Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Als Feudallasten werden all jene Abgaben, Gebühren, Steuern und Dienstleistungen aus der Zeit vor der Französischen Revolution bezeichnet, die in einem persönlichen Abhängigkeits- und Herrschaftsverhältnis von Untergebenen (Untertanen, Lehenbauern, Eigenleuten) einem Herrn zu erbringen waren. Ausgehend vom ursprünglichen Begriff "feudal" (Feudalismus), wären unter Feudallasten aus dem Lehnsrecht abgeleitete Lasten zu erwarten. Die Französische Revolution subsumierte unter dem Wort "feudal" jedoch alles, was mit vorrevolutionärer Herrschaft verknüpft war. In der Helvetik kam der deutsche Begriff Feudallasten als Übersetzung vom französischen redevances féodales auf. Er wurde gebraucht als Sammelbegriff für alle vorrevolutionären Lasten – neben lehnsherrlichen auch solche aus der Gerichts-, Leib-, Personen-, Kirchen- und Grundherrschaft, somit für Abgaben und Leistungen von allen bis dahin gültigen Herrschaftsrechten.
Der vom revolutionären Gedankengut geprägte Begriff schloss den Aspekt der Widerrechtlichkeit mit ein. In der marxistisch-leninistischen Terminologie kam die Dimension der Ausbeutung hinzu: Feudallasten dienten der Ausbeutung der Bauern. Diese politisch-ideologische Interpretation der Feudallasten blieb im 20. Jahrhundert nicht ohne Auswirkung auf das allgemeine Verständnis der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Zustände (so schreibt der "Brockhaus" 1908: "die den Bauernstand bedrückenden Feudallasten").
Entstehung und Entwicklung
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Die ursprüngliche Bedeutung der Feudallasten entspricht nicht derjenigen, die ihnen in späteren Interpretationen gegeben wurde. Vom frühen Mittelalter an allmählich entstanden, hatten diese Abgaben, Gebühren, Steuern und Dienstleistungen die Funktion einer Gegenleistung von Untergebenen (Freien oder Eigenleuten) für eine Leistung des Höhergestellten, Mächtigen, Besitzenden – eines weltlichen oder kirchlichen Herrn. Die Leistung konnte eine Sache sein, zum Beispiel ein Hof, den der Grundbesitzer einem Bauern zur Nutzung verlieh, der ihm dafür Zins zahlte, oder auch eine Institution des öffentlichen Rechts wie das Gerichtswesen oder der Personenschutz, den der Waffen tragende Adelige seinen Herrschaftsangehörigen gegen Erlegung des Vogtzinses oder dem durchreisenden Kaufmann gegen Zahlung des Geleites gewährte. Die Gegenseitigkeit von Leistung und Gegenleistung zwischen einem Herrn und seinen freien oder leibeigenen Herrschaftsangehörigen kennzeichnete die damalige ständische Gesellschaft. Die grosse Vielfalt an Feudallasten, unter denen die älteren Naturallasten und Frondienste bedeutender waren als die jüngeren Geldabgaben, spiegelt die Zeit ihrer Entstehung mehrheitlich im Zeitraum vor dem und im 14. Jahrhundert. Wirtschaftlich betrachtet waren die agrarischen Feudallasten das materielle Rückgrat und wichtigstes Einkommen der mittelalterlichen Adels-, Kirchen- und Klosterherrschaft.
Der Schweinezehnt. Miniatur aus dem Urbar von Rheinfelden, um 1415 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Hs. B 132, Fol. 14v).
Die meisten Abgaben stammten aus der Gerichts- und Grundherrschaft: Mannleistungen (Frondienste) und Naturalzinsen aus dem genutzten Boden spiegeln eine archaische Arbeitswelt; jünger und der Geldwirtschaft entwachsen waren Geldleistungen, darunter in Geld gewandelte ehemalige Naturalzinsen. Neben Grundzinsen, die der Leihe entsprangen, weisen Frondienste auf die einst übliche Mitarbeit der Bauern in der Eigenwirtschaft des Grundherrn. Dieser konnte, weil ihm ursprünglich das gesamte Eigentum am Boden zukam, Gebühren für Wald- und Weidenutzung (Acherum) und für verliehene Gewerbebetriebe (Ehaften) fordern. Aus dem Gerichtswesen bezog der Inhaber der entsprechenden Rechte für seine richterliche Tätigkeit Gefälle (Bussen) und Gebühren und hatte Anrecht auf Frondienste zum Unterhalt seiner Gebäude. Auch aus der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit – zum Beispiel durch Verfolgung von Kriminellen oder die Aufsicht über Land- und Wasserwege – bezog der Gerichtsherr Einkommen, zum Beispiel das konfiszierte Vermögen von Straftätern oder Zoll und Geleite aus dem Verkehr.
Die aus dem Bereich der mittelalterlichen Personenherrschaft stammenden Feudallasten – Abgaben von Vogtei-Angehörigen, gleich ob im Rahmen weltlicher Vogteien, geistlicher Kastvogtei oder der Reichsvogtei – waren ein Entgelt für den von der Herrschaft zu leistenden Personenschutz. Aus der Leibherrschaft bzw. der Leibeigenschaft wuchsen die später heftig bekämpften Feudallasten wie der Fall, die Kopfsteuer, das Abzugsrecht und die Ehesteuer bei Heiraten ausserhalb der Ehegenossame. Diese Feudallasten stellten aber im Vergleich zum ursprünglich vollen Anspruch des Leibherrn an Leib und Besitz seiner Eigenleute verminderte Ansprüche dar. Der Zehnt an den Kirchenherrn, ein Entgelt für die kirchliche und später vermehrt auch die soziale und schulische Betreuung der Bevölkerung, war eine der einträglichsten Steuern der Zeit vor 1800. Obschon von der Definition her nicht zu den Feudallasten zählend, standen die Zehnten im Zentrum des bäuerlichen Widerstands und des Kampfes um deren Ablösung.
Dass die Feudallasten als ursprünglich gerechtfertigtes Entgelt für Leistungen der Herrschaft am Ende des 18. Jahrhunderts als "widerrechtlich" bekämpft wurden, lag vor allem daran, dass ihr Sinn im Lauf der Jahrhunderte verloren gegangen war. Die Feudallasten waren mehrheitlich nicht ablösbar ("ewig") und bei Erblehen nicht steigerbar, das hiess, dass zum Beispiel Hofzinsen über Jahrhunderte nominal unverändert erhalten blieben. Kapitalisiert entsprach ihr effektiver Wert aber keinesfalls mehr dem ursprünglich vollen Eigentum des Grundherrn, sondern lag vom 17. Jahrhundert an meist deutlich unter 50% des Verkehrswertes – der Lehnbauer war zum Hofeigentümer aufgerückt, der Grundherr zum Rentenbezüger abgestiegen. Die Vielfalt der Feudallasten stellte Herrschaften vor Verwaltungsprobleme. Sie suchten diese durch Umwandlung von Naturalabgaben in leichter zu beziehende Geldzinsen zu lösen, was sie aber der Geldentwertung auslieferte. Angesichts der hohen Mobilität der spätmittelalterlichen Bevölkerung wurden die an Personen haftenden Abgaben und Steuern, zum Beispiel jene aus der Leibeigenschaft, in Grundlasten umgewandelt und auf das bäuerliche Leihegut radiziert.
Auch die soziale Herkunft der Bezüger der Feudallasten änderte sich. Im Spätmittelalter lagen Herrschaften und Boden und die damit verbundenen Feudallasten in der Hand des Adels und der von ihm gestifteten oder mit Gütern ausgestatteten Kirchen und Klöster. Ab dem 14. Jahrhundert verschob sich das Eigentum bei steigendem Geldbedarf des Adels einerseits und erstarkender Finanzkraft der Stadtbürger andererseits sukzessive zu Gunsten der Städte und Bürger. In derselben Zeit erwarben vermehrt Bürger und Städte Kirchensätze (Patronatsrecht) und damit Zehnten, noch bevor in der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Landesherren die Kirchenherrschaft an sich zogen (Säkularisation). Herrschaften, ob Eigentum oder Lehen, sowie private und öffentliche Institutionen waren bereits frei handelbar; nun wurden es auch Grundlasten, die wie Renten, zum Teil losgelöst vom Boden, belastet, verpfändet, geteilt, vererbt und verkauft werden konnten. Im Prozess der Umwandlung und Handänderung der Feudallasten ging aber die Kenntnis von ihrer ursprünglichen Funktion verloren.
Am Ende des 18. Jahrhunderts waren die noch existierenden Feudallasten angesichts des allgemeinen Bedeutungsschwundes und der Geldentwertung der im Spätmittelalter fixierten Geld- und Bodenzinsen zwar ärgerliche, wie vor allem die Frondienste, aber keine drückenden Lasten mehr. Weit stärker bedrückte die allgemein hohe hypothekarische Belastung, welche Hoferben unter anderem beim Auskauf von Geschwistern eingehen mussten, den Bauernstand. Lediglich die Zehnten blieben eine namhafte Naturalsteuer von 10% vom Bodenertrag, die als einzige regelmässige Steuer des Ancien Régime somit fast ausschliesslich auf der Landbevölkerung lastete.
Frühe Ablösungen
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Schon im Spätmittelalter gab es Bestrebungen, Feudallasten gegen Geldzahlungen abzulösen, besonders früh im Voralpenraum: So wandelten die Glarner 1395 in Vereinbarung mit dem Stift Säckingen diesem geschuldete Fälle, Zehnten und Bodenzinsen in Geldzinsen um. Ab den 1440er Jahren verweigerten Bauern im Getreide produzierenden Mittelland Zehnten, Frondienste, Ungeld und Ehrschatz mit dem Ziel, sich ganz oder zum Teil von diesen zu befreien. Geistliche und weltliche Grundherren erhielten von den Landesherren Rückendeckung, sodass sich die Ablösungen in Grenzen hielten. Ähnliche Forderungen wurden in den Bauernunruhen von 1525 erneut gestellt, doch drängten die Bauern nun in Erwartung reformatorischer Änderungen auf Abschaffung, nicht auf Ablösung der Feudallasten. Im Vordergrund stand die Abschaffung der Leibeigenschaft und ihrer Lasten sowie der Zehnten und Frondienste. Grundherren und Obrigkeiten lehnten die Forderungen, gestützt auf verbriefte Rechte, zwar mehrheitlich ab, doch war gleichwohl einiges in Bewegung geraten. Basel und Bern erliessen in den säkularisierten geistlichen Herrschaften den Kleinzehnten, und Bern erlaubte 1532 die Umwandlung des Heu- und Jungezehnten in Geld. Landgemeinden, die mit ihrem Dorfpfarrer übereinkamen, ihm gegen Erlass des Jungezehnten die Zuchttierhaltung abzunehmen, blieben Einzelfälle. Im Bauernkrieg von 1653 war die generelle Forderung nach Abschaffung der Feudallasten kein Thema mehr. Forderungen bäuerlicher und nichtbäuerlicher Kreise des 17. und 18. Jahrhunderts verlagerten sich, teilweise im Zuge ländlicher Unruhen, recht erfolgreich auf die Ablösung oder Verminderung von Fall und Ehrschatz. Während es Zürich bezüglich des Falls 1768 bei einer Absichtserklärung beliess, gestatteten Bern 1792 im Oberaargau und der Fürstabt von St. Gallen 1795-1796 im Klosterstaat den allgemeinen Loskauf.
Ablösungsversuche in der Helvetik
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Sowohl die Helvetik wie später der Liberalismus gingen von der naturrechtlichen Ansicht aus, dass alles Eigentum von herkömmlichen Lasten zu befreien sei, die man als "feudal", d.h. als widerrechtliche Anmassung tyrannischer Herren betrachtete. Am 4. Mai 1798 erliess die helvetische Regierung den vorläufigen Beschluss, "die an Personen haftenden Feudallasten" aufzuheben, da Unklarheit herrschte, was denn zu den Feudallasten gehörte und woher sie kämen. Unbekümmert um Sinn und Herkunft der Feudallasten erhoffte sich die Bevölkerung – ähnlich wie in der Reformation – die Abschaffung insbesondere der Zehnten, der Grundzinsen und Zölle .
Das Gesetz über die Abschaffung der Feudallasten vom 10. November 1798 sah dann aber die entschädigungslose Abschaffung nur bei relativ geringwertigen Feudallasten vor, bei Klein- und Novalzehnten (Artikel 1-2), Ehrschätzen, Fällen und Getreidegebühren (Artikel 22bis). Die bedeutenden Werte – vor allem der Grosszehnt – mussten losgekauft werden; Zölle standen nicht zur Diskussion.
Der obligatorische Loskauf wurde in einem komplizierten Prozedere geregelt. Zehntpflichtige sollten 2% des Grundstückspreises an den Staat zahlen, der dann die Zehntbezüger entschädigen musste: für die Zehnten mit dem 15-fachen Durchschnittsertrag der Jahre 1775-1788, für die Grundzinsen in Natura mit dem 15-fachen bzw. in Geld mit dem 20-fachen Betrag. Schon 1801 hob die Helvetische Republik, bei freiwilligem Loskauf, die Ablösungssumme auf den 20-fachen mittleren Zehntertrag an. Unter Finanznot leidend, da weder Loskaufgelder noch Steuern eingingen, bezog sie schliesslich wieder die Feudallasten und provozierte damit im Kanton Léman 1802 den Aufstand der Bourla-Papey.
Ablösung als Aufgabe der Kantone
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Die Helvetik war bei der Beseitigung der Feudallasten zwar gescheitert, aber die Ablösbarkeit blieb grundsätzlich erhalten, nur waren nach 1803 die Kantone zuständig. In allen Kantonen dominierte die Ablösung des Zehnten bei gleichzeitiger Einführung von Steuern als Ersatz für die Naturalsteuern, denn in reformierten Kantonen mit mehrheitlich staatlichen Zehnten wie in katholischen mit überwiegend kirchlich-geistlichem Zehntbesitz (z.B. Kanton Luzern 90%) waren Kirche, Armen- und Schulwesen von diesen Einnahmen abhängig.
Das Tempo der Ablösung war unterschiedlich: Die West- und Südschweiz mit obligatorischer und sehr günstiger Ablösung (z.B. in der Waadt mit dem 5-fachen Zehntertrag) gingen der Deutschschweiz voran. Im ehemaligen Fürstbistum Basel hatte Frankreich alle Feudallasten ohne Entgelt abgeschafft, sodass Bern nach 1815 keine mehr antrat. In den meisten Kantonen war die Ablösung jedoch freiwillig und zog sich daher über Jahrzehnte hin. In der Getreideregion, wo Zehnten die Einführung agrartechnischer Neuerungen behinderten, lösten gross- und mittelbäuerliche Kreise diese bei guter Agrarkonjunktur in Geld oder hypothekarisch gesicherten Schuldbriefen bis 1815 mehrheitlich ab, die Grundzinsen dagegen blieben bestehen. Danach verlangsamten Missernten und Teuerungen den Ablösungsprozess. Um diesen zu beschleunigen, erklärten liberale Regierungen im Thurgau, in Solothurn, Freiburg, Bern und Neuenburg die Ablösung für obligatorisch und setzten günstigere Loskaufbedingungen fest. Die Berner Radikalen gingen 1846 sogar auf den halben Ablösungspreis herunter.
Nach 1850 waren die Zehnten weitgehend abgelöst (z.B. im Thurgau um 1862 zu 97%), weshalb sie kaum mehr ein Hemmnis für den marktorientierten, individuellen Landbau darstellten. Die Kantone schritten zur Liquidation der restlichen Feudallasten, vor allem der Grundzinsen: Luzern, Zürich und Thurgau geboten 1861-1865 deren definitive Umwandlung in Geld bei tieferen Ansätzen. Reste von Feudallasten verschwanden erst bei der Einführung des eidgenössischen Grundbuchs, welches aufgrund des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) von 1912 entstand. Das ZGB beschränkte Grundlasten darauf, dass sie sich aus der wirtschaftlichen Natur eines belasteten Grundstücks ergeben oder für die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines berechtigten Grundstücks bestimmt sein sollen (Artikel 782-792 ZGB).