15.9.1890 Genf, 21.11.1974 Naarden (Niederlande), reformiert, von Genf. Sohn des Charles, Pfarrers, und der Pauline geborene Duval. 1) 1918 Odette Micheli, 2) 1931 Irène Gardian, 3) 1940 Maria Boeke. Frank Martin erhielt in Genf musikalischen Unterricht bei Joseph Lauber, der am Schweizerischen Tonkünstlerfest in Vevey 1911 Martins erstes Werk öffentlich aufführte. 1908-1910 studierte Martin Mathematik und Physik an der Universität Genf. Nach Aufenthalten in Zürich, Rom und Paris kehrte er 1926 nach Genf zurück, wo er zur Pflege der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts die Société de musique de chambre gründete. Rhythmische Experimente weckten sein Interesse an der Methode von Emile Jaques-Dalcroze, an dessen Institut er 1928-1938 unterrichtete. 1930-1933 und 1941-1946 lehrte er Kammermusik am Konservatorium, dazwischen war er künstlerischer Direktor des privaten Technicum moderne de musique. Ernest Ansermet führte am Schweizerischen Tonkünstlerfest 1918 Martins «Les Dithyrambes» auf, dirigierte danach die meisten Uraufführungen von dessen Werken und vermittelte den Kontakt zur Universal Edition Wien, wo 1941 Martins Hauptwerk, das Kammeroratorium «Le vin herbé» (1938), und danach alle seine weiteren Werke veröffentlicht wurden. Wichtige Kompositionsaufträge, darunter die «Petite symphonie concertante» (1944-1945), erhielt Martin von Paul Sacher. 1942-1946 war Martin Präsident des Schweizerischen Tonkünstlervereins, der ihm 1947 den Komponistenpreis verlieh. 1946 übersiedelte Martin in die Niederlande. 1950 übernahm er eine Professur an der Musikhochschule Köln (bis 1957). Daneben trat er international als Dirigent und Pianist eigener Werke auf. Mehrmals waren seine Kompositionen an den Salzburger Festspielen vertreten. 1956 wurde seine Shakespeare-Oper «Der Sturm» an der Wiener Staatsoper uraufgeführt.
Während Martin zunächst unter dem Eindruck Johann Sebastian Bachs und der französischen Spätromantik komponierte, führte seine Beschäftigung mit den Werken Maurice Ravels und Claude Debussys in den 1920er Jahren zu einer modalen Schreibweise mit rhythmischen Experimenten. In der Auseinandersetzung mit Arnold Schönbergs Zwölftontechnik ab 1933 fand Martin zu seiner ganz persönlichen Tonsprache, in der er Rhythmus, expressives Melos und eine unverwechselbare, im erweiterten tonalen Rahmen verharrende Harmonik verband. In seinen Vokalwerken beeindrucken die sorgfältige syllabische Sprachdeklamation und die lyrisch-epische Grundhaltung, in seinen oft unüblich besetzten Instrumentalwerken der exemplarische Einsatz der Klang- und Spielmöglichkeiten der einzelnen Instrumente. 1949 Ehrendoktor der Universität Genf, 1969 der Universität Lausanne, 1965 Mozart-Medaille Wien, 1968 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.