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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Das Palais der Menschenrechte in Strassburg, das nach den Plänen des britischen Architekten Richard Rogers gebaut und 1995 eingeweiht wurde (Fotografie Europarat).
Das Palais der Menschenrechte in Strassburg, das nach den Plänen des britischen Architekten Richard Rogers gebaut und 1995 eingeweiht wurde (Fotografie Europarat).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Strassburg prüft Klagen von Privatpersonen aus 47 europäischen Staaten (2020), welche die 1950 geschaffene Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert haben. Auch einzelne Vertragsstaaten, die jeweils mit einem Richter am Gerichtshof vertreten sind, können als Kläger auftreten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde 1998 grundsätzlich reformiert. Seitherige verfahrensrechtliche Änderungen betreffen beispielsweise das Recht höchster innerstaatlicher Gerichte, in hängigen Verfahren um ein Gutachten beim Gerichtshof nachzusuchen (16. Protokoll, 2018). 

Der Fall «Josef Felix Müller against Switzerland» in der Presse. Zwei Zeitungsausschnitte aus einem Dossier, zusammengestellt vom Medienbeobachtungsdienst Argus (Anwälte 44).
Der Fall «Josef Felix Müller against Switzerland» in der Presse. Zwei Zeitungsausschnitte aus einem Dossier, zusammengestellt vom Medienbeobachtungsdienst Argus (Anwälte 44). […]

Die Schweiz ratifizierte die EMRK 1974 nach der Beseitigung von zwei Ausnahmeartikeln und der Einführung des Frauenstimmrechts. Die EMRK garantiert unter anderem das Verbot der unmenschlichen Behandlung, die Freiheit und Sicherheit der Person, ein faires Gerichtsverfahren sowie die Gewissens- und Meinungsfreiheit (Menschenrechte). Diese Rechte können allen Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden entgegengehalten werden. Jede Person kann beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde erheben und geltend machen, ein staatlicher Hoheitsakt verletze ihre Rechte aus der EMRK. Eine anwaltliche Vertretung ist nicht notwendig. Allerdings sind gewisse Zulässigkeitsbedingungen zu erfüllen, zum Beispiel sind zuvor alle innerstaatlichen Rechtsmittel auszuschöpfen; in der Schweiz ist dies in letzter Instanz meist eine Beschwerde ans Bundesgericht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist aufgrund der hohen Zahl der Beschwerdeeingänge (1955-2019 882'038 Beschwerden) überlastet. Bis in die 1970er Jahre wurden häufig Fragen der Haft beurteilt, heute betreffen die Fälle alle Bereiche der modernen Gesellschaft. Die Urteile des Gerichtshofs stellen bindend fest, ob ein Staat die EMRK verletzt hat. Sie verpflichten den Staat, ein etwaiges Unrecht zu beseitigen und unter Umständen Schadenersatz auszurichten.

Gegen die Schweiz wurden von 1974-2019 insgesamt 7357 Beschwerden eingereicht. Davon endeten 195 Beschwerden mit einem Urteil. In 115 Urteilen wurde mindestens eine Verletzung der EMRK festgestellt. Diese Urteile, welche das gesamte Spektrum des Grundrechtsschutzes betreffen, haben zu Gesetzes- und Praxisänderungen geführt.

Schweizer Richterinnen und Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

 NameAmtszeit
Antoine Favre 1963-1974
Denise Bindschedler-Robert 1975-1991
Luzius Wildhaber 1991-2006
Giorgio Malinverni 2007-2011
Helen Keller 2011-2020
Andreas Zünd 2021-
  
Lucius CaflischA 1998-2006
Mark VilligerA 2006-2015
Carlo RanzoniA 2015-

 a  von Liechtenstein nominiert

Schweizer Richterinnen und Richter am EGMR – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte​

Quellen und Literatur

  • Villiger, Mark E.: Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Schweizer Fällen, 20203 (mit Bibliografie).
Weblinks

Zitiervorschlag

Mark E. Villiger: "Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.04.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008961/2021-04-01/, konsultiert am 29.03.2024.