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Allianzen

Der Begriff Allianzen bezeichnet in der Regel ein völkerrechtlich wirksames Bündnis, d.h. ein vertraglich geregeltes Zusammengehen mindestens zweier Staaten zur Verfolgung gemeinsamer oder komplementärer aussenpolitischer Ziele. Von einem Staatenbund unterscheiden sich Allianzen dahingehend, dass sie keine gemeinsamen Organe mit selbstständigen Handlungsvollmachten vorsehen. In der Geschichte der alten Schweiz unterscheidet man die eher regionalen Städtebünde, Burgrechte und Landfriedensbünde von der acht- bzw. dreizehnörtigen Eidgenossenschaft. Hier behandelt sind die Allianzen der Letzteren mit fremden Fürsten und Staaten im Zuge der Herausbildung frühmoderner Territorialstaaten und diplomatischer Beziehungen (Diplomatie).

Anfänge und Ausbau des Bündnissystems

Ein erster Vertrag zwischen Frankreich und den acht alten Orten wurde 1444 in Ensisheim (Elsass) im Anschluss an die Schlacht bei St. Jakob an der Birs geschlossen. Mit der gegenseitigen Verpflichtung zu freundschaftlichen Beziehungen, Garantien für den sicheren Verkehr von Personen und Gütern sowie gegenseitigen freien Handel war er zukunftsweisend. 1452 folgte ein erster Ewiger Friede, der 1453 von König Karl VII. ratifiziert wurde und auch die fremden Dienste in Frankreich vertraglich regelte. Verstärkt wurden die gegenseitigen Beziehungen noch durch die Allianzen von 1474/1475, welche den eidgenössischen Orten Rückendeckung im Krieg gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund bot. Hans Conrad Peyer sieht allerdings die Entwicklung eines «ausserordentlich komplizierten und in ständiger Wandlung begriffenen Systems von langdauernden Bündnissen und kurzfristigen Abmachungen mit den Nachbarn und den wichtigsten europäischen Mächten» erst im Zusammenhang mit der Loslösung der Eidgenossenschaft vom Reich. Er begründet dies damit, dass die ersten weit tragenden Bündnisse mit Österreich und Frankreich wenige Jahre vor und nach der Ablehnung der Reichsreform von 1495 geschlossen worden seien. Aber auch mit Österreich kamen die ersten Verträge primär aus sicherheits- und wirtschaftspolitischen Motiven und unabhängig von der späteren Loslösung vom Reich zustande, namentlich die Ewige Richtung von 1474, die 1477 in einem mit «Erbeinigung» bezeichneten Bündnis von den acht alten Orten und Solothurn mit Sigismund von Habsburg, Erzherzog von Österreich, erneuert wurde. Zwölf Jahre nach dem Ende des Schwabenkriegs wurde 1511 eine zweite Erbeinigung zwischen den zwölf Orten, der Fürstabtei und der Stadt St. Gallen sowie Appenzell auf der einen und Maximilian von Österreich (Maximilian I.) auf der anderen Seite abgeschlossen. Darin sicherte man sich gegenseitig freien Handel und Verkehr, Hilfe bei militärischen Angriffen durch Dritte und die Garantie der Staatsgebiete zu. Zudem verpflichteten sich die eidgenössischen Orte zur Sicherung der 1493 Österreich zugefallenen Freigrafschaft Burgund. Die Erbeinigung wurde auch für die Nachkommen der Vertragsparteien als verpflichtend erklärt und regelte langfristig die politischen Beziehungen zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich.

Zwischen den Burgunder- (1474-1477) und den Mailänderkriegen (1499-1516) gingen die eidgenössischen Orte auch mit anderen Staaten und Fürsten (Savoyen, Mailand, Venedig, Heiliger Stuhl) kurzfristige Allianzen ein, vor allem in Form von Soldbündnissen, deren verheerende innenpolitische Konsequenzen man ab 1503 (Pensionenbrief) wiederholt, jedoch erfolglos durch innereidgenössische Vereinbarungen über das Pensionenwesen korrigieren wollte. Nach der Schlacht von Marignano (1515) war deshalb auch das Verhältnis zu Frankreich neu zu regeln. Dies geschah im Ewigen Frieden von 1516 und im zusätzlichen umfangreichen Hilfs- und Soldbündnis von 1521. Dieses Vertragswerk brachte Frankreich wie den Schweizern (Eidgenossenschaft und zugewandte Orte) so viele politische und wirtschaftliche Vorteile, dass es von den französischen Königen Franz I. bis Ludwig XIV. im Jahre 1663 mit geringen Erweiterungen immer wieder erneuert wurde.

Gleichgewichtsbestrebungen

Zeremonie nach dem Vertragsschluss zwischen Bern, Zürich, den Drei Bünden und der Republik Venedig am 12. Januar 1706. Stich von Johann Melchior Füssli (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Zeremonie nach dem Vertragsschluss zwischen Bern, Zürich, den Drei Bünden und der Republik Venedig am 12. Januar 1706. Stich von Johann Melchior Füssli (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

Als Gegengewicht zur offensichtlichen französischen Dominanz ab 1521 schlossen die katholischen Orte ähnliche Verträge 1560 mit Savoyen, 1565 mit dem Heiligen Stuhl und 1588 mit Spanien-Mailand ab. Letzterer hatte für beide Seiten mehrfache Bedeutung. Er eröffnete den katholischen Orten neue Solddienste, brachte just mit dem Ausfallen der französischen Zahlungen neue Pensionen und Bündnisgelder, bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die ennetbirgischen Vogteien und den Gotthardtransit sowie Spanien die Gewähr für einen geordneten Truppendurchzug auf dem Camino de Suizos. Die meist als reine Solddienstabkommen einzustufenden, teilweise auch zeitlich begrenzten Verträge und Kapitulationen einiger eidgenössischer Orte mit Venedig, Genua, Sardinien, Neapel, Holland usw. vom ausgehenden 16. bis zum 18. Jahrhundert seien hier nur am Rande erwähnt. Auch die jeweiligen Bündniserneuerungen mit Frankreich waren nicht unumstritten. Zeitweise blieben die beiden mächtigsten reformierten Orte dem französischen Soldbündnis fern: Zürich 1521-1614, Bern 1529-1582. Ihre Einwilligung zur Bündniserneuerung von 1663 liessen sich die reformierten Orte von den Vertretern Ludwigs XIV. mit präzisierenden Neuformulierungen bezahlen: Zusicherung der eidgenössischen Militärjustiz im fremden Dienst, freie Religionsausübung der reformierten Truppen, Neutralität Frankreichs bei schweizerischen Religionskriegen. Nachdem aber mit der Annektierung des Pays de Gex durch Frankreich 1601 dieser mächtigste Bündnispartner erstmals bis an schweizerisches Gebiet vorgestossen war, verlängerte sich die gemeinsame Grenze im 17. Jahrhundert: 1648 im Oberelsass, 1674 mit der Besetzung der bisher habsburgisch-spanischen Freigrafschaft Burgund.

Erneuerung der Allianz zwischen dem König von Frankreich und der Eidgenossenschaft in der St.-Ursen-Kirche in Solothurn 1777. Stich von Laurent Louis Midart (Kunstmuseum Solothurn; Fotografie Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).
Erneuerung der Allianz zwischen dem König von Frankreich und der Eidgenossenschaft in der St.-Ursen-Kirche in Solothurn 1777. Stich von Laurent Louis Midart (Kunstmuseum Solothurn; Fotografie Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).

Nach der Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich 1685 erreichte das bei den reformierten eidgenössischen Orten aufgekommene Misstrauen den Höhepunkt. In der Folge näherten sie sich Holland und England an, den Gegnern Frankreichs. Zu beiden Ländern unterhielten sie seit der Reformation freundschaftliche Beziehungen. Nach ersten Soldverträgen im 17. Jahrhundert kam ein eigentliches Bündnis 1712 zwischen Holland, Bern und Zürich, 1713 auch mit den Drei Bünden zustande. Trotz grosser Anstrengungen von Seiten Englands scheiterte die vertragliche Einbindung der reformierten Schweiz in die von der englischen Regierung geplante Protestantische Union. Wenigstens gelang es der französischen Politik nach dem Zweiten Villmergerkrieg von 1712 nicht, die reformierten Orte zur Einwilligung in das Bündnis von 1715 zu bewegen. Es kam deshalb nur zu einem Vertragsabschluss mit den katholischen Orten, der wegen eines gegen die reformierten Orte gerichteten Geheimabkommens als Trücklibund bezeichnet wurde. Erst unter König Ludwig XVI. erfolgte die Entspannung, die im Vertragswerk von 1777, das in Solothurn von den dreizehn eidgenössischen Orten, den Zugewandten und dem Wallis beschworen wurde, konkret zum Tragen kam. Inhaltlich ging dieses Bündnis über jenes von 1663 hinaus: Die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz wurde stärker betont. Der Trücklibund galt als stillschweigend aufgelöst. Die Waadt wurde als bernisches Territorium von allen anerkannt, Genf unter besonderen Schutz gestellt und der freie Durchzug eidgenössischer Truppen nach Mülhausen (Elsass) garantiert.

Vom französischen Machtblock zur Heiligen Allianz

Als Vasallenstaat Frankreichs wurde die Helvetische Republik am 19. August 1798 zum Abschluss einer Offensiv- und Defensivallianz gezwungen. Damit verpflichtete sie sich, Frankreich auf Verlangen Truppen auch für Offensivkriege zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag sicherte französischen Truppen auch freies Durchmarschrecht zu. Als Gegenleistung verpflichtete sich Frankreich, das politische Regime der Helvetik zu garantieren. Unter der Mediation kam es am 27. September 1803 mit Frankreich zu einer neuen Defensivallianz, welche aber Napoleon I. mit der gleichzeitig abgeschlossenen Militärkapitulation (1812 erneuert) alle Möglichkeiten zum Druck auf die Schweiz offen liess. Unter der Restauration stellten neue Militärkapitulationen mit Frankreich, Holland, Neapel, Österreich und Spanien die fremden Dienste wieder her. Der Aufforderung Russlands und dem Druck der Grossmächte folgend, erklärte sich die Tagsatzung am 27. Januar 1817 zum Beitritt zur Heiligen Allianz bereit, womit zwar die Unabhängigkeit der Schweiz vor dem Zugriff der restaurativen Mächte gewährleistet wurde, allerdings auf Kosten des Asylrechts und der Pressefreiheit (Presse- und Fremdenkonklusum). Seit Ende der Heiligen Allianz hat die Schweiz im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten keine Allianz mehr geschlossen (Neutralität).

Quellen und Literatur

  • HbSG
  • Peyer, Verfassung
  • R. Bolzern, Spanien, Mailand und die kath. Eidgenossenschaft, 1982
  • Gesch. der Schweiz und der Schweizer, 3 Bde., 1982-83
  • M. Körner, «Zur eidg. Solddienst- und Pensionendebatte im 16. Jh.», in Gente ferocissima, hg. von N. Furrer et al., 1997, 193-203
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Körner: "Allianzen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.09.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009802/2006-09-19/, konsultiert am 17.04.2024.