Schiedsgerichte sind sporadisch zusammentretende oder institutionelle Spruchkörper, die von den Parteien eines Streitverhältnisses anstelle eines ordentlichen Gerichts zur Erledigung oder Beilegung eines Streits selbst eingesetzt oder angerufen werden. Der Spruch eines Schiedsgerichts ist grundsätzlich international vollstreckbar. Innerstaatlich bilden Schiedsgerichte eine Alternative zum institutionalisierten Justizmonopol (Gerichtswesen). Im Vergleich mit den ordentlichen Gerichten eines Staats sind sie im Wirtschaftsprivatrecht effizienter. Sie erledigen Streitfälle einfacher, rascher, sachkundiger sowie kostengünstiger und schirmen überdies die Privatsphäre der Parteien grösstenteils vor der Öffentlichkeit ab. Zwischenstaatlich ersetzen sie fehlende Instanzen im Völkerrecht, sie tragen zur Bewältigung von Konflikten bei und dienen der internationalen Friedenssicherung (Haager Konventionen, Internationaler Gerichtshof). Der Forschungsstand zur Geschichte der Schiedsgerichte beruht (v.a. mit Bezug auf die Schweiz) weitgehend auf Untersuchungen der Zwischenkriegszeit (1919-1938). Von Oberitalien ausgehend, breiteten sie sich im 13. Jahrhundert nach Süd- und Norddeutschland aus. Innerhalb des Reichs nahm das Gebiet der modernen Schweiz daher im Spätmittelalter eine Scharnierfunktion zwischen Oberitalien und Süddeutschland ein. Dabei zeigt sich, dass Aussagen zum Wesen der Schiedsgerichte nur aufgrund regionaler Quellenbestände und nicht nach den territorialstaatlichen Grenzen zu begründen sind. Zudem taugt die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Streitgegenstand bei der Quellenanalyse der Spruchpraxis von Schiedsgerichten vor dem 19. Jahrhundert kaum.
Allgemeine Entwicklung
Das Aufkommen der Schiedsgerichte im 13. Jahrhundert erklärt sich aus dem Zerfall der kaiserlichen Macht, insbesondere in der Rechtsprechung (Königsgericht), der Zersplitterung und Vermarktung der feudalen Gerichtsbarkeits- und Herrschaftsrechte sowie dem gleichzeitig sich stark entwickelnden Städtewesen (Stadt) mit einer Vielzahl neuer Handwerke und Gewerbe, die sich in Zünften und Gilden des süddeutschen und schweizerischen Raums organisierten und ihre Autonomie innerhalb der entstehenden Stadtgerichtsbarkeit durch Einrichtung fachkundiger Sondergerichte zunehmend behaupteten. Diese Zersplitterung der Gerichtshoheit bedeutete Konkurrenz der Kompetenzen, damit Rechtsunsicherheit und Neigung zur Selbsthilfe. Die selbstbestellten Gerichte garantierten eine Form gewaltloser Erledigung von Streitigkeiten.
Die Idee der Schiedsgerichte ermöglichte vom 13. Jahrhundert an somit zweierlei: die Stärkung der Autonomie neu aufkommender Sozialgebilde und die Überwindung der Antagonismen partikularer Kompetenzen sowie deren formal oft sehr differenten Prozesstypen. Vorbild und Orientierung bot das Prozessrecht der Kirche. Als gelehrtes und rationales Recht half es, Prozessrisiken infolge der Unkenntnis lokal geltender Sonderformen zu mindern. Das Schiedsgericht diente vor allem Kaufleuten und Händlern, die zwischen verschiedenen Hoheitsgebieten und Rechtsordnungen ein ökonomisch kalkulierbares Beziehungsnetz aufrechterhalten wollten. Der Entscheid über eine Streitsache sollte auch unter prozessualem Aspekt nach Grundsätzen der Billigkeit und nicht bloss im Sinn einer formal korrekten Rechtsprechung (die analog zum ritualisierten Zweikampf gemäss den sogenannten Landrechten funktionierte) erfolgen. Die Idee des Schiedsgerichts beruhte daher weniger auf einer Rationalität richtiger Rechtsfindung als vielmehr auf dem ökonomisch optimalen Einsatz knapper Ressourcen. Der kanonische Prozess überhöhte die Rationalität der Streiterledigung durch die christlich fundierten Motive von Liebe und Frieden zur Idee des Ausgleichs. Diese gewann gerade zur Zeit der Konfessionskriege im 16. und 17. Jahrhundert auch eine völkerrechtliche Bedeutung, die heute noch nachwirkt. Hierzu formulierte Hugo Grotius in De iure belli ac pacis (II 23, 7-8) von 1625 das Paradigma. Erst der Absolutismus des 17. und 18. Jahrhunderts verdrängte die Schiedsgerichte durch innerstaatliche Konsolidierung der politischen und sozialen Macht des Souveräns über den Erlass von Gesetzen und die Kontrolle der Gerichtsbarkeit.
In der alten Eidgenossenschaft (13.-18. Jahrhundert)
Bereits im Bundesbrief von 1291 wird das Schiedsgericht erwähnt. In den eidgenössischen Bundesbriefen mit den Städten kam der kanonistische Aspekt eines institutionellen Schiedsgerichts, das nach minne und recht urteilte, zum Ausdruck. Der Anstoss zur breiteren Institutionalisierung, der in ein reguläres eidgenössisches Rechtsverfahren mündete, war damit gegeben (Eidgenössisches Recht). Das Schiedsverfahren der Bündnisse des 13. Jahrhunderts fand im interkommunalen Schiedsverfahren der Westschweizer Städte bereits eine Vorform (Murten-Freiburg 1245 und 1294, Sitten-Bern 1252, Bern-Freiburg 1271, Bern-Biel 1279 und 1297, Freiburg-Laupen 1310). Das Schiedsgericht erwies sich als wesentliches Verbindungsglied zwischen den einzelnen Bündnissen der Eidgenossenschaft, indem es die am Bündnis unbeteiligten Stände als Vermittler einbezog.
Die behandelten Fälle lassen sich in fünf Fallgruppen einteilen, ohne zwischen privaten und öffentlichen Belangen zu unterscheiden: Geltung und Auslegung von Verträgen und Bündnissen, Territorien und Grenzen, richterliche Kompetenzen, Ersatz für deliktischen Schaden, (Geld-)Forderungen. Die Schiedsidee festigte somit die Eidgenossenschaft im 14. und 15. Jahrhundert. Mit der Ausbildung der Territorialherrschaft der eidgenössischen Städteorte (Zunftstädte, Patrizische Orte) mehrte sich vom 15. Jahrhundert an überdies die Zahl der Schiedsgerichtsfälle, welche von Mitgliedern der städtischen Obrigkeiten in den Untertanengebieten zu beurteilen waren, etwa bei Nutzungskonflikten zwischen und in den Dorfgenossenschaften (Dorf, Gemeinde) sowie bei Zwisten unter Beteiligung von Grund-, Gerichts- und Kirchherren. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts übernahm die Tagsatzung die schiedsgerichtliche Funktion der Vermittlung zwischen den streitenden Ständen. Da die alte Eidgenossenschaft im Gegensatz zum Reich (Augsburger Religionsfrieden 1555) keine territoriale Abgrenzung der Konfessionen zwischen den Ständen einführte, kam es immer wieder zu konfessionellen Zwistigkeiten, die in den Ersten Villmergerkrieg von 1656 und den Zweiten Villmergerkrieg von 1712 mündeten. 1712 wurde daher ein paritätisch besetztes Schiedsgericht zur Beilegung religiöser Differenzen wieder eingeführt.
Von der Helvetik zum Bundesstaat
1798 wurde die Vormacht der oligarchisch und patrizisch organisierten Städte des Ancien Régime durch die zentralstaatliche Helvetische Republik gebrochen. Erst aus dieser Erfahrung der Gleichheit aller Kantone entstand der Bundesstaat von 1848 als modernes Staatswesen des 19. Jahrhunderts in Europa. Noch der Bundesvertrag von 1815 sah indes ein Schiedsgericht vor, das interkantonalen Streit «in der Minne und auf dem Pfad der Vermittlung» (Paragraph 5) beilegen sollte. Die Bundesverfassung (BV) von 1848 unterwarf die Kantone nunmehr den Instanzen von Bundesrat und Bundesgericht (Artikel 14, 74 Ziffer 16, 94, 101 Ziffer 1). Der Bundesrat wurde auch Vollzugsorgan von Urteilen der Schiedsgerichte über interkantonale Streitigkeiten (BV 1848 Artikel 90 Ziffer 5; BV 1874 Artikel 102 Ziffer 5; BV 1999 Artikel 182 Absatz 2).
Im Bundesstaat seit 1848
Hatten Schiedsgerichte bislang eine staatsbildende Funktion erfüllt, so beschränkte sich deren Wirkungsbereich nach der Gründung des Bundesstaats weitgehend auf die Schlichtung von internationalem und privatem Streit: Auf dem Gebiet des internationalen Schiedswesens nahm die Schweiz zwischen 1872 und 1919 eine führende Rolle wahr (Alabama-Schiedsgericht). Als Vermittlerin in zwischenstaatlichen Streitigkeiten trat sie aktiv hervor (Gute Dienste). Zudem schloss sie diverse bilaterale Staatsverträge mit institutionellem Schiedsverfahren ab. Diese Verträge unterschieden Konflikte weder nach politischen noch rechtlichen, weder nach öffentlichen noch privaten Themen. Von Bedeutung sind insbesondere die multilateralen Verträge betreffend Telegraphen- und Weltpostverein sowie verschiedene zwischenstaatliche Handelsverträge, in denen das Schiedsgericht in erster Linie Fragen der Auslegung und Anwendung der Verträge selbst beurteilte. Ein typischer Anwendungsfall des Schiedsgerichts betrifft die konfliktträchtige Nahtstelle zwischen öffentlichen, sozialen und privaten Interessen im Arbeitsrecht. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts traten Schiedsgerichte und Einigungsämter auf, die Arbeitskonflikte zwischen Unternehmer- und Arbeitnehmerverbänden schlichteten. Nach 1914 wurden sie verstaatlicht. Seit 1972 schreibt das Arbeitsrecht (Artikel 343 Obligationenrecht) ein rasches und kostengünstiges Verfahren von Amts wegen vor und übernimmt damit Elemente der Schiedsidee in die ordentliche Gerichtsbarkeit.
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts fand das Schiedswesen vor allem in der Privatwirtschaft Anwendung. Die Rechtsgrundlagen bildeten früher die 26 kantonalen Zivilprozessrechtsordnungen zusammen mit dem Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 1969, dem bis 1995 alle Kantone beigetreten waren. Diese Rechtsgrundlagen wurden durch den Erlass der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 19. Dezember 2008 ersetzt, die im Jahr 2011 in Kraft getreten ist. Durch deren Ausarbeitung wollte der Gesetzgeber einen code unique schaffen, unter anderem mit dem Ziel, die Schiedsgerichtsbarkeit durch eine Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen zu fördern. Die ZPO regelt im dritten Teil in den Artikeln 353-399 den Anwendungsbereich des Schiedsverfahrens und die Form der Schiedsvereinbarung. Laut Artikel 358 ZPO hat die Vereinbarung in schriftlicher Form zu erfolgen oder zumindest den Nachweis durch Text zu ermöglichen. Darüber hinaus regelt die ZPO die Bestellung des Schiedsgerichts, die Fälle, in denen dessen Mitglieder abgelehnt, abberufen und ersetzt werden können, das Schiedsverfahren und die Verfahrensregeln, den Schiedsspruch, die Rechtsmittel und die Revision des Schiedsspruchs.
Durch diese Neuregulierung sollen die Mängel des Konkordats beseitigt, die Attraktivität der Schweiz als internationaler Schiedsstandort erhöht und die staatliche Justiz durch eine gut funktionierende Schiedsgerichtsbarkeit entlastet werden. Letztere sollte insbesondere wegen ihrer flexiblen Ausgestaltung sowie ihrer kürzeren Verfahrensdauer gegenüber den staatlichen Gerichtsverfahren von den Parteien bevorzugt werden. Allerdings war in den 2010er Jahren eine zunehmende Tendenz zur weiteren Gründung von Schiedsinstitutionen und zur detaillierteren Ausgestaltung von Schieds- und Verfahrensregeln zu beobachten, die sich möglicherweise negativ auf die Verfahrensdauer und Verfahrenskosten auswirkt und die angestrebte Flexibilität der Parteien übermässig beschränkt. Die Schiedgerichtsbarkeit dürfte jedenfalls auch zukünftig eine gute Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen. Der Dualismus zwischen nationaler und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit wurde durch den Erlass der ZPO nicht tangiert. Seit ca. den 1970er und 1980er Jahren ist sie auf internationaler Ebene oft bei kommerziellen, finanziellen und vor allem sportlichen Streitigkeiten weit verbreitet (1984 wurde die Court of Arbitration for Sport, CAS, in Lausanne gegründet, welche besondere Verfahrensregeln anwendet). Auf internationaler Ebene ist das Schiedswesen insbesondere durch das 12. Kapitel des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (Beitritt der Schweiz am 30. August 1965) geregelt. Allerdings können die Parteien das anwendbare Schiedsrecht immer noch frei wählen und somit auch in einer nationalen Schiedssache die Anwendung des IPRG vereinbaren. Umgekehrt können die Parteien auch bei einer internationalen Schiedssache die Anwendung des 3. Teils der ZPO vorsehen.
Im internationalen Verfahren vor institutionellen Schiedsgerichten – etwa der Zürcher oder Pariser Handelskammer – gelangt deren eigenes Verfahrensrecht zur Anwendung. Der hohe Grad der Verrechtlichung des Schiedswesens weckte in jüngster Vergangenheit wieder das Bedürfnis nach neuen Formen einer alternativen, vereinfachten Streiterledigung zwischen den Betroffenen selbst und ohne Beizug von Juristen, wie im sogenannten Mediator-Verfahren, das sich nach Minimalregeln richtet (etwa den Zürcher Mini-Trial-Regeln der Handelskammer vom 5. Oktober 1984).
Quellen und Literatur
- Usteri, Emil: Westschweizer Schiedsurkunden bis zum Jahre 1300, 1955.
- «Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006», in: Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2006, S. 7221-7411.
- Erläuternder Bericht zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Internationale Schiedsgerichtsbarkeit) vom 11. Januar 2017.
- Bluntschli, Johann Caspar: Geschichte des schweizerischen Bundesrechtes von den ersten ewigen Bünden bis auf die Gegenwart, Bd. 2, 18752.
- Weyeneth, Fernand: Die Rolle der Schweiz in der Entwicklung der Schiedsgerichtsidee und des internationalen Schiedswesens, 1919.
- Schurter, Emil; Fritzsche, Hans: Das Zivilprozessrecht des Bundes, 1924, S. 107-252, 631-659.
- Born, Hans: Einigungsämter und Schiedsgerichte in der Schweiz, 1925.
- Usteri, Emil: Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht in der Schweizerischen Eidgenossenschaft des 13.-15. Jahrhundert: Ein Beitrag zur Institutionsgeschichte und zum Völkerrecht, 1925.
- Heiz, Karl: Das «eidgenössische Recht» 1798-1848. Die schweizerische Bundesgerichtsbarkeit in der Periode des Übergangs von der alten zur neuen Eidgenossenschaft, 1930.
- Bader, Karl Siegfried: «Die Entwicklung und Verbreitung der mittelalterlichen Schiedsidee in Südwestdeutschland und in der Schweiz», in: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Neue Folge, 54, 1935, S. 100-125.
- Engel, Josef: «Zum Problem der Schlichtung von Streitigkeiten im Mittelalter», in: Comité International des Sciences Historiques: 12e Congrès international des sciences historiques, Vienne, 29 août-5 sept. 1965. Rapports, vol. 4, 1965, S. 111-129.
- Erler, Adalbert; Kaufmann, Ekkehard (Hg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4, 1990, Spalten 1386-1393.
- Rüede, Thomas; Hadenfeldt, Reimer: Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht nach Konkordat und IPRG, 19932.
- Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, 1995, Spalten 1454-1455.
- Weber, Rolf H.: «Einführung in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz», in: Recht. Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis, 14, 1996, S. 1-17.
- Kaufmann-Kohler, Gabrielle; Rigozzi, Antonio: International Arbitration. Law and Practice in Switzerland, 2015.
- Sutter-Somm, Thomas; Leuenberger, Christoph; Hasenböhler, Franz: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 2016.
- Müller-Chen, Markus; Widmer Lüchinger, Corinne (Hg.): Zürcher Kommentar zum IPRG. Kommentar zum Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987, 20183.
- Girsberger, Daniel; Peter, James T.: Aussergerichtliche Konfliktlösung. Kommunikation – Konfliktmanagement – Verhandlung – Mediation – Schiedsgerichtsbarkeit, 2019.
- Lindholm, Johan: The Court of Arbitration for Sport and its Jurisprudence. An Empirical Enquiry into Lex Sportiva, 2019.