Die aus der 1. Hälfte des 8. Jh. stammende Aufzeichnung weström. Vulgarrechts ist von fränkischen sowie weiteren, nicht eindeutig bestimmbaren Rechtsvorstellungen beeinflusst. Sie ist wohl als Ausfluss der westgotisch-pirmin. Kulturwelle in Churrätien zu interpretieren; gesetzgeberische Geltung kam ihr jedenfalls nicht zu. Für die Kulturgeschichte Graubündens und Vorarlbergs ist sie von herausragender Bedeutung. Von drei vollständig überlieferten Handschriften sind deren zwei rät. Ursprungs. Die verones. Herkunft der dritten sowie zweier Mailänder Fragmente lassen auf zusätzl. Verbreitung in Norditalien schliessen. Auch bezüglich des Inhalts erweist sich die im 19. Jh. eingeführte, historisch nicht belegte Bezeichnung L. als irreführend. Grundkonzeption und -inhalt lassen die L. klar als Bearbeitung der Lex Romana Visigothorum erkennen, die Alarich II. 506 erlassen hat, weshalb nicht von einem rät. Original gesprochen werden kann. Das fehlende Verständnis des Bearbeiters für die Vorlage deckt den Verfall röm. Rechtskenntnisse deutlich auf. Die früher vertretene Ansicht, die L. gebe das damals in Churrätien geltende Recht wieder, muss aufgrund nachgewiesener inhaltl. Missdeutungen der Vorlage und des fehlenden gesetzgeberischen Willens des Bearbeiters als unzutreffend betrachtet werden. Neuere Forschungen qualifizieren die L. fast einhellig als literar. Rezeption weström. Vulgarrechts, welches den Vorrang des geltenden, ebenfalls römisch geprägten Gewohnheitsrechts nicht antastete, sondern durch Letzteres vielmehr verfremdet wurde. Hier liegt denn auch die besondere Bedeutung der L. für die Rechtsgeschichte.
Quellen und Literatur
- C. Soliva, «Röm. Recht in Churrätien», in JHGG 116, 1986, 189-206, (mit Bibl.)
- K.H. Burmeister, «Zur Bedeutung der sog. "L." für die Vorarlberger Landesgesch.», in Montfort 42, 1990, H. 1., 82-90
- H. Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühma. Rechtsqu., 1992, 325-327, 815