Das Testament, auch als letztwillige Verfügung bezeichnet, ist ein Rechtsakt, bei dem ein Erblasser letztwillig über die Verwendung seines Nachlasses befindet; die einseitig getroffene Regelung von Todes wegen besteht meist in einer Abänderung der gesetzlichen Erbfolge und/oder in der Anordnung von Vermächtnissen. Die letztwillige Verfügung, ob als Testament oder Erbvertrag, ist eng mit dem Erbrecht verknüpft.
Historische Wurzeln
Die Entwicklung des Testamentsrechts in der Schweiz stand im Widerstreit zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Gemäss den Grundsätzen des römisch-gemeinen Rechts (Römisches Recht) war das Testament ein einseitiger, widerruflicher, an die persönliche Errichtung mündlich oder schriftlich vor Zeugen gebundener Rechtsakt von Todes wegen, der über die Verwendung des Nachlasses entschied und mit dem Tod des Erblassers wirksam wurde. Dem germanischen Recht war dagegen eine durch ein Testament willkürlich bestimmte Erbfolge fremd. Es kannte keine freie Verfügung über das Hausgut, das als Familienerbe gesamthänderisch gebunden war und in Form der Parentelenordnung gesetzlich vererbt wurde.
Das Testamentsrecht entwickelte sich in einem langen Prozess zwischen diesen beiden Polen. Germanische Völker wie Burgunder und Langobarden hatten bei ihrer Integration ins Römische Reich dessen Recht übernommen. Trotz Einflüssen auf die Rechtsentwicklung in der West- und Südschweiz bestimmte im Mittelalter jedoch nicht römisches Recht den Erbgang, sondern ähnlich wie in der Deutschschweiz einheimisch-lokale Rechtsbräuche. Als im 13. und 14. Jahrhundert das römisch-gemeine Recht im Gefolge des kanonischen Rechts Eingang in die lateinische und deutsche Schweiz fand, trat neben die deutschrechtliche gesetzliche Erbfolge (Intestaterbfolge) neu die Möglichkeit zur testamentarisch gewillkürten oder Testaterbfolge.
Mittelalter
Bis ins Spätmittelalter war die Testierfähigkeit auf den um seine Erbfolge besorgten Adel und auf Stadtbürger beschränkt, d.h. auf vermögliche, freie Leute, wogegen die zumeist unfreie Landbevölkerung auf Leihegütern sowohl erb- wie testierunfähig war (Leibeigenschaft). Bevor eigentliche Testamente errichtet wurden, kamen unter dem Einfluss der Kirche die Donationen pro anima auf, denen zufolge der Adel zu seinem Seelenheil Kirchen und Klöster stiftete und mit reichem Grund- und Lehnsbesitz ausstattete, womit diese zu Konkurrenten des Adels um die weltliche Herrschaft wurden.
Das Errichten von Testamenten (Ordnung, Gemächt) wurde in den Stadtrechten erstmals geregelt: Neben die gesetzliche Erbfolge trat neu die testamentarische Verfügung, die nicht nur Vergabungen machen, sondern auch Erben einsetzen und damit die Ansprüche der gesetzlichen Erben bestreiten konnte. Grundsätzlich war dem städtischen Erblasser erlaubt, sein Vermögen an legitime Söhne und Töchter zu vererben (La Tour-de-Peilz 1282); Kinderlose konnten ihr Gut von Todes wegen frei vermachen (Vevey 1236). Wurde die Erbfolge testamentarisch geändert, musste dies vor Gericht mit Urteil, oft sogar im Einverständnis der gesetzlichen Erben geschehen (Basel, Zürich, Luzern). Einzelne Stadtrechte wie die Berner Handfeste von 1218 oder die Genfer Franchises von 1387 räumten dem Erblasser dagegen – dem geltenden Recht vorauseilend – weitgehende Freiheiten ein, die sogar erlaubten, den Nachlass Ehefrau, Kindern und Verwandten zu entziehen (Bern).
Die neue testamentarische Freiheit veränderte das rechtsbräuchliche Verhalten wenig: Testamente betrafen nicht die förmliche Erbeinsetzung des römisch-rechtlichen Testaments, sondern beinhalteten weiterhin Vergabungen von Vermögenswerten zu Eigen oder Nutzniessung, insbesondere unter Eheleuten. Gegen die vielen Jahrzeitstiftungen an die Kirche (Jahrzeitbücher) wandten sich Stadtbehörden, indem sie profane Stiftungen, unter anderem an die Stadtspitäler, förderten und Vergabungen an die Kirche materiell einschränkten, jene auf dem Totenbett auf maximal fünf Schilling (Bern 1218) oder auf zehn Pfund (Luzern 1480). Sie verboten diese zunehmend auch ganz (Luzern) oder nur bei Vergabungen von Liegenschaften (Basel, Zürich, Bern) oder sie liessen nur Kinderlose und Ledige letztwillig verfügen (Basel, Stadt St. Gallen). Stiftungen an die Kirche wurden in geistlichen Herrschaften nicht behindert (Fürstbistum Lausanne vor 1536 und Fürstbistum Basel, Fürstabtei St. Gallen). In Pestzeiten lockerte Bern die Bestimmungen für Stiftungen auf dem Totenbett und erlaubte Landleuten, solche auch gegen den Willen ihrer Lehenherren auf ihre Leihehöfe zu errichten (Leihe). Betrafen Verfügungen ganze Vermögen, waren sie vor dem Rat oder vor Gericht urkundlich auszufertigen und/oder ins Rats- oder Gerichtsbuch einzuschreiben (Luzern). Besondere Regelung verlangten eigenhändige private Testamente: Zu deren Errichtung war in Bern, Luzern und Zürich eine Ratsermächtigung (Freiung) nötig, für Frauen sogar zwingend und bis ins 15. Jahrhundert überdies die Mitwirkung ihres Vogts. Überall genossen der Schutz der gesetzlichen Erben sowie jener der Gläubiger des Erblassers Vorrang.
Frühe Neuzeit
Ab dem 16. Jahrhundert schlug sich das römisch-rechtliche Vorbild wie zuvor in der Süd- und Westschweiz vermehrt auch in der östlichen Schweiz in den periodisch erneuerten Stadtrechten und Gerichtssatzungen nieder, wobei der Begriff Testament nach und nach neben den älteren Bezeichnungen ordnung oder gemächt geläufig wurde. Römisch-rechtlicher Einfluss konnte jedoch am Vorrang der – je nach Ort unterschiedlich bestimmten – gesetzlichen Erben wie der Deszendenten in Bern nicht rütteln. Obschon Städte ihren Bürgern grösstmögliche Verfügungsfreiheit über ihr Gut gewährten, war die Enterbung der gesetzlichen Erben zugunsten von Dritten nicht zugelassen: Eltern durften ein Kind nicht enterben, es sei denn, dieses hätte sie verflucht oder geschlagen oder sei kriminell geworden. In Bern verloren auch Töchter, die ohne Wissen und Einwilligung der Eltern heirateten, ihre Erbansprüche. Kinder konnten in Bern dagegen ihre Eltern testamentarisch vom Erbe ausschliessen, wenn sie nicht mehr unter deren Dach wohnten. Ausser bei Ledigen oder Kinderlosen beinhalteten Testamente somit weiterhin meist nur Schenkungen und nicht die Bestimmung eines Allein- oder Miterben. Die Stadtbehörden suchten die christliche Wohltätigkeit vor allem in reformierten Orten wie in Bern, wo Jahrzeitstiftungen entfallen waren, auf Stiftungen zugunsten städtischer Einrichtungen wie Kirchen, Schulen und Armenwesen zu leiten. Aus der Festlegung von Höchstquoten bei Vergabungen entstanden im 18. Jahrhundert in Bern und Zürich bezifferbare Pflichtteile für gesetzliche Erben.
Strengere obrigkeitliche Aufsicht bei der Errichtung von Testamenten bezweckte immer den Schutz der gesetzlichen Erben und die Erhaltung von Erbgut: Das im 16. Jahrhundert übliche schriftliche Testament wurde im 17. Jahrhundert Vorschrift; mündliche Testamente vor zwei Zeugen als Nottestamente mussten innert sechs Wochen vor Gericht gebracht und protokolliert werden. Zunahmen verzeichneten Testamente unter Eheleuten und der vor der Ehe einzugehende Ehevertrag zur gegenseitigen Begünstigung beim Tod. Ab dem 16. Jahrhundert kamen in den Häupterfamilien von der Ost- bis in die West- und Innerschweiz vermehrt Testamente zur Nachfolgeregelung auf, die Familienstiftungen als Fideikommisse begründeten mit dem Ziel, den familiären Domänenbesitz unveräusserbar und ungeteilt zu erhalten, wobei dieser oft dem ältesten Sohn (Majorat) zufiel.
Unter römisch-rechtlichem Einfluss nahmen Stadtrechte im 17. Jahrhundert die Widerruflichkeit auf; der freie Widerruf war in Bern, jener vor dem Rat oder Gericht in Luzern üblich; in Zürich war Widerruflichkeit schon im 16. Jahrhundert die Regel. Alte Rechtsformen entfielen, unter anderem der Zwang zur Freiung vor Rat für Frauen und deren Rechtsvertretung durch einen Vogt. Die strenge Ratsaufsicht bei der Verteilung von Nachlässen machte die Institution des Willensvollstreckers entbehrlich (Zürich). Selten war die Regelung des Pflichtteils für Nachkommen: Dieser betrug in Bern zwei Drittel des Männerguts; in Zürich hingegen war ererbtes Gut vollständig zu erhalten, über errungenes Gut durfte zunächst frei verfügt werden, im 18. Jahrhundert indes nur noch über ein Viertel bis ein Fünftel des Guts von Erblassern mit Nachkommen.
Bis ins 16. Jahrhundert war Testamentsrecht städtisches Recht, während das Recht auf dem Land ohne Erbrecht auf grundherrlichen, ehemals leibherrlichen Rechtsvorstellungen aufbaute. Unter städtischer Herrschaft wurden dem Land lokale Rechtsbräuche bestätigt; später verordnetes Testamentsrecht war im Vergleich mit dem städtischen minderes Recht. Bern strebte als erster Staat nach Rechtsvereinheitlichung auf der Basis des städtischen Erb- und Testierrechts, das im altbernischen Territorium ab dem 16. Jahrhundert in Landrechten und Satzungen lokale Rechtsbräuche ersetzte und jene der Waadt, des südlichen Fürstbistums Basel und des Aargaus beeinflusste. Luzern ersetzte im ganzen Staat Landrechte durch Stadtrecht. Im Staat Zürich unterblieb eine Rechtsvereinheitlichung. Territorien unter gemeineidgenössischer Verwaltung erhielten von ihren Landesherren einheitliches Recht, wogegen im Tessin und in Graubünden lombardisch-römisch-rechtlich beeinflusste Testierbräuche in grosser Vielfalt erhalten blieben. Während in den Städten ausser in Zürich Söhne und Töchter zu gleichen Teilen erbten, blieben auf dem Land der deutschrechtliche Sohnsvorteil und das Vorrecht der Söhne auf Liegenschaften sowie in der Südschweiz der sich bis ins 20. Jahrhundert hartnäckig haltende Ausschluss der Töchter vom Erbe bestehen.
Die gesamtschweizerische Regelung im 20. Jahrhundert
Nach dem Ende der Helvetischen Republik ging die testamentrechtliche Gesetzgebung wieder an die Kantone über; mehrheitlich trafen diese eine Vielfalt an örtlichen Rechtsbräuchen an, die zum Teil bis ins 20. Jahrhundert bestehen blieb. Die Bestimmungen über Testamente machten durchwegs einen grossen Teil der Erbrechtsregelungen aus, wobei die testamentarisch-gewillkürte Erbeinsetzung überall die Ausnahme bildete. Durch Revision oder neuerlicher Kodifikation oder Überarbeitung bestehender gesetzlicher Regelungen suchten die Kantone im 19. Jahrhundert die Satzungen und Landrechte aus dem Ancien Régime zu modernisieren. Erst mit dem Zivilgesetzbuch (ZGB) von 1907, das 1912 die kantonalen Privatrechte ablöste, trat eine gesamtschweizerische Regelung der Verfügungen von Todes wegen in Kraft (Artikel 467-536 ZGB), die mit Kompromissen auf den kantonalen Rechten aufbaute. Verfügungen von Todes wegen blieben hauptsächlich Testament und Erbvertrag. Die Verfügungsfreiheit wurde vom Pflichtteilsrecht der Nachkommen, der Eltern, Geschwister und des Ehegatten beschränkt. Zu den testamentarischen Verfügungsarten zählten die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Nacherbeneinsetzung sowie Stiftungen und Erbverträge. Das Testament kann als öffentliches Testament notariell vor einer Urkundsperson unter Mitwirkung von zwei Zeugen oder (zumeist) als eigenhändiges, von Anfang bis Ende handschriftliches, datiertes und unterzeichnetes Testament oder als mündliches Testament vor zwei Zeugen (Nottestament) errichtet werden. Das ZGB verbot die Errichtung von neuen Familienfideikommissen, beliess aber schon bestehende in Kraft (Artikel 335 ZGB).
Neuere Revisionen des ZGB hoben unter anderem den kantonalen privatrechtlichen Vorbehalt zur Pflichtteilsregelung des ZGB hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs von Geschwistern und deren Nachkommen auf (Artikel 472 ZGB 1988) und regelten die Besserstellung des überlebenden Ehegatten durch Herabsetzung der Erbansprüche der übrigen Erben (Artikel 471 und Artikel 473 ZGB 1988).
Quellen und Literatur
- SSRQ
- A.P. von Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern 2, 1852-54, 536-548; 4, 1858, 127-134
- C. Pometta, La successione legittima secondo gli statuti ed i codici ticinesi, 1921
- H. Rennefahrt, Grundzüge der bern. Rechtsgesch. 2, 1931, v.a. 208-218
- Idiotikon 13, 1990-1992
- T. Weibel, Erbrecht und Fam., 1988
- LexMA 8, 563-573
- HRG 5, 152-165
- L. Lorenzetti, «Le resistenze della consuetudine: la famiglia "ticinese" tra leggi e pratiche successorie (XVIII-XIX secolo)», in BSSI, 2002, 189-209
- J.-F. Poudret, Coutumes et coutumiers 4, 2002