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Handelsrecht

Das Handelsrecht umfasst die Normen, welche die Stellung des Kaufmanns sowie die von ihm abgeschlossenen Verträge betreffen. Das Handelsrecht war zunächst nicht eigenständig geregelt, sondern Bestandteil des allgemeinen Privatrechts. Ein Handelsgewohnheitsrecht entstand in Europa ab dem 12. Jahrhundert, ausgehend von Oberitalien, in den Bereichen Fernhandel, Seerecht und Kaufmannsstand. Bestimmungen fanden sich vor allem in den Stadtrechten, wobei Innungen (Zünfte) und Warenmessen die Regelungsschwerpunkte darstellten. Ab dem 17. Jahrhundert bildete sich die mittelalterliche Handelsgerichtsbarkeit weiter; in Bern wurde sie 1687 institutionalisiert. Anfänglich wurde das Handelsrecht nicht als eigene juristische Disziplin betrachtet und deshalb nicht gelehrt, doch im 17. Jahrhundert entstanden in Basel Dissertationen dazu.

Als erste Kodifikation des Privathandelsrechts gilt die französische «Ordonnance pour le Commerce» (1673). Sie diente als Vorbild für das «Réglement sur le Commerce» von Genf (1698), die auf eidgenössischem Gebiet erste nachweisbare, umfassende Regelung des Handelsrechts. Eine der ersten eidgenössischen Wechselordnungen erschien 1717 in St. Gallen.

Trotz Forderung nach einem gesamtschweizerischen Handelsrecht in der Helvetik war die Schweiz bis Mitte des 19. Jahrhunderts von einer stark zersplitterten Handelsrechtsgesetzgebung geprägt; zum Teil war die Materie nicht einmal innerhalb der Kantone einheitlich geregelt. Die romanischen Kantone kannten mehrheitlich eigene Handelsgesetzbücher, die sich direkt oder indirekt an den französischen «Code de Commerce» (1807) anlehnten. In den übrigen Kantonen war das Handelsrecht in den einzelnen Zivilgesetzbüchern mit Schwergewicht auf dem Gesellschaftsrecht geregelt; in der Deutschschweiz existierten daneben Wechselordnungen. 1854-1856 schuf Johann Caspar Bluntschli für den Kanton Zürich eine umfassende Normierung des Handelsrechts, wobei er dieses nicht vom Zivilrecht getrennt behandelte.

Ein entscheidender Impuls für eine gesamtschweizerische Regelung war neben den Bestrebungen für die Vereinheitlichung des Münzwesens und der Masse und Gewichte vor allem die Aufhebung der Binnenzölle sowie 1848 mit der Bundesverfassung (BV) die Übertragung des Zollwesens auf den Bund. 1862 gab der Bundesrat einen Entwurf für ein gesamtschweizerisches Handelsrecht inklusive Wechselrecht in Auftrag. Bis 1874 wurden Konkordate erlassen, die zumindest für die daran teilnehmenden Kantone zu ersten einheitlichen Regelungen führten.

Erst mit der BV von 1874 erhielt der Bund die Kompetenz für den Erlass des Obligationen- und Handelsrechts (Artikel 64 alte Bundesverfassung). Das Obligationenrecht (OR) trat 1883 in Kraft. 1912 erschien das Zivilgesetzbuch. Die handelsrechtlichen Bestimmungen blieben unverändert und waren im OR enthalten. 1937 trat die erste Revision der handelsrechtlichen Bestimmungen des OR in Kraft. Seitdem sind unter anderem folgende Teile des Handelsrechts revidiert worden: 1941 das Bürgschaftsrecht, 1945 folgte der Ersatz des Artikels 48 des OR durch das Bundesgesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb, 1962 die Einführung von Vorschriften betreffend Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag sowie 1991 betreffend das Aktienrecht. Die Schweiz verfügt somit über ein Handelsrecht, das im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern im allgemeinen Privatrecht eingebettet ist.

Quellen und Literatur

  • L. Goldschmidt, Hb. des Handelsrechts, 2 Bde., 1864-68
  • H. Rennefahrt, Grundzüge der bern. Rechtsgesch., 4 Bde., 1928-36
  • Hb. der Qu. und Lit. der neueren europ. Privatrechtsgesch., hg. von H. Coing, 1973-88
  • R. Patry, «Grundlage des Handelsrechts», in Schweiz. Privatrecht, hg. von M. Gutzwiller et al., Bd. 1/1, 1976, 20-42
  • U. Fasel, Handels- und obligationenrechtl. Materialien, 2000
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernhard Schaaf: "Handelsrecht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.11.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009612/2007-11-27/, konsultiert am 19.03.2024.