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Stadtschreiber

Der Stadtschreiber von Bern. Illustration aus der um 1485 verfassten Spiezer Chronik von Diebold Schilling (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.16, S. 193).
Der Stadtschreiber von Bern. Illustration aus der um 1485 verfassten Spiezer Chronik von Diebold Schilling (Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.16, S. 193). […]

Die frühesten Hinweise auf das Wirken von S.n im schweiz. Gebiet stammen aus dem 13. Jh. Die ersten S. waren Geistliche (clerici uxorati), rekrutierten sich aus kirchl. Kanzleien und wirkten gleichzeitig in geistl. und städt. Auftrag. Eine Ausnahme bildete dabei Bern mit den Laienstadtschreibern ohne kirchl. Verpflichtungen (ab ca. 1230). Die allmähl. Entflechtung von städt. und kirchl. Schreiberfunktionen erfolgte in den grösseren Städten von der 2. Hälfte des 13. Jh. an, in kleineren Kommunen blieben Ämterkombinationen bis in die frühe Neuzeit erhalten. Mit dem Eindringen des Notariats aus Südwesten traten die ersten Stadtschreibernotare auf. In den westschweiz. Städten übernahm vom 14. Jh. an stets ein Notar die Kanzleileitung, oft im Nebenamt. In der Deutschschweiz verdrängte der Stadtschreibernotar die übrigen Notare in ihrer Funktion als Verurkundungsstellen. Zu den Aufgaben der S. zählten neben der Leitung der Kanzlei (vom 14. Jh. an manchmal unterstützt von zusätzl. Schreibern wie z.B. Rats- oder Gerichtsschreibern), der Führung der Ratsprotokolle, der Ratskorrespondenz und der Urkundenausstellung für Stadt und Private auch der Aufbau des städt. Archivs. Versch. S. befassten sich zudem mit der Stadtgeschichte. Vom 15./16. Jh. an spielten sie eine wichtige Rolle als zentrale Auskunftsstelle des Rats, als Rechtsberater, als Verwaltungsspezialisten beim Aufbau des städt. Territoriums oder als Diplomaten. Bis ins 15. Jh. waren die schweiz. S. oft Ortsfremde. Danach wählten die Obrigkeiten meist S. aus dem eigenen Territorium, vom 16. Jh. an zunehmend Angehörige der städt. Führungsschicht. Ihre Ausbildung erhielten sie im 14.-15. Jh. z.T. an Universitäten, v.a. aber als Volontäre in Kanzleien und in untergeordneten Schreiberstellen. Von der Reformation an wurden auch die Jesuitenkollegien im In- und Ausland sowie die ref. Hohen Schulen mit ihrem jurist. Lehrangebot zu wichtigen Ausbildungsstätten.

Quellen und Literatur

  • F. Glauser, «Die Schreiber der Luzerner Kanzlei vor 1798», in Gfr. 114, 1961, 86-111
  • E. Breiter, Die Schaffhauser S., 1962
  • F. Elsener, «Notare und S.», in Stud. zur Rezeption des gelehrten Rechts, hg. von F. Ebel, D. Willoweit, 1989, 114-151
  • U.M. Zahnd, «Stud. und Kanzlei», in Gelehrte im Reich, hg. von R.C. Schwinges, 1996, 453-476
  • M. Jucker, «Vom klerikalen Teilzeitangestellten zum gnädigen Kanzler», in Traverse, 2002, H. 3, 45-54
Weblinks

Zitiervorschlag

Urs Martin Zahnd: "Stadtschreiber", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.02.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009657/2012-02-16/, konsultiert am 24.03.2023.