de fr it

Sendgericht

Abgeleitet aus lateinisch synodus, bezeichnet das Sendgericht ein im 8. Jahrhundert aus der bischöflichen Visitation der Diözese entstandenes, reisendes kirchliches Strafgericht, das in Ergänzung zum Sakrament der Busse die Verletzung kirchlicher Normen sanktionierte. Wie im ganzen karolingischen Reich war es auch in den Bistümern auf dem Gebiet der heutigen Schweiz verbreitet. Die Tätigkeit des Sendgerichts erreichte ihren Höhepunkt im 13.-14. Jahrhundert und lebte nach der Glaubensspaltung in den katholischen Territorien während der Gegenreformation noch einmal auf. Mancherorts wurde es durch die Gerichtsbarkeit der Offizialate ersetzt. In den reformierten Territorien, etwa in Zürich, St. Gallen und Bern, entstand, anknüpfend an diese Institution, die bis zur Aufklärung verbreitete Ehe- und Sittengerichtsbarkeit (Sittengerichte). Richter am Sendgericht war zunächst der Bischof, später der Archidiakon oder Dekan. Zusammen mit den beisitzenden Geistlichen, den Sendschöffen, untersuchte er an festgelegten Tagen im Jahr an einer feierlichen Sitzung in der Pfarrkirche auf Anzeige der sechs Sendzeugen hin sittliche Verstösse des Pfarrvolks, zum Beispiel Ehebruch, Meineid, Wucher. Eine denunzierte Person konnte sich mittels Reinigungseid oder, wenn sie unfrei war, mittels Gottesurteil gegen die Anschuldigung wehren. Wurde sie schuldig gesprochen, wurde sie mit religiösen Sanktionen wie zum Beispiel Beten, Fasten, Wallfahrt, Exkommunikation, Interdikt oder mit Geldstrafen belegt.

Quellen und Literatur

  • L. Carlen, «Zur geistl. Gerichtsbarkeit in der Diözese Sitten im MA», in BWG 12, 1958, 257-290
  • LThK 9, 456
Weblinks

Zitiervorschlag

René Pahud de Mortanges: "Sendgericht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.12.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009620/2010-12-14/, konsultiert am 07.10.2024.