thunersee (Strättliger Chronik). Die Fischereirechte im See und in den Zuflüssen lagen ab 1528 mehrheitlich bei Bern, das den Fischfang im Brienzersee und im Thunersee sowie in der Aare gesamthaft regelte und beaufsichtigte (u.a. Fischereiordnungen von 1617, 1745 und 1784). 1803 kam die Fischereiaufsicht an den Kanton Bern.

Schulwandbild unter Verwendung einer Fotografie von Photoswissair vom 11. September 1977, herausgegeben vom Schweizerischen Lehrerverein 1980 (Pädagogische Hochschule Bern, Bibliothek des Instituts Vorschulstufe und Primarstufe).
Schulwandbild unter Verwendung einer Fotografie von Photoswissair vom 11. September 1977, herausgegeben vom Schweizerischen Lehrerverein 1980 (Pädagogische Hochschule Bern, Bibliothek des Instituts Vorschulstufe und Primarstufe). […]

Der Thunersee war für die Verkehrserschliessung fast aller Talschaften des Berner Oberlands von grosser Bedeutung. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein spielte sich der Verkehr weitgehend auf dem See ab. Dem Transit Richtung Italien und Zentralschweiz dienten der Freienhof in Thun und das Stadthaus in Unterseen als Susten, am oberen Seeende waren zuerst die Weissenau, ab dem 17. Jahrhundert das Neuhaus (ab 1913 Schiffskanal bis Interlaken) Landestelle und Umladeplatz. Auch der Verkehr über den Gemmipass wechselte in Spiez oder Faulensee teilweise auf den Seeweg. Den Güterverkehr über den See besorgten schwere Lastkähne, sogenannte Böcke. Das Postschiff verkehrte regelmässig zwischen Thun und Neuhaus. Das grosse Marktschiff, die sogenannte Kälberpost, brachte wöchentlich Personen und Waren zum grossen Thuner Markt. Im regen Lokalverkehr – so weideten etwa die Oberhofner ihre Kühe in Strättligen – wurden Barken und Ruderschiffe benutzt.

Die Bewohner am Ufer des Thunersees lebten von der Fischerei und dem Schiffbau, dem Ackerbau und dank des milden Klimas vom Rebbau, der um 1900 aufgegeben und ab 1927 am Nordufer teilweise wieder aufgenommen wurde. Ab Ende des 18. Jahrhunderts gehörte eine Schifffahrt über den See zu den Attraktionen einer Schweizerreise. Ab 1835 brachte ein Dampfschiff die Touristen ins Neuhaus; weitere Stationen erschlossen die Ferienorte Gunten (1866), Oberhofen (1867), Spiez (1870) und Därligen (1872) sowie Faulensee und Merligen (1876). Ebenfalls 1835 wurde eine erste Fahrstrasse ins Bödeli gebaut, womit das östliche Oberland erschlossen wurde. Touristisch motiviert war auch der Bau der rechtsufrigen Strasse 1884, die linksufrige Thunerseebahn folgte 1893. Diese und die ab 1914 betriebene rechtsufrige Trambahn (1952 auf Trolleybus- und 1982 auf Autobusbetrieb umgestellt) führten zu einer Krise der Schifffahrt. Ab 1945 brachte der Ausflugstourismus neue Passagiere. Ende des 20. Jahrhunderts war der Thunersee auch eine beliebte Destination für Segler und Taucher. Die 1970-1973 erbaute linksufrige Autobahn (A6 und A8), deren letztes Teilstück 1994 eröffnet wurde, begünstigte zu Beginn des 21. Jahrhunderts eher den Transit ins Oberland als die Region Thunersee. Die intensive Bautätigkeit der letzten Jahrzehnte führte vor allem am Nordufer zwischen Thun und Oberhofen zu einer fast durchgehend überbauten Siedlungsfläche.

Quellen und Literatur

  • H. Traeber, Das Wasserregal über den Thuner- und Brienzersee bis zur Reformation, 1945
  • M. Krebser, Mein Thunersee, 1984
  • E. Liechti et al., Die Geschichte der Schiffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee, 1986 (22002)
  • H.-A. Ebener, Die Entwicklung der Schiffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee (17.-19. Jahrhundert), Lizenziatsarbeit Bern, 1991
  • Riviera am Thunersee im 19. Jahrhundert, hg. von G. Germann, 2002
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
um 660: lacus Dunensis
Systematik
Umwelt / See

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Thunersee", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.02.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008647/2020-02-13/, konsultiert am 26.01.2025.