de fr it

ErsterVillmergerkrieg

Militärischer Konflikt zwischen den reformierten Orten Zürich, Bern und Schaffhausen und den fünf katholischen Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug. Der Erste Villmergerkrieg begann mit dem Kriegsmanifest Berns und Zürichs am 6. Januar 1656 und endete mit dem Abschluss des Dritten Landfriedens zu Baden am 7. März 1656 (Landfriedensbünde).

Vorgeschichte

Als Reaktion auf die langwierige Konfliktlösung im Bauernkrieg von 1653 erarbeiteten die Gesandten Johann Heinrich Waser aus Zürich und Sigmund von Erlach aus Bern im März und April 1655 Vorschläge zum Abschluss eines neuen eidgenössischen Bunds. Die katholischen Orte sollten dem Bund auch beitreten, doch wurde für den Fall einer Ablehnung eine verstärkte Kooperation zwischen den reformierten Obrigkeiten vereinbart. Zugleich wurden in einem geheimen Beibrief strategische Planungen für den Fall eines militärischen Konflikts zwischen den beiden konfessionellen Blöcken erarbeitet. Die inneren Orte lehnten das Bundesprojekt ab und erneuerten stattdessen am 3. Oktober 1655 den Goldenen Bund in erweiterter Form. Dieser Entscheid sowie die in den reformierten Orten kontrovers diskutierte Frage, ob in den Waldenserkonflikt eingegriffen werden sollte, liess beide Seiten an der Friedensbereitschaft der jeweils anderen zweifeln.

Kriegsanlass – der Artherhandel

Ausgelöst wurde der Erste Villmergerkrieg durch den sogenannten Artherhandel. Im September 1655 traf eine Gruppe von reformierten Flüchtlingen (Nikodemiten) aus Arth in Zürich ein. Nach anfänglichem Zögern wurde ihnen unter Berufung auf ein eidgenössisches ius emigrandi Asyl gewährt. Schwyz bestritt die Existenz eines solchen Rechtsgrundsatzes. Die Tatsache, dass die Flüchtlinge in Arth über Monate durch einen Zürcher Geistlichen betreut worden waren und Zürich auf die Ausreise der übrigen Reformierten drang, kritisierte Schwyz zudem als Bruch der eidgenössischen Freundschaft. Der Zürcher Rat protestierte seinerseits dagegen, dass Schwyz ein Vermittlungsverfahren verweigerte, und drohte mit Waffengewalt. Der Zürcher Antistes Johann Jakob Ulrich erklärte ein bewaffnetes Vorgehen gegen die Schwyzer "Religionstyrannen" zur sakralen Pflicht der reformierten Eidgenossen. Die Schärfe der reformierten Polemik sowie die Forderung einer Gesandtschaft der reformierten Orte, ihre Position vor einer Landsgemeinde erläutern zu können, erhöhten den Druck auf den Schwyzer Landrat. Entgegen Berner Warnungen wurden vier in Schwyz verbliebene Reformierte hingerichtet. Der bislang schwankende Ort Bern sagte daraufhin Zürich seine militärische Unterstützung zu, falls weitere Vergleichsverhandlungen scheiterten. Basel lehnte ungeachtet des vom Zürcher Bürgermeister Johann Heinrich Waser ausgeübten Drucks einen solchen Schritt weiterhin ab.

Kriegsziele und Kriegsverlauf

Schlacht bei Villmergen. Pastose Malerei auf Textil von Franz Ludwig Raufft, um 1700 (Historisches Museum Luzern).
Schlacht bei Villmergen. Pastose Malerei auf Textil von Franz Ludwig Raufft, um 1700 (Historisches Museum Luzern). […]

Auf das Scheitern der gemeineidgenössischen Tagsatzung an der Jahreswende 1655/1656 folgte am 6. Januar 1656 der Erlass des Kriegsmanifests der Orte Zürich und Bern, in denen beide militärische Massnahmen zur Erzwingung des eidgenössischen Rechts ankündigten. Die beiden reformierten Orte schickten sich damit an, die Rechtsordnung des Zweiten Landfriedens von 1531 umzugestalten und kriegerische Wege zu beschreiten. Der Oberbefehl über die Zürcher Truppen wurde Hans Rudolf Werdmüller übertragen. Durch eine Teilbesetzung des Thurgaus und die Eroberung der strategischen Schlüsselstellung Rapperswil sollte zunächst Zürich gesichert werden. Truppenteile aus Schaffhausen unterstützten Zürich mit Defensivmassnahmen, beteiligten sich aber nicht an den Kriegshandlungen. Die Berner Truppen wurden, soweit sie nicht durch Aufgaben der Grenzsicherung gebunden waren, von Sigmund von Erlach nach Osten geführt. Eine Vereinigung beider Truppen scheiterte am schleppenden Verlauf der Belagerung der Stadt Rapperswil durch Zürcher Truppen.

Die Entscheidung zugunsten der katholischen Orte – Freiburg und Solothurn waren neutral geblieben – fiel am 24. Januar 1656. In einem Überraschungsangriff schlugen Luzerner und Zuger Truppen unter Christoph Pfyffer das Berner Heer bei Villmergen. Der reformierte Versuch, die Freien Ämter, die das Zürcher und Berner Territorium trennten, zu besetzen, war damit gescheitert. Die Schlacht hatte erhebliche Ausbildungs- und Führungsdefizite auf Berner Seite offengelegt. Sigmund von Erlach erklärte die Niederlage mit der mangelnden Professionalität der Truppen und verlangte für die Fortsetzung des Kriegs ausländische Söldner, vor allem französische Kavallerie. Auch Werdmüller forderte von der Zürcher Obrigkeit eine konsequentere Kriegsführung. Als sein Sturmangriff auf Rapperswil am 3. Februar misslang, beschloss der Berner Grosse Rat, Friedensverhandlungen einzuleiten. Zürich folgte dem Vorhaben.

Friedensschluss und Folgen

Die vier Schiedsorte Solothurn, Freiburg, Schaffhausen und Basel führten durch eine aufwendige Pendeldiplomatie einen Vergleich zwischen den Gesandten der Kriegsparteien herbei. Sie wurden dabei von ausländischen Diplomaten, unter anderen dem französischen Gesandten Jean de La Barde, unterstützt. Im Dritten Landfrieden einigten sich die Parteien auf eine Demobilisierung, eine Amnestie und eine Erneuerung des Status quo ante, indem der Zweite Landfrieden von 1531 bestätigt wurde. Offene Fragen, wie jene nach der Begleichung der Kriegskosten, sollten in einem zukünftigen Schiedsverfahren gelöst werden. Der Ausgang des Ersten Villmergerkriegs fixierte bis 1712 das militärische und politische Verhältnis zwischen den reformierten und den katholischen Orten. Die Stellung der inneren Orte, die eine Kompetenzvermehrung eidgenössischer Institutionen vor allem in konfessionellen Streitigkeiten ablehnten, wurde gestärkt.

Quellen und Literatur

  • A. Rey, Gesch. des Protestantismus in Arth bis zum Prozess von 1655, 1944
  • M. Furner, The "Nicodemites" in Arth, Canton Schwyz, 1530-1698, 1994
  • T. Lau, "Stiefbrüder": Nation und Konfession in der Schweiz und in Europa (1656-1712), 2008
Weblinks

Zitiervorschlag

Thomas Lau: "Villmergerkrieg, Erster", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008910/2014-01-22/, konsultiert am 14.10.2024.