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Brünigpass

Der vom Vierwaldstättersee in Richtung Südwesten aufsteigende Verkehrsweg über den Brünigpass teilt sich auf der Passhöhe in zwei Richtungen. Der östliche Abstieg führt nach Meiringen im Oberhasli. Dieser Weg verband die Zentralschweiz über die Grimsel-Gries-Route mit dem oberitalienischen Domodossola. Dass die auffallend gradlinige Alpentransitstrecke bereits zur Römerzeit in Gebrauch stand ― von Vindonissa über Alpnach ― ist zwar plausibel, aber nicht erwiesen. Im Mittelalter stellte der Brünigpass die Verbindung zwischen den beiden Landschaften Obwalden und Hasli dar. Die Konflikte zwischen Unterwalden, Wallis und Eschental im 15. Jahrhundert und später die konfessionelle Scheidung zwischen Bern und den Innerschweizer Orten konnten zwar den Verkehr über den Brünigpass immer wieder behindern, der Pass behauptete aber dennoch seine regionalwirtschaftliche Bedeutung, indem er dem Export von Vieh und Käse aus Obwalden und dem Entlebuch diente und damit dem norditalienischen Wirtschaftsraum ein Produktions- und Absatzgebiet am nördlichen Alpenabhang erschloss.

Der andere Verkehrsweg führte an den Brienzersee, wo zunächst im Kienholz, seit Beginn des 17. Jahrhundert in der Tracht die Sust stand und der Verkehr auf den Seeweg wechselte. Diese westliche Verkehrsverbindung des Brünigpasses erhielt ihre Konturen im 12. und 13. Jahrhundert mit den passübergreifenden Herrschaftsbeziehungen der Adelsdynastien der Wädenswil, der Eschenbach, der Ringgenberg, der Rudenz und der Kellner von Sarnen, später auch durch die Versuche der Obwaldner, die Interlakner Gotteshausleute in ihren kommunalistischen Autonomiebestrebungen zu unterstützen. Die bernische Territorialisierungspolitik brachte eine Ausdehnung der Machtsphäre Berns bis an den Brünigpass und akzentuierte dessen Grenzfunktion. In der Frühneuzeit waren die wirtschaftlichen Verkehrsbeziehungen aber keineswegs unterbunden. Einerseits gelangte zum Beispiel oberländisches Vieh in die Innerschweiz (und teils via Flüelen nach Italien), andererseits wurde Tiroler Salz über den Brünigpass ins Oberland gehandelt. Im späten 18. Jahrhundert setzte mit den «Schweizerreisen» der touristische Verkehr zwischen dem Oberland und der Innerschweiz ein. Die touristische Funktion stand auch beim Bau der Fahrstrasse im 19. Jahrhundert im Vordergrund. Die ersten Projekte datieren aus den 1840er Jahren. Die Realisierung ging aber erst voran, als der Bund aus militärstrategischem Interesse eine Subventionierung in Aussicht stellte, die dann hauptsächlich dem finanzschwachen Kanton Obwalden zugute kam. Auf Berner Seite war die Linienführung umstritten, indem dem direkten Aufstieg Brienz-Brienzwiler der Wunsch der Hasler entgegenstand, die Strasse möglichst nahe an Meiringen heranzuführen. Gebaut wurde die Kompromissvariante der Berner Regierung mit dem steilen Aufstieg ab Wylerbrügg. Am steilen Uferhang des Loppers galt es, eine Lösung für die Strassenführung auf Nidwaldner Gebiet zu finden, war doch dieser Kanton wenig interessiert, sich für diese Strecke zu verausgaben. Nach sehr kurzer Bauzeit von bloss zwei Jahren konnte die Passstrasse 1861 eröffnet werden. Sie erlebte von Anbeginn an erhebliche Frequenzen im touristischen Personenverkehr, während der Gütertransport gering blieb. Gleichermassen diente auch die 1888 eröffnete Brünigbahn weitgehend dem touristischen Reiseverkehr zwischen Interlaken und Luzern, obwohl ihr Bau nicht zuletzt mit dem Anschluss Berns an die Gotthardbahn begründet worden war. Ebenso stand hinter dem Ausbau zur modernen Alpenstrasse im 20. Jahrhundert primär ein touristisches Motiv, indem der Brünigpass sich für den sonntäglichen Automobilausflug in die Berge anbot. Ob die Fertigstellung der Autostrasse A8 als Teil des schweizerschen Nationalstrassennetzes dereinst dem Pass wieder vermehrt die Funktion einer Verkehrsader zwischen zwei Wirtschaftsräumen zurückgeben wird, bleibt abzuwarten.

Quellen und Literatur

  • IVS Dok. OW 3; BE 13, 14
Weblinks
Normdateien
GND
Systematik
Verkehr / Pass

Zitiervorschlag

Hans von Rütte: "Brünigpass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.02.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008836/2013-02-27/, konsultiert am 28.03.2024.