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Patronatsrecht

Eigenkirchenwesen

Der Begriff Patronatsrecht (lateinisch ius patronatus) bezeichnet die Rechte und Pflichten, die dem Stifter einer Kirche, Kapelle oder eines Benefiziums und seinen Rechtsnachfolgern zukommen. Das Patronatsrecht umfasst insbesondere mit dem Präsentationsrecht die Befugnis einer natürlichen oder juristischen Person, dem für die Besetzung (Kollatur) eines niederen Kirchenamts zuständigen Bischof einen geeigneten Geistlichen vorzuschlagen, verpflichtet aber zugleich zum Unterhalt der Kirche und des Geistlichen. In der Schweiz wird das Patronatsrecht häufig Kirchensatz oder verkürzt Kollatur genannt.

Eigenkirchen und Patronatsrecht

Die Ausformung des Patronatsrechts in der klassischen Kanonistik und im päpstlichen Dekretalenrecht des 12. und 13. Jahrhunderts ging auf die Bemühungen der Amtskirche zurück, die grundherrlichen Eigenkirchen – und damit die Laienherrschaft – einzuschränken (Kirchenreform). In Ansätzen bereits in der Spätantike greifbar, entstanden vor allem in karolingischer Zeit viele ländliche Kirchen, die, von einem Laien errichtet oder unterhalten, der Vermögenssphäre und der Leitungsmacht des Laien zugewiesen waren. Eigenkirchen waren dem Eigenkirchenherrn abgabenpflichtig, ihre Einkünfte (Zehnt, Opfer, Einnahmen aus liturgischen Handlungen wie Seelgeräte, Wachszinsen) flossen ihm zu. Er konnte durch Schenkung, Veräusserung oder Vererbung über die Eigenkirche verfügen und war zur Ein- und Absetzung ihrer Geistlichkeit befugt, während die Rechte der Bischöfe häufig auf deren Einsegnung (Konsekration) beschränkt waren. Allerdings war die Eigenkirche wohl mehr als lediglich eine ökonomisch oder machtpolitisch motivierte grundherrschaftliche Prägung der Kirchenverfassung, scheint ihre Begründung und Aufrechterhaltung doch stets auch den religiösen Bedürfnissen ihrer Stifter gedient zu haben.

Im Umfeld des Investiturstreits bemühte sich die Amtskirche, das dominium (Herrschaft, Eigentum) weltlicher Stifter an Kirchen zu begrenzen. So versuchte die Kanonistik mit der Einführung des Begriffs ius patronatus durch Rufinus (um 1165) die Position des Kirchenherrn von der Herrschaftsgewalt eines Eigentümers zu unterscheiden. Trotzdem wurde das Patronatsrecht in der Sache weiterhin als Vermögensrecht gedeutet, war also nicht an die Person gebunden und konnte vererbt, verkauft, verpfändet oder getauscht werden. Die Schenkung von Patronaten an Laien wurde zunehmend abgelehnt, diejenige an kirchliche Rechtsträger wie Klöster oder Domkapitel lag im kirchlichen Interesse und blieb toleriert. Durch bischöfliche oder päpstliche Privilegien erreichten Klöster die Inkorporation von Kirchen, wurden so zum ständigen Pfarrer der ihnen unterstellten Kirche und erhielten das entsprechende Recht der Pfrundnutzung (Pfründen).

Chor der Pfarrkirche Worb mit Grabplatten und gotischem Taufstein während der Renovation von 1983 (Archäologischer Dienst des Kantons Bern).
Chor der Pfarrkirche Worb mit Grabplatten und gotischem Taufstein während der Renovation von 1983 (Archäologischer Dienst des Kantons Bern). […]

Zum zentralen Element wurde im 12. und 13. Jahrhundert das Präsentationsrecht. Der Bischof konnte den vorgeschlagenen Pfarrer nur bei mangelnder Eignung zurückweisen. Dagegen sollten weltliche Patronatsherren das Kirchenvermögen nurmehr in Notfällen nutzen können, während die seit dem 12. Jahrhundert formell zugelassenen geistlichen Patronatsinhaber zudem – wenn auch fixierte – Abgaben einziehen durften. Der Präsentations- und Vermögensnutzungsbefugnis entsprach eine umfassende Fürsorgepflicht des Patronatsherrn, die sich vor allem in der Baulast konkretisierte. Das Konzil von Trient (1545-1563) bestätigte diese Grundsätze im Wesentlichen, wobei allerdings die Baulast des Patronatsherrn im Verhältnis zur Beitragspflicht der Gemeindemitglieder (Kirchgemeinde, Pfarrei, Gotteshausleute) in den Vordergrund gerückt wurde. Der Verdrängung der Patronate im 20. Jahrhundert entsprach die Haltung der katholischen Amtskirche, in deren "Codex Iuris Canonici" (CIC) von 1917 Patronate zwar noch als „Summe von Privilegien mit gewissen Lasten“ Erwähnung fanden, deren Neubegründung aber ausdrücklich untersagt wurde. Im CIC 1983 wurden Patronate nicht mehr genannt.

Das Patronatsrecht in der Schweiz

Die Stiftung von Eigenkirchen durch den Adel ist in der Schweiz bereits ab dem 9. Jahrhundert überliefert. So scheinen die Kirchen in Sagogn, Ilanz und Breil/Brigels als Eigenkirchen der rätischen Zacconen/Viktoriden entstanden zu sein. Die Fraumünsterabtei in Zürich erhielt 857 die Kirchen von Altdorf (UR), Bürglen (UR) und Silenen und für das Kloster St. Gallen ist bis zum Jahr 926 der Besitz von insgesamt 44 Eigenkirchen nachgewiesen. Das führte bisweilen zu Spannungen mit dem Bischof, wie ein Schreiben Bischof Viktors III. von Chur belegt, der sich 823 bei Kaiser Ludwig dem Frommen beklagte, dass von den mehr als 230 Kirchen seines Bistums fast 200 als Eigenkirchen seinem Zugriff entzogen waren.

Die Gemeinden erwarben in der Südschweiz ansatzweise bereits im 12. Jahrhundert, in den übrigen Gebieten ab dem 15. Jahrhundert vor allem durch eigene Stiftungen (etwa in Graubünden, Uri, Schwyz), zum Teil aber auch durch Kauf oder auch als Ergebnis kriegerischer Auseinandersetzungen (Obwalden) das Patronatsrecht. Damit entstand das sogenannte Gemeindepatronat, das zu einer der wesentlichen Grundlagen des gemeindlichen Pfarrerwahlrechts wurde, das dem Bischof nurmehr die Cura liess (wie etwa in Uri). 1479 erstmals durch Papst Sixtus IV. als "uralte Freiheit und Herkommen" bestätigt und um 1513 durch Julius II. auch Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug zugebilligt, wurde diese Befugnis in der Folge dazu genutzt, den pfarramtlichen Dienst durch förmliche Anstellungsvereinbarungen (Spannbriefe) mit den Geistlichen zu regeln und Pfarrer im Konfliktfall auch abzusetzen.

Die Reformation unterbrach die Kontinuitäten des Patronatsrechts kaum. Die reformierten Obrigkeiten (Säkularisation) zogen vielmehr die Kollaturbefugnis an sich, um damit ihre Stellenbesetzungskompetenz abzusichern wie etwa in Zürich 1526. Doch respektierte gerade der Zürcher Rat ebenso wie andere Obrigkeiten dem Grundsatz nach die Befugnisse auswärtiger katholischer Patronatsinhaber wie etwa im Fall der Klöster Einsiedeln und St. Blasien oder des Domstifts Konstanz. Freilich behielt sich der Rat dabei die Bestätigung der Präsentierten vor, später ging er dazu über, den Patronatsherren Wahlvorschläge zu unterbreiten. Das Nebeneinander von Gemeinde- und Ratspatronaten (z.B. Luzern) einerseits sowie von privaten und geistlichen Patronaten andererseits blieb bis zum Ende der alten Eidgenossenschaft bestehen. So besassen in der reformierten Waadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts weltliche Herren, zum Beispiel jener von Coppet, noch das Vorschlagsrecht und wählten den Pfarrer.

1799 setzte das Direktorium der Helvetischen Republik die Patronatsrechte den Feudalrechten (Feudallasten) gleich, hob sie deshalb auf und übertrug ihre Ausübung den regionalen Verwaltungskammern. Doch schon ein Jahr später wurden die ehemaligen Patronatsherren wieder in ihre Kollatur- und Präsentationsrechte eingesetzt und erhielten später auch ihre Vermögensrechte zurück. Dieser faktischen Restauration des Patronatsrechts entsprach ein Beschluss der Tagsatzung von 1805, das Kollaturrecht könne nicht allein Teil staatlicher Souveränität, sondern auch "Gegenstand des Partikulareigenthums" sein. In einigen Kantonsverfassungen (insbesondere Uri, Obwalden, Nidwalden) wurde in der Folgezeit die Präsentationsbefugnis der Gemeinden festgeschrieben. Das Aufkommen des gesetzlichen Pfarrerwahlrechts ab 1830, der kantonale Erwerb noch bestehender Patronate (etwa in Zürich und Luzern) sowie die staatskirchenrechtliche Gesetzgebung der Kantone (Kirche und Staat) verdrängten das Patronatsrecht in der Schweiz bis Ende des 20. Jahrhunderts fast vollständig.

Quellen und Literatur

  • E. Schweizer, Das Gemeindepatronatsrecht in den Urkantonen, 1905
  • P. Landau, Ius patronatus, 1975
  • W. Hartmann, «Der rechtl. Zustand der Kirchen auf dem Lande», in Cristianizzazione ed organizzazione ecclesiastica delle campagne nell'alto medioevo 1, 1982, 397-441
  • TRE 9, 399-404; 26, 106-114
  • M. Borgolte, «Der churrät. Bischofsstaat und die Lehre von der Eigenkirche», in Gesch. und Kultur Churrätiens, hg. von U. Brunold, L. Deplazes, 1986, 83-103
  • M. Jorio, «Die unbewältigte Säkularisation», in Kirche, Staat und kath. Wiss. in der Neuzeit, 1988, 479-515
  • C. Pfaff, «Pfarrei und Pfarreileben», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 1, 1990, 205-282
  • LexMA 6, 1809 f.
  • I. Saulle Hippenmeyer, Nachbarschaft, Pfarrei und Gem. in Graubünden 1400-1600, 1997
  • P. Oberholzer, Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht, 2002
  • I. Fiaux, Des frères indésirables? Les pasteurs vaudois face aux ministres huguenots à l'époque du Grand Refuge (1670-1715), 2009, 63-76
Weblinks

Zitiervorschlag

Andreas Thier: "Patronatsrecht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009623/2009-11-24/, konsultiert am 09.06.2023.