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Heer und Haus

Im November 1939 entstand aufgrund eines Armeebefehls von General Henri Guisan aus der Gruppe Armee der Pro Helvetia die Sektion Heer und Haus, die der Generaladjutantur unterstellt wurde. Ursprünglich beauftragt, die Soldaten zu belehren und zu unterhalten und so den Wehrwillen der Truppe auch während längerer Einsätze aufrechtzuerhalten, wurde Heer und Haus 1941 reorganisiert, als Guisan der Generaladjutantur den Befehl erteilte, eine Kampagne zur «Aufklärung der Zivilbevölkerung» vorzubereiten. Der dafür geschaffene «Aufklärungsdienst Zivil», dessen Kader sich aus dem Umfeld Hans Hausamanns und der Widerstandsorganisationen (Gotthardbund, Aktion nationaler Widerstand) rekrutierte, wurde zum wichtigsten Werkzeug der Geistigen Landesverteidigung. Mittels Vorträgen, Aufführungen, Sportanlässen sowie Film- und Radiovorführungen versuchte Heer und Haus den Widerstandswillen in der Bevölkerung zu stärken und ergänzte in ca. 3000 zweitägigen «Aufklärungskursen» mit rund 200 Referenten aus allen politischen Lagern die Rolle der zensurierten Presse. Heer und Haus nahm in den als Grundlage für die Vortragstätigkeit der Kommandanten herausgegebenen Wehrbriefen nicht nur allgemein für den Widerstand gegen die totalitäre Bedrohung, sondern auch ganz konkret etwa für den «alten Brauch der Asylgewährung» (Dezember 1942) und gegen den Antisemitismus (Mai 1943) Stellung. Ein Netz von 7000 Korrespondenten berichtete über die Stimmungslage in der Bevölkerung.

Nach der Demobilmachung 1945 entstanden aus der Sektion Heer und Haus zwei zivile Aufklärungsdienste: Aus der welschen Abteilung des «Aufklärungsdienstes Zivil» gingen die eher sozialpolitischen und wirtschaftlichen Zielen verpflichteten Rencontres Suisses (RS) hervor, aus der deutschschweizerischen Abteilung Ende 1947 ― mit entscheidenden Impulsen durch die Neue Helvetische Gesellschaft ― der Schweizerische Aufklärungsdienst (SAD), der sich im Sinne der Geistigen Landesverteidigung dem Kampf gegen den (kommunistischen) Totalitarismus widmete. Gegen Ende des Koreakriegs, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, wurde auf Initiative der zivilen Aufklärungsdienste und parlamentarischer Kreise die Sektion Heer und Haus reaktiviert. Sie war personell eng mit den RS und vor allem dem SAD verflochten und entwickelte ab 1956 eine intensive Zusammenarbeit mit den zivilen Aufklärungsdiensten. Im Zuge der Armeereform 1961 wurde Heer und Haus in die Truppe integriert und in die Truppenordnung aufgenommen. Als Folge der Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Geistigen Landesverteidigung in Armee und EMD kam es 1962-1963 zu einer Krise innerhalb von Heer und Haus, die schliesslich zur direkten Unterstellung der Dienststelle unter die Militärverwaltung und zu einer völligen Neudefinition der Ziele und Arbeitsweise von Heer und Haus führte. Die Zusammenarbeit mit den zivilen Aufklärungsdiensten wurde eingestellt, die Geistige Landesverteidigung trat in den Hinter-, die Information der Truppe in den Vordergrund. In den 1970er Jahren geriet Heer und Haus, ab 1968 dem Ausbildungschef unterstellt, zunehmend unter Beschuss der Linken, die in Heer und Haus ein Mittel der gesellschaftlichen Disziplinierung sahen und die Verbreitung von Ideologien in der Armee kritisierten. Da die von Heer und Haus geleistete Arbeit auch innerhalb der Armee als ungenügend beurteilt wurde, schuf der Bundesrat 1978 als militärische Nachfolgeorganisation den Truppeninformationsdienst zur Unterstützung der Kommandanten.

Quellen und Literatur

  • A. Lasserre, Schweiz, die dunkeln Jahre, 1992 (franz. 1989)
  • I. Perrig, Geistige Landesverteidigung im Kalten Krieg, 1993
  • Y.-A. Morel, Aufklärung oder Indoktrination?, 1996
Weblinks

Zitiervorschlag

Therese Steffen Gerber: "Heer und Haus", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.11.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008695/2007-11-29/, konsultiert am 29.03.2024.