
Die frühesten Hinweise auf das Wirken von Stadtschreibern im schweizerischen Gebiet stammen aus dem 13. Jahrhundert. Die ersten Stadtschreiber waren Geistliche (clerici uxorati), rekrutierten sich aus kirchlichen Kanzleien und wirkten gleichzeitig in geistlichem und städtischem Auftrag. Eine Ausnahme bildete dabei Bern mit den Laienstadtschreibern ohne kirchliche Verpflichtungen (ab ca. 1230). Die allmähliche Entflechtung von städtischen und kirchlichen Schreiberfunktionen erfolgte in den grösseren Städten von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an, in kleineren Kommunen blieben Ämterkombinationen bis in die frühe Neuzeit erhalten. Mit dem Eindringen des Notariats aus Südwesten traten die ersten Stadtschreibernotare auf. In den westschweizerischen Städten übernahm vom 14. Jahrhundert an stets ein Notar die Kanzleileitung, oft im Nebenamt. In der Deutschschweiz verdrängte der Stadtschreibernotar die übrigen Notare in ihrer Funktion als Verurkundungsstellen. Zu den Aufgaben der Stadtschreiber zählten neben der Leitung der Kanzlei (vom 14. Jh. an manchmal unterstützt von zusätzlichen Schreibern wie z.B. Rats- oder Gerichtsschreibern), der Führung der Ratsprotokolle, der Ratskorrespondenz und der Urkundenausstellung für Stadt und Private auch der Aufbau des städtischen Archivs. Verschiedene Stadtschreiber befassten sich zudem mit der Stadtgeschichte. Vom 15./16. Jahrhundert an spielten sie eine wichtige Rolle als zentrale Auskunftsstelle des Rats, als Rechtsberater, als Verwaltungsspezialisten beim Aufbau des städtischen Territoriums oder als Diplomaten. Bis ins 15. Jahrhundert waren die schweizerischen Stadtschreiber oft Ortsfremde. Danach wählten die Obrigkeiten meist Stadtschreiber aus dem eigenen Territorium, vom 16. Jahrhundert an zunehmend Angehörige der städtischen Führungsschicht. Ihre Ausbildung erhielten sie im 14.-15. Jahrhundert zum Teil an Universitäten, vor allem aber als Volontäre in Kanzleien und in untergeordneten Schreiberstellen. Von der Reformation an wurden auch die Jesuitenkollegien im In- und Ausland sowie die reformierten Hohen Schulen mit ihrem juristischen Lehrangebot zu wichtigen Ausbildungsstätten.